Mützenich: Wir müssen Gesprächskanäle mit Moskau offen halten
Archivmeldung vom 19.04.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich ist der Ansicht, dass Gesprächskanäle mit Russland offen gehalten werden müssen. Moskau gegenüber müsse deutlich gemacht werden, dass "die Möglichkeiten der Sanktionen auch wieder rückgängig" werden können, sollte es eine Verhaltensänderung geben, so Mützenich im Gespräch mit dem "Deutschlandfunk". Nur durch Gespräche könne wieder Konstruktivität in die Beziehungen gebracht werden. Russland habe "die gesamten Grundlagen auch der Friedensordnung untergraben", so der SPD-Politiker.
"Ich glaube, das Misstrauen wird auch in den nächsten Monaten, wahrscheinlich sogar in den nächsten Jahren vorherrschen." Doch auch der Westen müsse Fehler eingestehen. Militärische Maßnahmen seien nicht der Schlüssel. "An erster Stelle ist der Versuch des Konfliktmanagements, auch des Zuhörens, auch die Versuche, zu verstehen, welche unterschiedlichen Motivlagen es gibt."
USA drohen neue Sanktionen an
Das Weiße Haus hat für den Fall eines Scheitern des Genfer-Friedensplans neue Sanktionen gegen Russland angedroht. Sowohl die USA als auch die europäischen Partner "bleiben bereit, neue Sanktionen gegen Russland zu verhängen", sollte der Friedensplan scheitern, erklärte die Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice am Freitag in Washington. Sollten die Ereignisse eskalieren, etwa durch russische Truppenbewegungen, würden die neuen Sanktionen "sehr wichtige Bereiche" der russischen Wirtschaft treffen, so Rice weiter. Der Friedensplan sieht unter anderem vor, bewaffnete Milizen in der Ukraine zu entwaffnen, besetzte Gebäude zu räumen und eine OSZE-Beobachtungsmission einzurichten. Für jene Gruppen oder Personen, die sich entwaffnen lassen, ist eine Amnestie vorgesehen. Jedoch haben sich bereits erste Milizen geweigert, ihre Waffen abzugeben.
Friedensplan für Ukraine stößt auf Zurückhaltung in Politik
Mit spürbarer Zurückhaltung ist die überraschende Einigung auf einen Friedensplan für die Ukraine von der deutschen Politik aufgenommen worden. "Die Situation bleibt angespannt. Russland muss sich nun bewähren und zeigen, dass den Worten auch friedliche Taten folgen", sagte Philipp Mißfelder, der außenpolitische Sprecher der CDU-CSU-Bundestagsfraktion, der "Berliner Zeitung".
"Die Vereinbarungen sind ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber noch lange kein Durchbruch", erklärte auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne).
Linken-Chef Bernd Riexinger forderte, auf allen Seiten müssten nun "die Hitzköpfe gebändigt werden". Mit scharfen Worten kritisierte er Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die im Magazin "Focus" einen Blauhelmeinsatz im Osten der Ukraine nicht ausgeschlossen hatte. "Die Idee von Blauhelmen für die Ukraine ist abwegig und geschichtslos", sagte Riexinger der "Berliner Zeitung": "Deutsche Soldaten in der Ukraine, die womöglich in bewaffnete Konflikte verwickelt werden, das wäre ein undenkbarer Tabubruch."
Brok: Putin muss persönlich für Räumung besetzter Gebäude sorgen
Der CDU-Außenpolitiker Elmar Brok hat Russlands Präsident Wladimir Putin aufgefordert, persönlich für die Räumung der besetzten Gebäude in der Ostukraine zu sorgen und mit Sanktionen gedroht. "Die maskierten Männer in der Ost-Ukraine werden eindeutig direkt von Putin gesteuert, wir gehen davon aus, dass einige von ihnen selbst Russen sind", sagte Brok der "Bild-Zeitung" (Onlineausgabe). "Putin trägt deshalb jetzt auch persönlich die Verantwortung, dass die besetzten Gebäude geräumt werden. Geschieht das nicht, müssen noch am Donnerstag neue Sanktionen gegen Russland verhängt werden."
Brok hatte in den vergangenen zwei Tagen Kiew besucht und sich mit Spitzenpolitikern des Landes getroffen.
Die Situation in seinem Land eskaliere und sei "äußerst bedrohlich", warnt der ukrainische Abgeordnete Hryhory Nemyrija, Vorsitzender des Parlamentsausschusses für Europäische Integration und einst Vizepremier unter Julija Tymoschenko. Im Interview mit dem "Spiegel" ruft er Deutschland und den Westen auf, die "gutorganisierte, von Moskau gesteuerte Aggression" im Osten der Ukraine zu stoppen. "Sie müssen jetzt gemeinsam den politischen Willen aufbringen, schmerzhafte Wirtschaftssanktionen zu verhängen. Denn die bisherigen Sanktionen haben nichts bewirkt", sagte Nemyrija. "Wir brauchen aber auch eine militärische Komponente." Ukrainische Streitkräfte müssten vom Westen aufgerüstet und trainiert werden, die USA sollten ihre Geheimdiensterkenntnisse mit der ukrainischen Regierung teilen. Putin wolle die Ukraine "von innen heraus zerstören", so der in Donezk geborene Historiker. Der russische Präsident greife mit seinem Handeln nicht nur die Ukraine an, sondern die gesamte internationale Ordnung, die seit dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut worden sei. Die Krim hält Nemyrija für verloren "weiteres Territorium aufgeben" werde die Ukraine jedoch "nur über unsere Leichen".
Medien: Separatisten wollen besetzte Gebäude in Donezk nicht verlassen
Pro-russische Separatisten wollen trotz der am Donnerstag in Genf getroffenen Vereinbarung besetzte Gebäude in der ostukrainischen Stadt Donezk offenbar nicht verlassen. Die Separatisten hielten die ukrainische Übergangsregierung für "illegal", so ein Sprecher der Besetzer zur BBC. Daher würden sie die Gebäude erst freigeben, wenn die Übergangsregierung zurückgetreten sei. Vertreter Russlands, der ukrainischen Übergangsregierung, der EU und der USA hatten sich am Donnerstag darauf geeinigt, dass die "illegalen militärischen Einheiten" in der Ukraine entwaffnet und alle besetzten Gebäude verlassen werden müssten. Unterdessen kommt es in der Ostukraine offenbar weiter zu Auseinandersetzungen.
In der Nacht zum Freitag sollen in der Stadt Slawjansk bei der Stürmung eines Postens der Separatisten durch ukrainische Regierungstruppen Schüsse gefallen sein. Angeblich kam dabei mindestens ein Mensch ums Leben.
Bouffier bekräftigt Schäubles umstrittenen Vergleich
Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Volker Bouffier hat den umstrittenen Vergleich bekräftigt, den Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zwischen dem Vorgehen Moskaus auf der Krim und Hitlers Methoden 1938 im Sudetenland gezogen hatte. "Wer einigermaßen die Dinge kennt, kann ernsthaft nicht bestreiten, dass es sich um ähnliche Muster handelt", sagte der hessische Ministerpräsident im Interview der "Welt". Schäuble habe allerdings nicht den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Hitler verglichen.
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat der russischen Regierung angesichts der Eskalation in der Ost-Ukraine mit schärferen Sanktionen gedroht. "Wir Europäer sagen unmissverständlich, dass wenn Moskau dort weiter destabilisiert, die dritte Stufe der Sanktionen greift", sagte von der Leyen in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Focus". Von der ökonomischen Wirkung der Sanktion ist die Ministerin überzeugt: "Das würde die Weltwirtschaft insgesamt zurückwerfen, aber Russland am härtesten und langfristig treffen." Nach Einschätzung der Bundesverteidigungsministerin haben die Sanktionen schon erhebliche Wirkung entfaltet: "Der Vertrauensverlust seit der Annexion der Krim zeigt bereits jetzt ökonomisch gravierende Folgen für Russland", so von der Leyen. "Im Augenblick stimmt die Wirtschaft doch schon mit den Füssen ab, indem sie Investitionen in Russland aufschiebt oder auf andere Länder ausweicht."
Den Einsatz militärischer Mittel im Ukraine-Konflikt lehnt von der Leyen ab. "Russland und die Ukraine wissen beide um die Folgen, wenn zu sehr über militärische Optionen nachgedacht wird", sagte die Ministerin "Focus". "Russland hat die Ukraine aufgefordert zu deeskalieren und ich erwarte, dass dieselbe Aufforderung ebenso deutlich an die Separatisten in der Ostukraine ergeht." Die westliche Wertegemeinschaft dürfe sich "gar nicht erst auf die russische Eskalationslogik und Machtpolitik einlassen", so von der Leyen. "Wir setzen unbeirrt und konsequent auf die Regeln, die sich die Staaten nach den schrecklichen Kriegen des letzten Jahrhunderts selber gegeben haben."
Von der Leyen droht Moskau mit schärferen Sanktionen
Offen zeigte sich die Verteidigungsministerin für die Bitte der ukrainischen Regierung, zur Beilegung des Konflikts in der östlichen Landeshälfte Blauhelm-Truppen zu entsenden. Die Regierung in Kiew wisse, "dass der Weltsicherheitsrat nur für Blauhelme entscheidet, wenn Russland zustimmt", sagte von der Leyen "Focus". Entscheidend sei aber, "zu einem Dialog zwischen Russland und der souveränen Ukraine im Genfer Format zu finden", so die Ministerin. "Wenn wir dort eine Verständigung haben, sind auch weitere friedenserhaltende Maßnahmen der Vereinten Nationen denkbar."
Nach Ansicht von Außenminister Frank-Walter Steinmeier kommt nach der Einigung beim Krisentreffen in Genf der Lackmustest in der Ukraine noch. "Jetzt muss bewiesen werden, dass die Verabredungen von Genf nicht ein Stück Papier bleiben, sondern Politik verändern", so Steinmeier am Donnerstag. "Der Frieden ist noch nicht gewonnen in der Ukraine, und wir sind noch lange nicht am Ziel. Aber die Chance ist zurück, dass eine Spaltung der Ukraine vermieden wird und dass alle Regionen der Ukraine an der wirtschaftlichen und politischen Zukunft des Landes arbeiten."
Steinmeier: Der Lackmustest kommt noch
Bei dem Treffen in Genf hatten sich Vertreter Russlands, der ukrainischen Übergangsregierung, der EU und der USA darüber geeinigt, dass die "illegalen militärischen Einheiten" in der Ukraine entwaffnet werden müssten. Außerdem müssten sie alle besetzten Gebäude verlassen. US-Außenminister John Kerry kündigte eine Amnestie für pro-russische Demonstranten an, sofern sie nicht an schweren Verbrechen beteiligt gewesen seien. Die Gespräche mit allen Konfliktparteien sollten weitergeführt werden. Sollten in der Region sichtbare Fortschritte erreicht werden, könne auch darüber gesprochen werden, verhängte Sanktionen wieder zurückzunehmen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur