EU-Entscheidung zu Polen: „Sieht nach Bluff von Berlin und Paris aus“
Archivmeldung vom 21.12.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Sanktionen, die die EU gegen Polen wegen dessen Justizreform verhängen will, bedeuten laut russischen Experten für Warschau nur wenig und sehen eher nach einem Bluff seitens Berlins und Paris aus, schreibt das russische online Magazin "Sputnik".
Weiter heißt es im Beitrag: "Die EU beabsichtigt, Polen das Stimmrecht im EU-Rat zu entziehen. Dafür müssen aber mindestens 22 der EU-Mitgliedstaaten den Vorschlag der Europäischen Kommission unterstützen und für die Aktivierung des Artikels 7 des Lissabonner Vertrags stimmen. Laut Experten ist es allerdings fraglich, ob die gegen Polen gesinnten EU-Beamten viele Mitstreiter bekommen werden.
Westeuropa sei zwar über die Veränderungen in der polnischen Politik beunruhigt, aber von einer formellen Verurteilung nur kaum überzeugt, sagte der russische Politologe Dmitri Abzalow in einem Gespräch mit Sputnik. Mit Stimmen aus Osteuropa könne Brüssel ebenso kaum rechnen.
„Man muss verstehen, dass Polen zur Visegrad-Gruppe gehört. Daher ist es ein sehr wichtiges Zeichen für Osteuropa. Es gibt mehrere Vorwürfe gegen diese Länder, nicht nur gegen Polen. Deutschland hat Polen nicht umsonst als Angriffspunkt gewählt – es ist ein Zentrum, um das sich die Länder sammelten, die die ‚europäische Gegenrevolution‘ gegen die EU repräsentieren“, so Abzalow.
Brüssel wolle Warschau europäische Normen aufzwingen, doch würden diese Versuche zurzeit eher wie ein Spiel aussehen. Nur Wirtschaftssanktionen könnten eine reale Bedeutung haben, aber Berlin sei in dieser Frage machtlos:
„Berlin hat keine Möglichkeit, Polen von der wirtschaftlichen Komponente abzuschneiden. Die EU ist vor allem der einheitliche Wirtschaftsraum und die Zollunion. Es wird kompliziert, ein einzelnes Land aus dieser Konstruktion herauszureißen. Deutschland blufft – es kann Polen in wirtschaftlicher Hinsicht nicht attackieren, ohne dabei die ganze EU zu treffen“, so der Experte weiter.
Kirill Kortysch, Experte an der Moskauer Universität für Internationale Beziehungen (MGIMO), vertritt eine andere Position: Er hält es für durchaus möglich, dass die EU Sanktionen gegen Warschau einführen und Polen das Stimmrecht entziehen würde.
Es stellt sich aber die Frage, warum Warschau es überhaupt auf die Zuspitzung der Situation anlege. Die polnische Regierung rechnet laut Experten vor allem damit, auf diese Weise Popularität bei der Bevölkerung zu gewinnen. Die Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ habe die euroskeptisch gesinnte Wählerschaft hinter sich, die die Absicht der Regierung, sich von Brüssel nicht kontrollieren zu lassen, durchaus unterstützt."
Quelle: Sputnik (Deutschland)