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Pilnacek schweigt: ÖVP-Kronjurist verweigert Einblick in schwarzes Korruptions-Netzwerk

Archivmeldung vom 04.05.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.05.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Bild: Bundesministerium für Finanzen, Wikimedia Commons, CC BY 2.0 / WB / Eigenes Werk
Bild: Bundesministerium für Finanzen, Wikimedia Commons, CC BY 2.0 / WB / Eigenes Werk

Seit zwei Monaten tagt der Untersuchungsausschuss zur mutmaßlichen Korruption im ÖVP-Umfeld. Als weitere Schlüsselfigur der schwarzen Netzwerke galt seit Jahren der mächtige Sektionschef Christian Pilnacek, weshalb ihn die Opposition ins Kreuzverhör nehmen wollte. Dies berichtet das Magazin "Wochenblick.at".

Weiter berichtet das Magazin: "Doch der hochrangige Jurist, gegen den mehrere Verfahren laufen, hat offenbar Bedenken, auszusagen – er entschlug sich am Dienstag weitgehend der Aussage. Er beklagte allerdings, dass die Auswertung seiner Chat-Nachrichten angeblich seine Menschenrechte verletze.

Netzwerkspinne für schwarze “Familien”-Deals?

“Setzts euch z’samm und daschlogts es”: Mit diesen Worten schaffte es Pilnacek in der öffentlichen Wahrnehmung zu zweifelhaftem Ruhm. Das Zitat, das noch aus Zeiten der zähen und bis heute nicht völlig fertigen Aufarbeitung der Eurofighter-Affäre stammt, endete zwar in eingestellten Ermittlungen wegen des Vorwurfs des Amtsmissbrauchs. Dennoch wurde es zum geflügelten Wort – denn die Opposition wittert ein ausgefuchstes “System Pilnacek” im Justizministerium. Die Existenz eines solchen verneint der ins Visier der Aufdecker geratene Jurist, für den die Unschuldsvermutung gilt, freilich.

Der Verdacht ist, dass sich dieses System im Dunstkreis der Kanzlerpartei abspielte. Als Ermittlungen gegen den Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) aufkamen, schickte Pilnacek eine Nachricht an Clemens-Wolfgang Niedrist, den Kabinettschef im Finanzressort, dem etwa Christian Hafenecker, der FPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, ein “Paradebeispiel für eine türkise Karriere” attestierte. Darin schrieb er: “Wer vorbereitet Gernot auf die Einvernahme?” Auch diese Pilnacek-Aussage wurde ikonisch und wurde von seinen Kritikern als Indiz für Interventionen im Sinne des ÖVP-“Familien”-Netzwerks aus Parteigängern und Günstlingen gewertet.

Keine Aussage, damit keine Falschaussage passiert

Auf die Frage im Ausschuss, ob er ein solches Naheverhältnis zur ÖVP pflege, entschlug sich Pilnacek laut dem ORF mit den Worten: “Ich möchte mich nicht in diese Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung begeben.” Der Jurist, aufgrund seiner Macht teils als “Schattenminister” bezeichnet, erklärt dies damit, dass er keinen Zugang zu Postfächern, Chat-Protokollen & Co. hatte und sich entsprechend nicht auf seine Anhörung vorbereiten habe können. Er wolle daher nicht in die Verlegenheit einer Falschaussage kommen, da sich “naturgemäß” niemand an den Inhalt all seiner Chat-Nachrichten erinnern könne.

Auch zu diversen weiteren Fragen entschlug sich Pilnacek, etwa dazu, ob er im Jahr 2019 bei einem Cocktail-Event mit Blümel teilnahm. Das Portal “Zackzack” wertet diese Entschlagungen aber als Ausflucht. Im Falle des mutmaßlichen Näheverhältnisses führt es ins Feld, dass dieses etwa durch Chats mit dem Ex-ÖVP-Minister und späteren Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter belegt sei. Sogar nicht zugelassen wurde eine FPÖ-Frage zur Förderung der Karriere von Pilnaceks Frau, die mittlerweile das Grazer Landesgericht für Strafsachen leitet. Laut Pilnacek sei dies nämlich “Privatsache” und seine Frau habe sich stets selbst um ihr Vorankommen bemüht…

Schwarzer Peter wird WKStA zugeschoben

Immer wieder forderte Pilnacek die Vorlage von Dokumenten, als Fragen gestellt wurden – angeblich um den Kontext zu erfahren. Andernfalls wolle er nicht darauf antworten. Überhaupt sei seine mangelnde Akteneinsicht vermeintlich ein Verstoß gegen seine Menschenrechte. Derartige Aussagen verärgerten die Abgeordneten. Hafenecker befürchtete, dass wenn man Pilnacek derartige Aktionen durchgehen lasse, bekomme man bald “von niemandem mehr Antworten”. SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer befand, man brauche zur Fragenbeantwortung keinen Zugang zu seinem Handy, sondern zu seinem Hirn. Sogar Nina Tomaselli, die grüne Fraktionschefin im Ausschuss, kokettierte damit, eine Beugestrafe gegen Pilnacek zu fordern.

Damit konnte auch kein abschließendes Bild in das zerrüttete Verhältnis zwischen Pilnacek und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gebracht werden. Ebenfalls laut einem Chat-Protokoll, diesmal an den am selben Tag geladenen – und auskunftsfreudigeren – Oberstaatsanwalt Johann Fuchs, soll er aufgrund von Akten-Leaks eine Observation von WKStA-Mitarbeitern angedacht haben. Zu dieser soll es laut Fuchs nie gekommen sein. Nichtsdestotrotz ortete Pilnacek vielmehr ein “System WKStA”, auf dessen Abschussliste er, gemeinsam mit Ex-Kanzler Sebastian Kurz gestanden sei. Die WKStA-Ermittlungen bezeichnete Pilnacek in der Vergangenheit als “Putsch”.

Weitergabe brisanter Infos einfach “passiert”

Erst im November wurde Pilnacek vor Gericht nicht rechtskräftig von einem weiteren Vorwurf des Amtsmissbrauchs freigesprochen. Damals ging es um die Weitergabe von Infos zu Ermittlungen gegen “Presse”-Redakteurin Anna Thalhammer. Die Journalistin schrieb für die ÖVP-nahe Zeitung einen überbordend kritischen Artikel über die Arbeit der WKStA, die diese auf den Plan rief. In ihrem Text warf sie der WKStA die unrechtmäßige Lieferung von Nachrichten des Handys von Kurz-Intimus Thomas Schmid vor und spielte deren Gehalt herunter.

Pilnacek wandte sich in der Folge an eine Redakteurin des ebenfalls ÖVP-treuen “Kurier”, versorgte diese mit Infos und erklärte, dass er “gerne was für die Thalhammer machen” wolle, sobald die Anzeige öffentlich werde. Diese Weitergabe bestritt Pilnacek vor Gericht nicht einmal: “Ja, mir ist das passiert.” Seine Verteidigungsstrategie war erfolgreich – denn die zuständige Richterin glaubte ihm, dass er nur einen Missstand hätte aufdecken wollen. Wie Wochenblick berichtete, feierte die ÖVP den Freispruch wie einen eigenen Sieg – während das Volk in sozialen Medien sein Unverständnis äußerte."

Quelle: Wochenblick

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