Zeitung: Euro-Länder befürchten hohe Verluste bei Regierungswechsel in Athen
Archivmeldung vom 25.02.2012
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.02.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Euro-Staaten befürchten für den Fall eines Regierungswechsels in Griechenland Kreditausfälle in beträchtlicher zweistelliger Milliardenhöhe. Das berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Grund sei, dass noch vor der Parlamentswahl im April etwa 60 Milliarden Euro aus dem neuen, insgesamt 130 Milliarden Euro umfassenden griechischen Hilfspaket ausgezahlt werden müssen. Gleichzeitig liegen in Meinungsumfragen linke Parteien vorn, die die Sparauflagen der Euro-Partner ablehnen und drohen, bereits überwiesene Darlehen nicht zurückzuzahlen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte bereits eine Verschiebung der Wahl ins Gespräch gebracht, sich dafür aber den Zorn griechischer Spitzenpolitiker zugezogen.
Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke betonte vor einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses zum Rettungspaket, es bestehe die Gefahr, dass sich eine Nachfolge-Regierung in Griechenland nicht an die Auflagen halte. Deshalb wolle die FDP sicherstellen, dass nur die unbedingt notwendigen Beträge vor der Wahl ausgezahlt würden. Noch deutlicher formulierte es ein Spitzenvertreter aus dem Kreis der sogenannten Troika, zu der die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds zählen: "Wenn nach den Wahlen die Kommunisten regieren, ist unser Geld größtenteils weg." Es geht dabei einerseits um jene 75 Milliarden Euro, die Griechenland bereits erhalten hat. In den nächsten Wochen sollen jedoch aus dem neuen, zweiten Paket weitere 60 Milliarden Euro hinzukommen: 30 Milliarden als Anreiz für Athens Gläubigerbanken, sich am geplanten Schuldenschnitt zu beteiligen, 23 Milliarden zur Stützung der griechischen Geldhäuser, die durch die Umschuldung sonst pleitegingen, und 5,5 Milliarden für Zinszahlungen auf mehrere Staatsanleihen, die im März auslaufen.
In Umfragen kommen jedoch derzeit drei links von der sozialdemokratischen PASOK angesiedelte Parteien auf insgesamt 45 Prozent der Stimmen. Sie lehnen die Sparauflagen der Euro-Partner ab oder wollen Griechenland für zahlungsunfähig erklären und aus dem Euro austreten. Angesichts gravierender Meinungsunterschiede gilt es allerdings als praktisch ausgeschlossen, dass die Parteien am Ende auch wirklich koalieren.
Schäuble deutete derweil an, dass womöglich ein weiteres, drittes Hilfspaket nötig werden könnte. In einem Brief an alle Bundestagsabgeordneten schrieb er, es gebe keine Garantie, dass der jetzt eingeschlagene Weg zum Erfolg führe. Vor diesem Hintergrund sei es "möglicherweise auch nicht das letzte Mal, dass sich der Deutsche Bundestag mit Finanzhilfen für Griechenland befassen muss". Dennoch sei es richtig, das zweite Rettungspaket zu verabschieden, weil die Erfolgsaussichten aller anderen denkbaren Wege noch "deutlich kleiner" seien.
Auch der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider sagte bereits voraus, dass es "ein drittes Paket geben wird". Bis zum Jahr 2020 dürften weitere 50 Milliarden Euro benötigt werden. Trotzdem werde seine Partei dem zweiten Hilfspaket zustimmen. Der Bundestag will das neue Kreditpaket am Montag in einer Sondersitzung beschließen.
CSU widerspricht Schäubles Äußerungen zu drittem Griechenland-Paket
Die CSU hat der Einschätzung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) widersprochen, dass in Zukunft weitere Hilfen für Griechenland auch über den bislang geplanten Rahmen hinaus möglich werden könnten. "Wir geben Athen mit dem zweiten Hilfspaket eine weitere Chance, aber nutzen muss das Land diese Chance selbst", sagte der Sprecher des CSU-Wirtschaftsflügels, Hans Michelbach, der Onlineausgabe des "Handelsblatts". "Klar ist: Nachdem Griechenland schon die erste Chance nicht genutzt hat, wird es eine dritte Chance nicht geben."
Anders als Schäuble knüpft Michelbach zudem die Beteiligung Deutschlands an dem Rettungspaket an eine Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der CSU-Politiker nannte vier Punkte, die "entscheidend" für eine Zustimmung seiner Partei zu den Hilfen am Montag im Bundestag seien. So müsse das Grundprinzip "Solidarität nur gegen Gegenleistung" durchgehalten werden. Zudem müsse der Schuldenschnitt "erfolgreich" durchgeführt werden. Außerdem müsse der Internationale Währungsfonds (IWF) im bisherigen Umfang mit im Boot bleiben, betonte der Obmann der Unions-Fraktion im Bundestagsfinanzausschuss. Und: "Griechenland muss vor Bereitstellung der Mittel alle vereinbarten vordringlichen Maßnahmen vollumfänglich gesetzlich umgesetzt haben." Michelbach hält es zudem für unabdingbar, dass der Reformdruck auf Griechenland noch deutlich erhöht wird. "Deshalb kann und darf das neue Hilfspaket nur in klar definierten Tranchen freigegeben werden", sagte er. "Für jede Tranche müssen klare Ziele vorgegeben werden, und neues Geld darf es nur geben, wenn alle Vorgaben für die vorangehende Tranche erfüllt sind."
Michelbach will in dieses Prozedere dann auch die deutschen Parlamentarier eingebunden wissen. "Über die Freigabe der einzelnen Tranchen muss der Bundestag wegen der damit verbundenen Haushaltsrisiken mitentschieden", sagte der CSU-Politiker. Die besten Gesetze hülfen ja nicht, wenn eine leistungsfähige Verwaltung fehle.
Verständnis zeigte Michelbach für die vielen skeptischen Stimmen im Bundestag zu Griechenland. "Niemand fällt es leicht zuzustimmen", sagte er mit Blick auf die anstehende Bundestagsabstimmung. "Hier geht es um die Abwägung der Vor- und Nachteile." Eine einfache Lösung gebe es nicht. Selbst die Gegner des Hilfspakets seien bisher die Antwort auf die Frage nach einer Lösung schuldig geblieben. Griechenland habe aber auch viel dafür getan, die Skepsis zu fördern, fügte der CSU-Politiker hinzu. "Wir haben in Athen bei der Bewältigung der Krise leider in der Vergangenheit mehr Stillstand als Gestaltung gesehen." Athen habe die Geduld der Partner "überstrapaziert bis zum Exzess". Das könne und dürfe so nicht weitergehen.
Unmut im Bundestag über fehlende Unterlagen zur Griechenlandhilfe
Mit Unmut haben Abgeordnete des Haushalts- und Europaausschusses auf die Unterlagen reagiert, die ihnen vom Finanzministerium am Freitag in die laufenden Beratungen zum Griechenland-Rettungspaket übermittelt wurden. Das berichtet die "Saarbrücker Zeitung". So hätten beide Gremien statt der von ihnen verlangten Schuldentragfähigkeitsanalyse von Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU) lediglich eine Tabelle zugemailt bekommen, die aus fünf Daten besteht. Darin stehe der erwartete Schuldenstand Griechenlands nach dem Rettungspaket mit 128,6 Prozent vom BIP, abzüglich drei weitere Maßnahmen, darunter der Haircut, ergebe dies einen künftigen Schuldenstand von 120,5 Prozent. Kampeter schrieb, diese Tabelle bestätige "dass das Ziel eines Schuldenstandes im Jahr 2020 von nahe 120 Prozent erreicht wird." Eine vollständige Schuldentragfähigkeitsanalyse werde es von der Troika erst nach dem Anleihetausch geben. Das wäre im März. Am Montag soll der Bundestag jedoch über die Griechenlandhilfen entscheiden.
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, sagte der "Saarbrücker Zeitung" zu Kampeters Schreiben: "Das ist ein Witz. Diese Tabelle behauptet das, was sie beweisen müsste". Damit fehle den Beratungen das wichtigste Dokument. Auch der Vorsitzende des Europaausschusses, Gunther Krichbaum (CDU), sagte der Zeitung, dass "ein Schlüsseldokument" fehle. "Im Moment wissen wir nicht, auf welcher Grundlage wir entscheiden können". Das sei unbefriedigend. Die Schuldentragfähigkeitsanalyse soll darstellen, ob die Maßnahmen Griechenlands Schuldenstand so weiter herunterbringen können, dass das Land wieder marktfähig wird - oder ob sie in ein Fass ohne Boden gehen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur