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Griechenland-Politik entzweit Bundesregierung

Archivmeldung vom 17.02.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.02.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: günther gumhold  / pixelio.de
Bild: günther gumhold / pixelio.de

Zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) zeichnet sich ein Dissens über den richtigen Weg zur Rettung Griechenlands ab. Das berichtet die "Süddeutsche Zeitung" in ihrer Freitagausgabe. Während Schäuble nach Angaben aus Koalitionskreisen eher zu einer Lösung tendiert, bei der sich Athen förmlich für insolvent erklärt, wäre dieser Schritt aus Merkels Sicht zu riskant. Einig sind sich beide darin, dass Griechenland Euro-Mitglied bleiben sollte.

Schon seit Wochen wachsen in der Bundesregierung die Zweifel, dass sich die Probleme des hochverschuldeten Landes mit der bisherigen Strategie dauerhaft werden lösen lassen. Diese basiert darauf, dass die Regierung in Athen rigide Haushalts- und Wirtschaftsreformen umsetzt und dafür die Euro-Partner sowie der Internationale Währungsfonds auf Jahre als Kreditgeber einspringen. Zugleich sollen die bisherigen Privatgläubiger des Landes, also vor allem Banken, Versicherungen und Fonds, auf bis zu 70 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Schäuble hat jedoch nach den Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre kaum noch Hoffnung, dass die Griechen die vereinbarten Schnitte umsetzen werden. Selbst wenn dies gelänge, wäre 2020 die Schuldenlast gemessen an der Wirtschaftsleistung mit voraussichtlich gut 120 Prozent immer noch viel zu hoch. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich der Minister nach Angaben aus den Kreisen zunehmend mit dem Gedanken, ob sich die griechische Regierung nicht offiziell für zahlungsunfähig erklären und einen noch weitergehenden Schuldenschnitt mit ihren Gläubigern aushandeln sollte.

Merkel kann zwar Schäubles Analyse in weiten Teilen folgen, nicht aber der Schlussfolgerung. Sie hält es dem Vernehmen nach für möglich, dass eine Pleite Griechenlands eine Schockwelle auslösen könnte, die auch Länder wie Spanien und Italien unter sich begräbt. In diesem Fall könnte die gesamte Währungsunion auseinanderbrechen. Schäuble hingegen gehe davon aus, dass Athen auf den Finanzmärkten ohnehin als insolvent gelte und eine förmliche Pleite keine negativen Folgewirkungen für andere Staaten hätte.

Einig ist man sich in der Koalition, dass die EU-Partner den Griechen auch im Insolvenzfall zur Seite springen müssten - etwa um zu verhindern, dass die meisten Banken des Landes bankrottgehen und die Bürger die Filialen stürmen.

Die unterschiedlichen Sichtweisen Merkels und Schäubles wurden mittlerweile auch in Brüssel registriert. "Je nachdem, ob man mit jemandem aus dem Kanzleramt oder aus dem Finanzministerium spricht, erhält man unterschiedliche Botschaften", sagte ein ranghoher Vertreter einer an den Verhandlungen beteiligten Institution. Schäuble ist mit seiner Meinung allerdings nicht allein, unterstützt wird er unter anderem von Finnland und Österreich. Die Niederlande plädieren intern gar für einen Euro-Austritt Griechenlands. Auch Luxemburgs Finanzminister Luc Frieden sagte am Donnerstag, Griechenland müsse zwischen dem geforderten Reformkurs und dem Austritt wählen. "Ich kann nicht hinnehmen, dass ein Land sagt: Wir sind in der Euro-Zone, aber wir wollen die Vorschriften nicht einhalten", sagte er.

SPD-Chef Gabriel: EU soll Konten reicher Griechen sperren

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat die Staatschefs der EU aufgefordert, ausländische Konten von reichen griechischen Steuerflüchtlingen zu sperren. "Warum sollte es nicht möglich sein, sich als EU darauf zu verständigen, die Konten wohlhabender Griechen zu sperren, bis diese Personen in ihrer Heimat ausstehende Steuern bezahlt haben?", sagte Gabriel der "Rheinischen Post". Die EU müsse Steuerflucht doch unterbinden können, wenn sie gleichzeitig Milliardenhilfen in Aussicht stellt. Das Sparprogramm, das die Troika der Geldgeber Athen aufzwinge, treffe vor allem Rentner und Arbeitnehmer und schwäche so die Binnennachfrage, kritisierte Gabriel. "Ich glaube, die Grenze der Belastbarkeit ist in diesem Land ohnehin erreicht."

Die Politik von Kanzlerin Merkel kritisierte er scharf. "So wie die Bundesregierung bisher die Krise managt, schlittert nicht nur Griechenland, sondern ganz Europa in eine tiefe Wirtschaftskrise, die am Ende auch uns erwischen wird."

CDU-Politiker Von Stetten kritisiert Äußerungen des griechischen Präsidenten Papoulias

In der Unionsfraktion gibt es massiven Unmut über die griechische Kritik an Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). "Das ist eine Unverschämtheit", kommentierte Christian von Stetten, Chef des Wirtschaftsflügels in der Unionsfraktion, in der Tageszeitung "Die Welt" die Äußerung des griechischen Präsidenten Karolos Papoulias. "Der griechische Staatspräsident müsste wissen: Ohne Wolfgang Schäuble wäre Griechenland schon längst zahlungsunfähig". Schäuble sei in seinem Engagement für Griechenland "an die Grenzen der physischen und psychischen Belastung gegangen, die sich ein Mensch überhaupt zumuten kann", führte von Stetten aus: "Dass der Respekt dafür ausgerechnet beim griechischen Staatspräsidenten fehlt, ist unglaublich." Es handele sich um einen "ungeheuerlichen Ausfall". Stetten warnte die Hellenen: "Es gibt auch eine Grenze dessen, was die deutsche Bevölkerung bereit ist, sich anzusehen und anzuhören. An Nazi-Vergleiche in Zeitungen und brennende Deutschland-Fahnen haben wir uns gewöhnt. Beleidigungen von höchsten Regierungsstellen können wir aber nicht hinnehmen." Stetten forderte von Präsident Papoulias eine "Klarstellung" und zog einen direkten Zusammenhang zu der Gewährung künftiger Hilfen: "Das kommt bei den deutschen Abgeordneten gar nicht gut an und wird sicher Auswirkungen auf die Abstimmung am 27. Februar haben. Zahlreiche Abgeordnete, die bisher zustimmen wollten, werden nun in sich gehen und neu darüber nachdenken, ob sie den EFSF-Rettungsschirm tatsächlich auf Griechenland ausdehnen wollen."

EU-Parlamentspräsident Schulz zeigt Verständnis für Papoulias

Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), hat Verständnis für den Ausbruch des griechischen Staatschefs Karolos Papoulias gezeigt. "Niemand sollte von oben herab die Griechen, die in den vergangenen Wochen schmerzhafte Einsparungen vorgenommen haben, belehren oder demütigen", sagte Schulz dem Berliner "Tagesspiegel".

Papoulias hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgeworfen, Griechenland in der Hängepartie um das zweite Milliarden-Rettungspaket zu verhöhnen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte zuletzt vor allem den griechischen Konservativen vorgeworfen, den vereinbarten Sparkurs nicht genügend zu stützen. Die Entscheidung über das zweite Griechenland-Paket in Höhe von 130 Milliarden Euro wurde auf den kommenden Montag vertagt.

Brüderle fordert harte Haltung gegenüber Griechenland

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hat von der Bundesregierung eine harte Haltung gegenüber Griechenland gefordert. "Der deutsche Staatshaushalt ist kein Selbstbedienungsladen für andere Länder, daher erwarten wir für unsere Solidarität auch belastbare Zusagen der Griechen", sagte Brüderle dem "Handelsblatt". Er habe "volles Vertrauen", dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bei den Verhandlungen über das zweite Hilfspaket am kommenden Montag deutsche Interessen "vehement vertritt". Die griechischen Parteien müssten die getroffenen Vereinbarungen auch nach den Wahlen einhalten. "Bisher haben wir leider auch negative Erfahrungen mit Griechenland bei der Umsetzung der Zusagen machen müssen. Das darf beim neuen Griechenland-Hilfspaket nicht wieder vorkommen", sagte Brüderle. Die Geldgeber müssten prüfen, "ob die Hilfen auch in mehreren Tranchen ausgezahlt werden können". Die Freigabe neuer Mittel solle "erst dann Zug um Zug erfolgen, wenn die vereinbarten Reformschritte auch von den Griechen umgesetzt worden sind", sagte der FDP-Fraktionschef.

Deutschlandtrend: Fast jeder zweite Bundesbürger für weitere Unterstützung von Griechenland

Etwa 48 Prozent der Bürger wollen, dass die Euro-Länder Griechenland weiterhin unterstützen. Das ergab eine Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des ARD-Morgenmagazins. Rund 43 Prozent sind der Meinung, dass die EU Griechenland pleite gehen lassen soll. Im Oktober 2011 sprachen sich noch 50 Prozent für eine Unterstützung aus, 41 Prozent waren damals gegen die Hilfe der EU.

Zudem sind 50 Prozent der Deutschen der Meinung, dass die gesetzlichen Krankenkassen ihre Überschüsse für beitragsärmere Jahre zurückstellen sollten. 30 Prozent sprechen sich für die Senkung der Beiträge aus und 17 Prozent sind für eine Rückzahlung der Überschüsse an die Versicherten.

Hinsichtlich der Sonntagsfrage hat sichbei den Wählern kaum etwas getan. Die CDU/CSU liegt derzeit bei 36 Prozent. 29 Prozent der Bürger würden der SPD ihre Stimme geben. Die Grünen liegen aktuell bei 16 Prozent der Wählerstimmen. Die Linken erhalten sieben Prozent. Für die Piraten würden sich sechs Prozent der Bürger entscheiden. Die FDP erhält drei Prozent der Stimmen. Im Vergleich zum Deutschlandtrend vom 2. Februar 2012 haben die Grünen einen Prozentpunkt gewonnen, alle anderen Stimmen bleiben unverändert. Rot-Grün käme somit auf 45 Prozent. Die Regierungskoalition hat insgesamt 39 Prozent der Bürger hinter sich.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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