Hessens FDP-Justizminister will Datenschutzvereinbarung mit USA aussetzen
Archivmeldung vom 24.07.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) hat sich angesichts der Enthüllungen über die US-Spähprogramme dafür ausgesprochen, eine Vereinbarung zum Datenschutz mit den USA vorübergehend auszusetzen.
"Die Europäische Kommission sollte dem Vorschlag der deutschen Datenschutzbeauftragten nachkommen und die Safe-Harbor-Klausel umgehend auf Eis legen. Die Amerikaner müssen verstehen, dass das anlasslose Abhören von Millionen Europäern kein Kavaliersdelikt ist, sondern dass wir uns in unseren Werten angegriffen fühlen", sagte Hahn "Handelsblatt-Online". Hier gelte es, die Beweislast umzukehren. "Zuerst müssen jetzt die Amerikaner nachweisen, dass sie unsere Bedenken ernst nehmen, dann wird ernsthaft weiterverhandelt."
Hintergrund ist, dass sich die Datenschützer des Bundes und der Länder für die Kündigung der "Safe-Harbor"-Vereinbarung einsetzen wollen. Der Vorstoß soll nach Informationen von "Handelsblatt-Online" heute öffentlich gemacht werden. Die Datenschützer haben demnach auch ein gemeinsames Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verschickt, in dem sie die Kündigung der Vereinbarung zwischen der EU und den Vereinigten Staaten fordern.
Das Safe-Harbor-Abkommen von 1998 ermöglicht es Unternehmen, personenbezogene Daten von EU-Bürgern legal in die USA zu übermitteln, obwohl in den USA der Datenschutz nicht wie in der EU abgesichert ist. Hahn, der auch dem FDP-Präsidium angehört, nannte eine Kündigung oder ein Einfrieren der Safe-Harbor-Klausel eine "sehr harte Sanktion, denn sie hätte die Qualität eines offenen Handelskrieges zwischen der EU und den Vereinigten Staaten". Daran könne zwar niemand in Europa ein Interesse haben. "Aber: Um den Amerikanern klarzumachen, wie ernst es den Europäern mit dem Datenschutz ist, sollten alle Folter-Instrumente auf den Tisch gelegt werden", betonte er. "Dazu gehört auch die Sanktionierung der privaten Datenlieferanten an den NSA."
Westerwelle und Leutheusser-Schnarrenberger starten Initiative für UN-Datenschutzabkommen
Außenminister Guido Westerwelle und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger haben eine Initiative ins Leben gerufen, um den Datenschutz auf Ebene der Vereinten Nationen zu stärken. In einem der "Welt" vorliegenden Brief an ihre Amtskollegen in der Europäischen Union werben die FDP-Minister dafür, den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte "um ein Zusatzprotokoll zu Artikel 17 zu ergänzen, das den Schutz der Privatsphäre im digitalen Zeitalter sichert".
In dem Schreiben heißt es weiter: "Die bestehenden menschenrechtlichen Regelungen stammen aus einer Zeit weit vor der Einführung des Internets." In Anspielung auf die mutmaßlichen Spähaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA führen die Minister aus, es gehe der Bundesregierung darum, "die jetzige Diskussion zu nutzen, um eine Initiative zur Ausformulierung der unter den heutigen Bedingungen unabweislichen Privatfreiheitsrechte zu ergreifen".
Als konkretes Ziel wird die Einberufung einer "Vertragsstaatenkonferenz" jener 167 Länder genannt, die den UN-Pakt ratifiziert haben. Eine solche Konferenz kann von jedem Vertragsstaat beim UN-Generalsekretär beantragt werden. Anschließend müssen mindestens 56 Staaten der Einberufung zustimmen. Um ihrer Initiative die nötige Durchschlagskraft zu verleihen, versuchen Westerwelle und Leutheusser-Schnarrenberger nun zunächst, die 28 Mitglieder der Europäischen Union hinter sich zu versammeln.
Nach Informationen der "Welt" aus Regierungskreisen haben Dänemark, die Niederlande und Ungarn den Deutschen bereits ihre Unterstützung signalisiert. Die beiden Minister sind zuversichtlich, dass zahlreiche weitere Staaten folgen werden. "Die Bürger der Europäischen Union erwarten von uns den Schutz und die Achtung ihrer Freiheitsrechte", appellieren sie an ihre Kollegen. "Hierfür müssen wir uns gemeinsam einsetzen und das Thema sowie unsere Handlungsoptionen im EU-Kreis diskutieren."
Derzeit schützt der 1966 geschlossene und 1976 in Kraft getretene UN-Zivilpakt in Artikel 17 de n Bürger in sehr allgemeiner Form vor "willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr". Damit sei die Regelung allerdings "ein geeigneter Ansatzpunkt für ergänzende, zeitgemäße und den modernen technischen Entwicklungen entsprechende internationale Vereinbarungen zum Datenschutz", schreiben Westerwelle und Leutheusser-Schnarrenberger.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Initiative der Minister im Vorfeld abgesegnet. "Ich unterstütze den Ansatz, das über den UN-Pakt für bürgerliche und politische Rechte anzugehen", sagte Merkel der "Welt am Sonntag". "In Artikel 17 dieses Paktes geht es um den Schutz der Privatsphäre. Dabei dachte vor Jahrzehnten natürlich noch niemand an digitale Daten. In einem Zusatzprotokoll könnte ein Bekenntnis zu einem zeitgemäßen und weitreichenden Datenschutz verankert werden."
Datenschützer: EU soll Datenschutzvereinbarung mit USA kippen
Die Datenschützer des Bundes und der Länder wollen, dass die EU eine Vereinbarung zum Datenschutz mit den USA aufkündigt. Das geht nach Informationen von "Handelsblatt-Online" aus einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hervor, der am heutigen Dienstag verschickt wurde. In dem Schreiben appellieren die Datenschutzbeauftragten an die Kanzlerin, sich in Brüssel für eine Aussetzung des sogenannten "Safe-Harbor"-Verfahrens zwischen der EU und den USA über den Austausch personenbezogener Daten einzusetzen. Mit "hoher Wahrscheinlichkeit" greife der US-Geheimdienst NSA "flächendeckend" Daten ab.
Bis zur Klärung der Vorwürfe solle die EU-Kommission daher das Abkommen aufkündigen, sagte ein mit dem Vorgang vertrauter Datenschützer. "Wir erwarten schon, dass die Amerikaner sich an deutsches Recht halten und nicht Daten abgreifen unter Missachtung des Verhältnismäßigkeits-Grundsatzes." Unter den deutschen Datenschützern bestehe die "große Sorge", dass der Datenschutz nicht eingehalten wird.
Datenschützer bringt EU-Vorschriften für US-Internet-Unternehmen ins Spiel
Als Reaktion auf die Spähaffäre hat der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar eine Pflicht für US-Unternehmen wie Facebook und Google ins Spiel gebracht, Server für europäische Nutzerdaten analog zum Vorgehen mit Bankdaten im Swiftskandal in Europa betreiben zu müssen. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Caspar, dies könne eine mögliche Antwort auf `Prism` sein, um die Daten "einem unmittelbaren Zugriff der US-Sicherheitsbehörden zu entziehen".
Dass die Datenverarbeitung durch die Unternehmen dann in Europa stattfände, sei aber keine hinreichende Bedingung, um den Datenschutz zu verbessern. "Darüber hinaus müsste sichergestellt werden, dass ein Zugriff von US-Behörden auf die in Europa befindlichen Server nicht stattfindet oder zumindest nach Maßgabe europäischer Rechtsvorschriften erfolgt", sagte er. "Eine unabhängige Kontrolle durch die Datenschutzbeauftragten der Mitgliedstaaten wäre zudem zu fordern", betonte Caspar.
Quelle: dts Nachrichtenagentur