Bundeswehr: Früher Schwarze Reichswehr, später Gladio, heute Prepper?
Archivmeldung vom 22.11.2018
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittUnglaublich was das russische online Magazin "Sputnik" hier berichtet: "Erst letzte Woche betonte der Chef des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), ihm seien keine extremistischen Netzwerke in der Bundeswehr bekannt. Medien enthüllen nun ein rechtsradikales Netzwerk, das Anschläge auf Politiker am „Tag-X“ plane. Ähnliche Drohungen erhielt vor Jahren ein ehemaliger Oberstleutnant. Ist der demokratische Staat in Gefahr?"
Weiter heißt es auf der deutschen Webseite des Magazins: "„Politisch motivierte Gewaltbereitschaft spielt in der Bundeswehr derzeit keine Rolle. Insbesondere haben wir bislang keine extremistischen Netzwerke entdeckt“, so die Einschätzung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD). Die Zahl der Extremisten sei stabil, versicherte MAD-Chef Christof Gramm am Freitag bei einer Befragung im Bundestag.
Und das, obwohl bereits eine Woche zuvor sich Hinweise seitens des Bundeskriminalamtes (BKA) auf ein „größeres konspiratives Netzwerk von radikalen Preppern“ innerhalb der Bundeswehr, also Menschen, die sich auf einen eventuellen Weltuntergang vorbereiten, verdichteten. Darüber berichtete der „Focus“ und berief sich dabei auf Ermittlungsakten des BKA.
Die Gruppe soll zahlreiche Verbindungen zu Mitgliedern des Kommando Spezialkräfte (KSK) sowie zu dem Verein für Elitesoldaten „Uniter e.V.“ haben, dem vor allem Mitarbeiter der Spezialkräfte von Militär und Polizei angehören. In Chatgruppen und bei realen Treffen der Prepper habe es laut Zeugenaussagen konkrete Planungen gegeben für einen so genannten „Tag X“, um missliebige Politiker „zu einem Ort mit Tötungsabsicht zu bringen“. Doch die Todesliste sei bis heute nicht gefunden worden.
Auch ein Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) soll in das Geschehen involviert sein. Das enthüllte kürzlich ein Bericht der Tageszeitung „taz“. André S. alias Hannibal, angeblich der Vereinsgründer von „Uniter“, der in Prepperchats aktiv war, soll von MAD-Oberstleutnant Peter W. vor Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gewarnt worden sein. Peter W. steht nun in Köln vor Gericht.
Bei Oberstleutnant a.D. der Bundeswehr, Jürgen Rose, weckt der Fall Erinnerungen: „Der Hauptmann der Kommando Spezialkräfte (KSK), Daniel K., schickte mir eine E-Mail, in der er mich als ‚Feind im Inneren‘ bezeichnete, und anmerkte, dass man handeln werde, wenn der Tag gekommen sei“, erzählt Rose im Sputnik-Interview. Der KSK-Hauptmann drohte, sein Handeln danach auszurichten, „diesen Feind im Schwerpunkt zu zerschlagen“. Rose, ein damaliger Bundeswehroffizier im Wehrbereichskommando IV, solle zurückkehren in „die Sümpfe des Steinzeitmarxismus“. Jürgen Rose war damals und ist heute noch Mitglied im „Arbeitskreis Darmstädter Signal“, der sich als „kritisches Sprachrohr“ der Soldaten versteht und sich für linke, friedenspolitische Haltungen in der Bundeswehr stark macht.
Ähnliche Meldungen über rechtsextreme Netzwerke lösen deshalb bei Rose keine Verwunderung aus. Solche rechtsextremen Prepper-Netzwerke hätten eine lange Tradition und seien in Deutschland nichts Neues. „Nach der Revolution 1918 haben sich Reste der kaiserlichen Armee, des Heeres in ähnlich gelagerten Netzwerken zusammengerottet. Das war dann die Schwarze Reichswehr oder die Organisation Consul, die politische Morde verübt, viele Leute umgebracht hat und von der Justiz weitgehend unbemerkt blieb“, erklärt der Publizist.
Diese Tradition habe sich auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Nato-Kontext fortgesetzt, „als man die Nato-Organisation Gladio gegründet hatte“, so der Militärexperte und Nato-Kritiker. Gladio war der Deckname für eine geheime paramilitärische Organisation in Italien, welche in Europa nach einer Invasion von Truppen des Warschauer Paktes Guerilla- und Sabotageoperationen gegen die Invasoren durchführen sollte. Das Denkschema sei auch da sehr ähnlich gewesen, bemerkt Rose. „Auch damals ist man davon ausgegangen, dass die Rote Armee bis an die Zähne bewaffnet, aggressiv Westeuropa überrennen würde.“ Auch damals habe man auf ehemaliges Wehrmachtspersonal, auf Angehörige der Waffen-SS in Deutschland zurückgegriffen, unterstreicht der ehemalige Offizier: „Das waren rechtsradikale, rechtsextremistische Elemente, denen man heute diverse Bombenanschläge zurechnet – man denke an den Oktoberfestanschlag in München oder den großen Anschlag auf dem Bahnhof in Bologna.“
Zum heutigen verdeckten, rechtsradikalen Prepper-Netzwerk, das sich für den Weltuntergang vorbereiten sowie Waffen und Essensvorräte für den „Tag X“ lagern soll, bemerkt Rose: „Jede Nation hat einen gewissen Anteil an Idioten. Davon ist die deutsche nicht ausgenommen. Für vernünftig denkende Menschen ist es absurd, was dahintersteckt.“
Solche Entwicklungen in der Bundeswehr müsse man sehr ernst nehmen, warnt Dr. Bernd Wagner von der Aussteigerinitiative „Exit-Deutschland“. Dass Menschen mit Waffen über den Charakter der Staatsordnung ein anderes Bild zeichnen und Ideen auftauchen, „putschistisch“ die demokratische Grundordnung zu schleifen, hält der Rechtsextremismus-Experte und Kriminalist Wagner für ein neues Zeichen und eine andere Qualität. Gleichwohl bleibt er bei seiner Diagnose, „dass das demokratische Staats- und Gesellschaftsformat der Bundesrepublik nicht grundlegend in Gefahr ist“, aber ein neues „Achtungszeichen“ sei dadurch durchaus entstanden.
„Die inneren Vorgänge im Militär müssen auf den Prüfstand“, sagt Wagner zu der Rolle des MAD-Beamten, der die Ermittlungen der Bundeanwaltschaft behindert haben soll. Mit Blick auf den NSU-Prozess, bei dem der Verfassungsschutz eine mindestens fragwürdige Figur machte, bemerkt Wagner, dass Netzwerkbildungen oder auch strategische Operationen in Teilen der Sicherheitsorgane immer wieder auch europaweit zu beobachten seien. „Hier scheinen doppelte Politiken eine Rolle zu spielen – zumindest von Teilen der staatlichen Apparatur“, bemerkt der „Exit-Deutschland“-Mitbegründet. Hier liege ein eigenes Problem vor, „dass Geheimdienste, die eben geheim sind, Sachen machen können, die mit dem Grundgesetz und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht in Übereinstimmung stehen“. Gleichwohl hätten die Geheimdienste den Auftrag, diese Grundordnung zu schützen. Das sei ein Widerspruch in sich, so der Extremismus-Forscher.
„Diesen muss auch die Politik immer wieder in die Zone der Aufmerksamkeit führen, dass man sich nicht selbst das Wasser abgräbt, was man erhalten will. Die inneren Vorgänge im Militär müssen auf den Prüfstand, ob auch alles so verläuft, wie man das konzipiert hat.“ Weiterhin müsse man die vertrauenswürdig erscheinenden Teile der Sicherheitsapparatur mit einem schärferen Blick führen sowie Möglichkeiten, die operativ in Geheimdiensten angelegt sind, noch stärker nutzen. Zudem müsse man weitere konsequente Ermittlungen seitens des Bundeskriminalamts und der Polizei durchführen."
Das komplette Interview mit Dr. Bernd Wagner zum Nachhören:
Das komplette Interview mit Oberstleutnant a.D. Jürgen Rose zum Nachhören:
Quelle: Sputnik (Deutschland)