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Eine Weltkarte der Folter

Archivmeldung vom 11.05.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.05.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Manfred Nowak dokumentiert die unmenschlichen Haftbedingungen in einem Flüchtlingslager in Griechenland (Foto: Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte)
Manfred Nowak dokumentiert die unmenschlichen Haftbedingungen in einem Flüchtlingslager in Griechenland (Foto: Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte)

Schläge, Elektroschocks, Schlaf- oder Nahrungsentzug, simuliertes Ertränken – Folter hat viele Gesichter. Kaum jemand kennt die damit verbundenen Problematiken besser als der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak. Der Professor für Internationales Recht an der Universität Wien zeichnet in seinem aktuellen EU-Projekt "Atlas of Torture" ein düsteres Bild zur weltweiten Verbreitung der Folter.

"Ich habe die Lage in Bezug auf Folter und Haftbedingungen weltweit gesehen und muss erschreckende Schlussfolgerungen ziehen: In mehr als 90 Prozent der Länder wird gefoltert", stellt Manfred Nowak klar. Der ehemalige UN-Sonderberichterstatter über Folter (2004-10), Professor für Internationales Recht an der Universität Wien und Mitbegründer des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte widmet sich bereits seit 1973 der Erforschung und Bekämpfung des Phänomens. In zahlreichen "Fact-Finding"-Missionen hat der Leiter der Forschungsplattform "Human Rights in the European Context" der Universität Wien die Gefängnisse und Verhörstuben dieser Welt unangekündigt besucht und Beweise für physische und psychische Misshandlungen gesammelt.

Fortsetzung der UN-Arbeit

Die Erfahrungen und das Wissen des Rechtswissenschafters werden seit Oktober 2010 im Rahmen des EU-Projekts "Atlas of Torture" gebündelt. "Die Idee zum Projekt geht auf die gleichnamige Website zurück, die während meines UN-Mandats eingerichtet worden ist und kontinuierlich mit neuen Untersuchungs- und Erfahrungsberichten gefüllt wird", so Nowak. Die Website liefert einen Überblick über die weltweite Situation von Folter und anderen Formen der Misshandlung und dient als zentrales Informations-Tool.

Zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützen

Ziel ist es, nationale Organisationen in ihrem Kampf gegen Folter sowie bei der Entwicklung und Umsetzung von effektiven Präventions- und Kontrollstrategien zu unterstützen. "Es geht mir aber auch darum, meinen Empfehlungen Nachhaltigkeit zu verleihen", sagt Nowak. Letzteres soll im Rahmen des Projekts u.a. durch konkrete Verhandlungen mit einigen ausgewählten Ländern – Grundvoraussetzungen waren das Vorhandensein einer aktiven Zivilgesellschaft sowie einer kooperationsbereiten Regierung – erreicht werden. "Phase eins in Paraguay und Georgien ist bereits angelaufen. Mögliche Kandidaten für Phase zwei sind Nepal, Togo, Moldawien, Uruguay oder Kasachstan", erklärt Nowak.

Von Äquatorialguinea bis Guantanamo

Die genannten Staaten sind aber bei weitem nicht die einzigen Länder, in denen Folter ein Problem darstellt. Laut "Atlas of Torture" weist nur Dänemark eine relativ weiße Weste auf: "Dem gegenüber stehen Negativbeispiele wie etwa Äquatorialguinea, wo eine der härtesten Diktaturen der Welt herrscht und systematische Folter an der Tagesordnung steht, oder das US-Gefangenenlager in Guantánamo, wo Fälle schwere Misshandlungen und Erniedrigungen von Häftlingen dokumentiert sind", so Nowak.

Handlungsbedarf auch in Österreich

Auch in Österreich ortet der Rechtswissenschafter Handlungsbedarf: "Das österreichische Recht hat keinen Folterparagraphen mit adäquaten Strafsanktionen. Außerdem gibt es keine unabhängige Instanz zur schnellen und wirksamen Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen gegen die Polizei. Die UN-Anti-Folter-Konvention ist in den 1980er-Jahren zwar ratifiziert, aber bis heute nicht effektiv umgesetzt worden."

Warum Folter?

Dem Menschenrechtsexperten zufolge liegt der Hauptgrund für Folter im Versagen der jeweiligen Strafjustiz: "In der Mehrheit der Fälle geht es darum, ein Geständnis zu erzwingen, das dann vor Gericht für eine Verurteilung verwendet wird. Vor allem in Diktaturen ist zu beobachten, dass Foltermethoden gegen Regimekritiker eingesetzt werden", erklärt er. Neben der dramatischen Menschenrechtslage, die laut Nowak auch mit dem "War on Terror" und seinen politischen Folgen zusammenhängt, stehen die katastrophalen Haftbedingungen in den Gefängnissen der Welt auf der Agenda des "Atlas of Torture"-Projekts. Der Rechtswissenschafter möchte damit auch einen Beitrag zur Besserung der "weltweiten Krise der Haft" leisten.

Quelle: Universität Wien

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