Experten halten Nord Stream 2 für technisch reaktivierbar
Die beschädigte Ostseepipeline Nord Stream 2 könnte laut Experten zeitnahe wieder in Betrieb genommen werden. "Aus technischer Sicht ist das kein großes Problem", sagte Michael Rodi, Experte für Energiepolitik im Ostseeraum von der Universität Greifwald, dem "Spiegel" am Mittwoch.
Schätzungen zufolge würde es rund eine halbe Milliarde Euro kosten, den
beschädigten Strang A der Nord-Stream-2-Pipeline zu kitten. "Das ist
aber wirtschaftlich darstellbar, angesichts der einstigen
Investitionskosten der Pipeline von knapp zehn Milliarden", so Rodi.
Entsprechende Wartungsarbeiten hätte Dänemark bereits im Januar
genehmigt.
Durch das Sprengstoffattentat sind die Röhren der
ersten, älteren Gasleitung von Nord Stream 1 schwer beschädigt worden,
bei Nord Stream 2 jedoch nur eine der beiden Leitungen. Durch eine der
Gasröhren könnte demnach relativ schnell wieder Gas gelangen, die
zweite, leicht beschädigte, müsste repariert werden. Dafür müssten die
zerstörten Rohrabschnitte entfernt werden, sie haben einen
Innendurchmesser von rund einem Meter und eine Länge von 12 Metern pro
Segment.
Auch der Netzbetreiber Gascade sieht technisch keine
großen Hürden. "Die beiden Nord Stream-Systeme sind in Lubmin mit dem
deutschen Fernleitungsnetz unverändert physisch verbunden, jedoch
hydraulisch abgetrennt", sagte ein Sprecher von Gascade dem
Nachrichtenmagazin.
Das Unternehmen hat den Anlandepunkt der
Pipelines im vorpommerschen Lubmin gebaut. Als Netzbetreiber vermarkte
man das Erdgas, "sofern die vertraglichen und regulatorischen
Voraussetzungen erfüllt sind". An ihnen soll es also nicht scheitern.
Hintergrund
sind Medienberichte über angebliche Kaufinteressenten für die
verwaisten Gasröhren. Bereits im November bekundete ein US-Milliardär
Interesse, derzeit soll es Gespräche zwischen Putin-Vertrauten und
US-Investoren geben.
Die noch amtierende Bundesregierung ist
strikt gegen eine Inbetriebnahme, es gebe keine Gespräche und "dies
steht nicht zur Debatte", heißt es in einer Mitteilung. Und auch aus
EU-rechtlichen Gründen kann die Pipeline aktuell nicht in Betrieb
genommen werden, sagte Wissenschaftler Rodi.
Gasmarktexperte
Joachim Endress glaubt, dass die Diskussionen um die Ostseepipelines
bewusst angestoßen wurden. "Die Spekulation um eine mögliche Zukunft der
Gasleitungen ist auch im Interesse der Finanzinvestoren der Pipeline",
sagte der Leiter des Beratungsunternehmens Ganexo. So hätten
Energiekonzerne wie Engie, OMV, Shell, Uniper und Wintershall die Hälfte
von Nord Stream 2 bezahlt. Auf Nachfrage des "Spiegels" wiegelt der
französische Gaskonzern Engie ab, man habe die Investitionen von rund
einer Milliarde bereits abgeschrieben, weiter wolle man den Vorgang
nicht kommentieren.
Quelle: dts Nachrichtenagentur