Energiesicherheit: Ost-Ausschuss ruft EU zu Einigung mit Moskau auf
Archivmeldung vom 24.02.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie deutsche Wirtschaft hat die EU aufgefordert, mit einer Einigung für eine Liefersicherheit von Energie aus Russland zu sorgen. "Es kann nicht sein, dass wir alle paar Monate wieder Lieferunterbrechungen befürchten müssen, weil die Energiefrage zwischen der Ukraine und Russland ungeklärt ist", sagte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, in einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch).
Nötig sei es, von der ständigen Krisenreaktion hin zu einer Krisenprävention und langfristigen Lösungen zu kommen. "Dies kann durch die Fortsetzung der trilateralen Gespräche zwischen der EU, der Ukraine und Russland über Energiefragen erreicht werden, wie sie auch in der Minsker Erklärung vom 12. Februar vorgeschlagen wird", regte der frühere Metro-Chef und Daimler-Vorstand an.
"Hier ist auch der neue EU-Energiekommissar gefordert, die Bemühungen von Herrn Oettinger fortzuführen", erklärte Cordes. "Das ist sowohl im Interesse der deutschen, der ukrainischen und der russischen Wirtschaft und ein Beitrag zur Energiesicherheit Europas", schloss der Vorsitzende des Ost-Ausschusses.
Gazprom könnte Gas-Lieferungen in die Ukraine in zwei Tagen einstellen
Der Energieriese Gazprom könnte seine Gas-Lieferungen in die Ukraine binnen zwei Tagen einstellen. Die Ukraine bezieht ihr Gas gegen Vorkasse und hat laut Gazprom ihre nächste anstehende Zahlung noch nicht überwiesen.
Der russische Energiekonzern teilte am Dienstag mit, dass Kiew nur noch 219 Millionen Kubikmeter Gas übrig habe, für das bereits bezahlt wurde. Dies würde reichen, um den Bedarf der Ukraine für zwei Tage zu decken. Sollte es danach zu einem Lieferstopp kommen, "könnte dies auch Auswirkungen auf die europäische Energieversorgung haben", teilte Gazprom-Chef Alexei Miller mit. Russland ist der größte Gaslieferant der EU und stellt knapp ein Drittel des in Europa verbrauchten Gases. Die Hälfte davon fließt über Pipelines durch die Ukraine.
EU will Moskaus Energie-Macht brechen
Die Länder der Europäischen Union sollen nach dem Willen der EU-Kommission ihre Kräfte vereinen, um sich Russland auf dem Energiemarkt besser entgegenstellen zu können. Das sieht das Konzept einer "Energie-Union" vor, die der für Energiepolitik zuständige Vizepräsident der Kommission, Maros Sefcovic, an diesem Mittwoch präsentieren will, berichtet die "Süddeutsche Zeitung".
Die Energie-Union könne die EU gegen Lieferengpässe wappnen, heißt es demnach in dem Entwurf. Damit zieht die EU-Kommission die Koordinierung der Energiepolitik an sich, was nicht zuletzt auf den Widerstand Deutschlands stoßen dürfte: Laut EU-Vertrag ist dies nationale Angelegenheit. Vizepräsident Sefcovic bezeichnete den Plan als "das ambitionierteste Vorhaben seit Gründung der Kohle-Stahl-Union".
Kern seines Plans sei es, die Grenzen zwischen den 28 nationalen Energiemärkten aufzuheben, sagte er in einem Gespräch mit der SZ und anderen europäischen Zeitungen. Man müsse die Europäer insgesamt unabhängiger machen von russischen Energielieferungen sowie gleichzeitig Investoren anziehen. Hintergrund ist auch der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine: Moskau als wichtigster Energielieferant hat seine Marktmacht immer wieder auch zu politischem Druck genutzt.
Die 28 EU-Mitgliedstaaten sollen gegenüber den Gaslieferanten geschlossener auftreten. So soll jedes Land künftig Abkommen mit Lieferländern vor Abschluss der EU-Kommission vorlegen, die diese auf ihre Vereinbarkeit mit EU-Recht prüft. Im Prinzip soll dies auch für kommerzielle Verträge gelten, also etwa für solche, die Konzerne mit dem russischen Monopolisten Gazprom abschließen. Damit wären - zumindest für die Zukunft - die Beziehungen deutscher Privatkonzerne zu russischen Lieferanten betroffen.
In der Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hatte die Bundesregierung bereits im vergangenen April klargemacht, dass sie hier keinen Anlass zur Einmischung sieht. "Deutsche Unternehmen haben mit russischen Unternehmen langfristige Verträge abgeschlossen, die teilweise noch eine Vertragslaufzeit über mehr als 20 Jahre haben. Die Bundesregierung ist kein Vertragspartner und nimmt keinen Einfluss auf die Vertragsinhalte", hieß es damals laut SZ.
Für Ausnahmefälle sehe der Entwurf auch die freiwillige Bildung von Einkaufsgemeinschaften vor, um für besonders von einem Lieferanten abhängige Länder günstigere Konditionen zu erreichen. Diese umstrittene Idee hatte ursprünglich Polen ins Gespräch gebracht.
"Kein Mitgliedstaat sollte unter unvorteilhaften Verträgen leiden, die nur aus einer aus geografischen oder historischen Gründen schwachen Position resultieren", heißt es laut SZ in einem Positionspapier Polens, Tschechiens, Ungarns und der Slowakei. Allerdings steht gerade Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán in der Kritik, weil er jüngst Kremlchef Wladimir Putin empfangen hatte. Bis Ende der Legislatur der Juncker-Kommission 2019 sollen alle nötigen Gesetzesvorschläge verabschiedet werden. Bis 2030 soll die Energie-Union aufgebaut sein.
Außenminister fordern Stärkung der OSZE-Mission in der Ostukraine
Die Außenminister Frankreichs, Deutschlands, der Ukraine und Russlands - Laurent Fabius, Frank-Walter Steinmeier, Sergej Lawrow und Pawlo Klimkin - haben eine Stärkung der OSZE-Mission in der Ostukraine gefordert. Die Mitgliedsstaaten seien dazu aufgerufen, das nötige Personal, technische Ausrüstung und mehr Geld zur Verfügung zu stellen, erklärte Fabius am Dienstag nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen in Paris.
Man werde zudem eine Verlängerung der Mission um ein Jahr beantragen. Er betonte, dass der Minsker Friedensplan strikt umgesetzt werden müsse. Dazu gehöre die umgehende Umsetzung der Waffenruhe und der Abzug schwerer Waffen. Alle Seiten seien dazu aufgerufen, den OSZE-Beobachtern und humanitären Helfern vollen Zugang zu ermöglichen.
Putin sieht Chance für Normalisierung im Ukraine-Konflikt
Der russische Präsident Wladimir Putin sieht eine Chance für eine Normalisierung im Ukraine-Konflikt. Er gehe davon aus, dass es eine schrittweise Deeskalation der Lage geben werde, sobald die Kriegsparteien den in Minsk vereinbarten Friedensplan umsetzten, erklärte Putin im russischen Staatsfernsehen. Niemand wolle einen bewaffneten Konflikt. "Ich denke, dass ein solch apokalyptisches Szenario kaum möglich ist, und ich hoffe, dass es nicht dazu kommt", so der Kremlchef weiter.
Eine dritte Runde der Verhandlungen in Minsk hält Putin unterdessen noch nicht für nötig. Zuvor hatte die ukrainische Armee den vereinbarten Abzug schwerer Waffen ausgesetzt. "Solange der Beschuss ukrainischer Stellungen fortgesetzt wird, ist es unmöglich, über einen Rückzug zu sprechen", teilte ein Militärsprecher am Montag mit.
Der Abzug werde erst beginnen, wenn die Separatisten ihre Angriffe vollständig einstellen würden und die Waffen einen Tag lang geruht hätten. Die Separatisten warfen ihrerseits dem ukrainischen Militär vor, gegen die seit gut einer Woche geltende Waffenruhe zu verstoßen, und wiesen die Vorwürfe aus Kiew zurück.
Russland-Beauftragter warnt vor "Pufferstaat" in der Ukraine
Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), warnt vor der Möglichkeit eines Pufferstaates im Osten und Süden der Ukraine. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstag) sagte Erler: "Nach dem Vorstoß der prorussischen Separatisten auf Debalzewo in der vergangenen Woche steht auch das Thema Novorossija (Neurussland) wieder auf der Tagesordnung. Gibt es weitere Landnahmen nach der Art von Debalzewo, könnte ein lebensfähiger Pufferstaat entstehen, wie ihn die sogenannten Eurasier in Russland schon lange fordern."
Erler forderte vor diesem Hintergrund, der russische Präsident Wladimir Putin müsse endlich sagen, welche Ziele er in der Ukraine verfolge. Er warnte, Russland drohe die vollständige internationale Isolierung, wenn es sich nicht mit aller Kraft für eine Umsetzung der Waffenstillstands-Vereinbarungen von Minsk einsetze. "Jede Eroberung einer weiteren Stadt jenseits der Kontrolllinie, die in Minsk verabredet worden ist, ist eine massive Provokation der Unterzeichner des Minsker Abkommens, einschließlich des russischen Präsidenten. Zugleich wäre das Prestige der Moskauer Führung infrage gestellt, wenn die pro-russischen Separatisten ihren Eroberungszug fortsetzen."
Die Eroberung von Debalzewo durch die Separatisten bezeichnete Erler als "Verstoß gegen das Abkommen von Minsk mit Ansage". Russland habe in diesem Fall keinerlei mäßigenden Einfluss genommen. "Stattdessen hat Präsident Putin das Vorgehen bei seinem Besuch in Budapest öffentlich gerechtfertigt."
Die Frage ist nach den Worten von Erler nun: "War das aus Sicht der Separatisten der letzte Begradigungsversuch? Oder geht es augenblicklich nur um einen Zeitgewinn, um Angriffe an weiteren Frontabschnitten etwa bei Mariupol vorzubereiten?"
Quelle: dts Nachrichtenagentur