Ukraine-Krise: Grüne lehnen Zugeständnisse an Separatisten ab
Archivmeldung vom 06.02.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Sprecherin der Grünen für Osteuropapolitik, Marieluise Beck, lehnt in der Ukraine-Krise Zugeständnisse an die Separatisten im Osten des Landes strikt ab. Zwar begrüßten die Grünen "die neuen Vermittlungsbemühungen" von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem französischen Präsidenten François Hollande, erklärte Beck am Freitag.
"Bei den aktuellen Verhandlungen in Moskau darf es aber nicht zu bitteren Zugeständnissen für die Ukraine kommen", betonte die Osteuropa-Expertin der Grünen, die das Vorgehen der Separatisten in der Ost-Ukraine sowie das Verhalten Moskaus in dem Konflikt immer wieder scharf kritisiert hatte. Russlands Präsident Wladimir Putin müsse "die militärische Eskalation beenden und zu einer diplomatischen Lösung bereit sein", forderte Beck. Die ukrainische Armee habe "so gut wie keine Chance" gegen die "militärische Übermacht im Donbass", die laut Beck von Russland gestützt werde. "Der Westen muss bereit sein, den Aufbau einer demokratischen und rechtsstaatlichen Ukraine zu fördern und darf nicht den Glauben der Menschen an europäische Werte verraten, mit dem die Bürger des Maidan ihr korruptes Regime gestürzt haben."
Experte: Erfolgsaussichten von Merkel-Hollande-Reise äußerst gering
Der Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK), Joachim Krause, schätzt die Erfolgsaussichten der Moskauer Friedensmission von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsidenten François Hollande als äußerst gering ein. Schon die bisherigen Bemühungen um eine diplomatische Lösung hätten nichts erbracht. Russlands Präsident Wladimir Putin sehe den Krieg in der Ukraine vielmehr "als Austragungsort einer strategischen Gegnerschaft zum Westen", sagte Krause dem "Handelsblatt" (Online-Ausgabe). Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) weigerten sich jedoch "beharrlich", diesen Umstand zu begreifen. Stattdessen brächten sie sich als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine ein, obwohl alle bisherigen Vermittlungsversuche von russischer Seite "mit Taschenspielertricks ausgehebelt" worden seien.
Krause, der auch dem Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik angehört, der obersten Fortbildungsstätte des Bundes, wies darauf hin, dass der Minsker Friedensplan von den Separatisten von Anfang an nur als Atempause verstanden worden sei, "um erobertes Terrain zu konsolidieren und die militärische Schlagkraft zu erhöhen". Russland habe das aktiv unterstützt, indem es Waffen und bewaffnete Einheiten in den Donbass gebracht habe. "Die Separatisten sind heute von Feuerkraft, Beweglichkeit und Durchhaltefähigkeit den ukrainischen Streitkräften überlegen und schicken sich an, weitere Teile aus der Ukraine herauszuschneiden", warnte der Experte. Daran werde die neue Vermittlungsinitiative von Merkel und Hollande nichts ändern, "eher wird sie die militärische Risikobereitschaft Putins erhöhen".
Kritisch sieht Krause auch die Rolle von US-Präsident Barack Obama und dessen Stellvertreter Joe Biden. Obama habe seine Agenda, und in der komme der Ukraine-Konflikt offenbar nicht vor. "Er lässt seinen Vize reden und der wiederholt wortwörtlich Sätze, die zuvor Vertreter der Bundesregierung gesagt haben", sagte Krause. Das sage alles aus. "Derweil kippt die Stimmung in der Ukraine, weil sich mehr und mehr Menschen vom Westen verlassen fühlen." Alleine die Ankündigung von Waffenhilfe für die ukrainischen Streitkräfte hätte "enorm etwas bewegt", ist Krause überzeugt. Nun sei noch Schlimmeres zu befürchten. "Der Unwille Obamas, die internationale ordnungspolitische Rolle der USA wahrzunehmen, wird weltweit zu Verunsicherung und Anarchie beitragen."
Merkel: Ausgang der Gespräche zur Ukraine-Krise noch offen
Der Ausgang der der deutsch-französischen Vermittlungsbemühungen in der Ukraine-Krise ist laut Bundeskanzlerin Angela Merkel noch völlig offen. Derzeit sei nicht klar, ob es gelinge, eine Waffenruhe in der Ostukraine umzusetzen, so Merkel am Freitag in Berlin. Auch ob bei den Gesprächen am Freitag eine Lösung gefunden werden könne oder ob noch weitere Treffen notwendig würden, sei noch offen. Angesichts der Gewalteskalation in der Ostukraine und der zahlreichen Opfer der vergangenen Wochen werde man jedoch weiter alles tun, um das Minsker Abkommen mit Leben zu erfüllen.
Ischinger warnt vor Scheitern von Merkels Initiative
Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hat vor einem Scheitern der jüngsten diplomatischen Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande in der Ukraine gewarnt. "Ich denke, dies ist ein enorm wichtiger, aber vielleicht auch ganz entscheidender, vielleicht letzter Versuch, doch noch Misnk - also die diplomatische Lösung - auf den Weg zu bringen und sich nicht nur gegenseitig hohle Versprechungen zu machen", sagte Ischinger im Gespräch mit dem "Deutschlandfunk". Wenn Merkel und Hollande "mit leeren Händen zurückkommen würden, wäre die Lage ja nicht nur nicht besser als vorher, sondern vermutlich noch schlechter". Er habe allerdings große Zweifel, ob der Westen bereit sei, den Preis zu zahlen, "den vermutlich Präsident Putin eigentlich fordert: Nämlich den Verzicht darauf, dass die Ukraine sich dem Westen anschließt."
Laut eines Berichts der "Welt" wird in hohen EU-Diplomatenkreisen unterdessen damit gerechnet, dass die US-Regierung mit Waffenlieferungen an die Ukraine beginnen wird, falls die Friedensinitiative von Merkel und Hollande scheitern sollte. Merkel und Hollande führen Gespräche in Kiew und Moskau, damit die Eskalation der Gewalt in der Ostukraine gestoppt und ein dauerhafter Waffenstillstand erreicht wird. Am Donnerstag trafen Merkel und Hollande den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, am Freitag treffen sie Russlands Präsidenten Wladimir Putin.
Quelle: dts Nachrichtenagentur