Zweiter Prozess gegen Timoschenko auf Mai vertagt
Archivmeldung vom 28.04.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin zweiter Strafprozess gegen die inhaftierte Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko ist auf den 21. Mai vertagt worden. Richter Konstantin Sadowski eröffnete zwar zunächst den für Samstag angesetzten Termin in Abwesenheit der erkrankten Oppositionsführerin, verlegte den Prozess jedoch nach einer kurzen Anhörung. "Wir sollten abwarten, ob Frau Timoschenko verhandlungsfähig ist", stimmte auch Staatsanwalt Viktor Lobatsch einem entsprechenden Antrag zu.
Die Entscheidung basiert auf einem Gutachten der Berliner Charité, die Timoschenkos Anwalt Sergej Wlassenko dem Gericht vorlegte. Darin bescheinigten Charité-Chef Karl Max Einhäupl und Cheforthopäde Norbert Haas die ehemalige Regierungschefin als nicht verhandlungsfähig. Erst am Freitag stellten die deutschen Ärzte ein Gutachten vor, das der Politikerin einen Bandscheibenvorfall bestätigt sowie einen zunehmend schlechten gesundheitlichen Zustand. Daher setzt sich die Charité für eine Behandlung Timoschenkos in Berlin ein.
Der Ex-Regierungschefin, die in einem ersten Prozess bereits zu sieben Jahren verurteilt worden war, drohen mit dem zweiten Verfahren wegen Steuervergehen weitere zwölf Jahre Haft. Ausländische Beobachter nennen den Prozess in dem Co-Gastgeberland der Fußball-EM politisch motiviert. Vor dem Gericht demonstrierten rund tausend Anhänger Timoschenkos.
Timoschenko-Tochter: Ohne Druck aus Europa wäre meine Mutter bereits tot
Nach Überzeugung von Eugenia Timoschenko wäre ihre Mutter, die frühere ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko, ohne den internationalen Druck auf die Regierung in Kiew bereits tot. "Ich bin sicher, wenn der Druck aus Europa nicht wäre, wäre meine Mutter heute nicht mehr am Leben", sagte Eugenia Timoschenko "Bild am Sonntag". Aus diesem Grund begrüßte Timoschenko die Absage einer Reise in die Ukraine von Bundespräsident Joachim Gauck: "Das ist ein sehr starkes Signal der Unterstützung und Solidarität von Bundespräsident Gauck." Eugenia Timoschenko appellierte an andere europäische Spitzenpolitiker, es Gauck gleich zu tun: "Kein europäischer Staatsmann mit Selbstrespekt kann sich neben Janukowitsch stellen. Er sollte boykottiert werden."
Eugenia Timoschenko sprach sich zugleich aber gegen eine Absage der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine aus: "Für die Ukraine ist die EM sehr wichtig. Wir haben lange darauf hingearbeitet und uns darauf gefreut. Ich hoffe, dass wir viele Gäste haben werden." Sie befürchtet aber, dass die Regierung in Kiew die EM für Propagandazwecke nutzt: "Leider spricht jedoch das Regime in der Ukraine im Moment nicht dieselbe Sprache wie die europäischen Regierungen. Die sprechen von Menschenrechten, während Janukowitsch eine Sprache der Unterdrückung spricht. Und leider wird er die EM für seine Propaganda-Zwecke nutzen."
Besorgt zeigte sich Timoschenko über den Gesundheitszustand ihrer inhaftierten Mutter, die sich seit einer Woche im Hungerstreik befindet: "Sie trinkt nur Wasser. Ihre Rückenschmerzen sind sehr viel schlimmer geworden, seitdem sie gegen ihren Willen mit Gewalt ins Krankenhaus gebracht wurde. Sie ist sehr schwach." Eugenia Timoschenko weiter: "Ich befürchte, dass meine Mutter den Hungerstreik so lange fortführen wird, wie es geht. Ich mache mir große Sorgen und habe sie gebeten, dies nicht zu tun. Aber sie sagt, dies sei die einzige angemessene Reaktion auf die Gewalt und das Unrecht, das ihr durch das Regime angetan wird. Ich befürchte, dass man sie im Gefängnis zwangsernähren wird."
Die von Präsident Janukowitsch angeordnete Untersuchung der gewaltsamen Behandlung ihrer Mutter hält Timoschenko für einen PR-Gag: "Die Untersuchungen werden ausschließlich aus Propaganda-Gründen angeordnet. Was dabei herauskommen wird, ist vollkommen klar: gar nichts."
Quelle: dts Nachrichtenagentur