Interview mit Nicola De Felice: Draghi-Regierung zwischen Pragmatismus und Puristen
Archivmeldung vom 08.02.2021
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Freigeschaltet durch André OttDie italienische Mitte-Rechts-Allianz ist in der Affäre um die Draghi-Regierung gespalten. Gilt eher die puristische Linie der Totalopposition von Giorgia Meloni oder der strategische Pragmatismus von Matteo Salvini, der sich gegenüber Draghi geöffnet zu haben scheint? Die Zeitung "Il Conservatore" sprach darüber mit Admiral Nicola De Felice, ehemaliger Chef der Marine in Sizilien – jetzt im Ruhestand – und Leiter der Verteidigungsabteilung der Lega in Latium. Das Interview wurde vom Magazin "Unser Mitteleuropa" übersetzt.
Weiter übersetzt das Magazin: "
Die Draghi-Regierung beherrscht weiterhin die Agenda der italienischen Medien. Salvinis Ansatz zur möglichen Unterstützung des ehemaligen EZB-Präsidenten sorgt für Diskussionen. Ist es Ihrer Meinung nach ein übertriebener strategischer Pragmatismus, der darauf abzielt, die Demokratische Partei (PD) und die 5‑Sterne-Bewegung (5S) in die Enge zu treiben, oder eine Entscheidung, die durch eine neue bzw. erneuerte pro-europäische politische Linie der Lega diktiert wird?
Salvinis Schritt hat die 5S gespalten. Der Kabarettist Beppe Grillo stellt sich nicht der Presse, und der seit Januar 2020 interimistische Parteivorstand Vito Crimi stottert unpassende Erklärungen über die Position der Bewegung, während Lezzi, Diba und andere mit Abspaltung drohen. PD-Vorsitzender Nicola Zingaretti wiederum ist auf seiner x‑ten Volte, während sich die PD in drei oder vier neue Parteien aufspaltet. linksgerichtetes Parteienbündnis Liberi e Uguali (deutsch „die Freien und Gleichen“, LeU) tritt gar nicht erst in die Regierung ein. Wäre die Mitte-Rechts geeint und hätte sich nicht von Draghi in die Karten schauen lassen, dann wäre die Linke komplett aufgerieben worden. So hat aber jetzt nur Salvini den Mut gehabt, vorsichtiger aufzutreten. Nur mit einem festen Kurs auf die wesentlichen Ziele der Rechten kann man – unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Werkzeuge – Strategien umsetzen und nicht durch sinnlose Diskussionen über esoterische Erwartungen.
In diesen Tagen gibt es erneut Landungen in Lampedusa. Die Zeitungen scheinen diesen Notfall nicht mehr zu verfolgen, und doch sind die Zahlen gnadenlos. Welche Vorschläge sollten gemacht werden, um das Problem einzudämmen?
Einerseits sollten wir die europäischen Regierungen, die die Flaggenstaaten der NGO-Schiffe sind, dafür verantwortlich machen, den illegalen Einwanderern, die ihnen die Menschenhändler an Bord schicken, internationalen Schutz und politisches Asyl zu gewähren. Meine Vorschläge: Rückruf der in Rom akkreditierten Botschafter der jeweiligen Flaggen (Spanien für Open Arms, Norwegen für Ocean Viking, Deutschland für Sea Watch) und Einforderung der Einhaltung der Dublin-Verordnung. Andererseits sind für die „Geister“-Anlandungen mit den Maghreb-Staaten gemischte Patrouillen in ihren Hoheitsgewässern zu vereinbaren, um kein Auslaufen solcher Boote zu ermöglichen. Der Druck auf diese Länder, damit sie diese Politik umsetzen, kann auch durch diplomatische Bemühungen erreicht werden, welche die kommerziellen, wirtschaftlichen und militärischen bilateralen Beziehungen berücksichtigen. Für den Migrationsstrom, der aus dem Balkan kommt, haben Aufforderungen an Kroatien und Slowenien zu ergehen, die Regeln zu respektieren, welche diese Länder verpflichten, irreguläre Personen zu identifizieren und sie zurück nach Hause zu schicken, so wie es Frankreich bei uns in Ventimiglia macht.
Der Salvini-Prozess scheint in einer Ecke gelandet zu sein, entleert von seinen politischen Auswirkungen und er scheint nicht den politischen Zusammenbruch des ehemaligen Innenministers bewirkt zu haben: Wie sehen Sie das?
Dass, wie ich schon immer gedacht und gesagt habe, dieser Prozess ein politischer ist – was auch Dr. Palamara in seinem Buch „Das System“ bestätigt – und dass sowohl internationale Standards wie auch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für Salvini sprechen, ebenso wie übrigens auch die von der gesamten Regierung Conte 1 geteilte Politik. Diejenigen, die vorschnell geurteilt haben, sind im Unrecht und müssen sich vor der italienischen und europäischen Öffentlichkeit verantworten. Wer vor Gericht gestellt werden muss, ist die Kapitänin Rackete. Salvini hingegen hat sich immer an internationale Standards und italienisches Recht gehalten.
Was hat die Regierung Conte in den letzten Monaten falsch gemacht?
Es ist nicht zu leugnen, dass viele Fehler gemacht wurden, z. B. im Kampf gegen die Pandemie – eine fehlerhafte Strategie, die u. a. die Lieferung von Impfdosen naiv an die EU delegiert hat -, bei der Planung, bei der Wirtschaftspolitik, bei der Außenpolitik (zB im Fall von Libyen), bei der Innen- und Migrationspolitik, bei der Schule und bei den Baustellen, die zum Stillstand gekommen sind. Ein Totalausfall an allen Fronten.
Konservativ zu sein ist heute vor allem eine Lebensweise, die den Werten folgt, welche der christlichen Tradition und der Lebensart des Westens nahe stehen. Verteidigung der Heimat und der Familie, Schutz des Lebens und der Traditionen. Braucht es eine konservative Regierung in Italien? Würden Sie sich selbst als konservativ bezeichnen?
Ich glaube, dass ein großer Teil der Italiener von der Notwendigkeit einer stabilen, entschlossenen, souveränen Regierung überzeugt ist, die in der Lage ist, Italien wieder in die Rolle zu bringen, die ihm das Schicksal mit seinen 28 Jahrhunderten Geschichte, Kultur, Zivilisation und vor allem individueller Fähigkeit in wesentlichen Fragen des Lebens zugewiesen hat. Wie definiere ich mich? Wenn konservativ bedeutet, ein Liebhaber der Traditionen, der volkstümlichen und nationalen Identität, eines Europas der Völker, einer Politik der Achtung der Souveränität und des Schutzes der nationalen Interessen, der Selbsterhaltung der Eigenschaften unseres Volkes, einer kontrollierten Migrationspolitik, einer Innenpolitik, die für Effizienz, Sicherheit Sauberkeit, Anstand und Schönheit sorgt (Ziele, die mit kompetenten, vorbereiteten, entschlossenen Menschen mit einer strategischen Vision der zu erledigenden Dinge erreicht werden können), einer Sozialpolitik, die Wohlstand und Entwicklung für alle Italiener mit einer gerechten Verteilung des Reichtums auf der Grundlage der Leistung eines jeden schafft, dann können Sie mich einen Konservativen nennen.
- Datenbasis: Il Conservatore (Autor: Santi Cautela)
Quelle: Unser Mitteleuropa