Der lange Marsch an die Ostfront: Nato-Übung „Atlantic Resolve“ ähnelt Unternehmen Barbarossa
Archivmeldung vom 23.05.2018
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIn diesen Tagen rollen wieder US-Panzer durch Deutschland Richtung neuer Ostfront. Alle neun Monate soll nun das US-Kontingent in Polen und den baltischen Staaten ausgetauscht werden, um frisches Material für Nato-Übungen an der russischen Grenze zu haben. Die Abwicklung in Deutschland übernimmt die Bundeswehr. Nun regt sich dagegen Protest, schreibt Armin Siebert beim russische online Magazin "Sputnik".
Weiter heißt es auf der deutschen Webseite des Magazins: "Alle Jahre wieder müssen die in Polen und den baltischen Staaten stationieren Truppen der US-Operation „Atlantic Resolve“ ausgetauscht werden. So werden in den nächsten Wochen wieder riesige Konvois mit Militärtechnik und Truppen über Sachsen und Brandenburg in den Osten bewegt. Dagegen regt sich Widerstand. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ist demonstrativ nicht zu der Pressekonferenz erschienen, auf der die Details der Truppenverlegung vorgestellt wurden.
Schon im vergangenen Jahr bei der ersten US-Truppenrotation durch Brandenburg hatte Woidke den Transport kritisiert und sich stattdessen für einen friedlichen Dialog mit Russland ausgesprochen. Auch in diesem Jahr wird mit Protesten gerechnet. Diese fanden im vergangen Jahr vor allem in Bremerhaven statt, wo ein Großteil der US-Truppen anlandete. Dieses Jahr dürfte es schwieriger werden, zentrale Proteste zu organisieren, da der Transport sowohl über Wasser, als auch über Straße und Schiene verläuft. Dennoch haben sowohl die AfD als auch Die Linke in Brandenburg gemeinsam mit Friedensorganisationen Proteste angekündigt.
Alexander Neu, verteidigungspolitischer Sprecher der Linken, unterstützt die Kritik aus dem Brandenburger Landtag: „Ich hab die brandenburgische Landesregierung dafür gelobt, dass sie in diesem Thema eine durchaus vernünftige Position bezogen hat. Wir hätten uns mehr gewünscht, aber für eine SPD-Landesregierung ist das schon mutig“, so Neu im Sputnik-Interview.
Neben Panzern und weiteren etwa 3000 Militärfahrzeugen, die mit dem Zug nach Polen transportiert werden, wird der Löwenanteil des Truppenaustausches diesmal über die Straße abgewickelt werden. Schon jetzt kann man in Westdeutschland Militärkonvois auf den Autobahnen beobachten. Anfang Juni dürften die Verbände mit 3500 Soldaten und gut 2000 Fahrzeugen die polnische Grenze erreichen.
Im belgischen Antwerpen ist eine neue Partie von US-Panzern eingetroffen, die demnächst nach Polen verlegt werden, um dort im Rahmen der Übung „Atlantic Resolve“ eingesetzt zu werden, schreibt die Zeitung „Nesawissimaja Gaseta“ am Montag.
Wie das belgische Verteidigungsministerium auf Twitter mitteilte,
geht es um insgesamt 85 Panzer M-1 Abrams und etwa 3300 US-Soldaten.
Insgesamt wurden nach Europa aus Übersee schätzungsweise 800 Einheiten
Militärtechnik gebracht, und künftig werden weitere 2500 Maschinen
erwartet, für die Übung erwartet.
Zwischenstopps sind in Bundeswehrstandorten vor allem in Ostdeutschland geplant. Um Berlin herum werden die 102 Konvois dann zusammengezogen, um gemeinsam die polnische Grenzstadt Szczecin zu erreichen. Die Abwicklung an der Grenze dürfte mehrere Tage in Anspruch nehmen.
Seit Anfang 2017 befinden sich in Polen ohnehin etwa 2500 Einheiten Technik, insbesondere 87 Abrams-Panzer, 18 Selbstfahr-Haubitzen Paladin, 144 Schützenpanzerwagen Bradley usw., sowie 3500 US-Militärs.
Damals hatten westliche Medien berichtet, nach Europa sollten aus den USA bis zu 6000 Einheiten Panzertechnik, darunter 3600 Panzer, verlegt werden, die unter vier verstärkten Brigaden verteilt werden sollten. Diese Kräfte sollten an der ganzen östlichen Nato-Grenze zwischen Estland und Bulgarien aufgestellt werden.
In diesem Kontext ist die jüngste Erklärung des US-amerikanischen Admirals James Foggo auffallend. Er sagte in einem Interview für Sputnik hinsichtlich der jüngsten Aussage des russischen Präsidenten Wladimir Putin, russische „Kalibr“-Raketen würden im Mittelmeerraum „ständig“ stationiert bleiben, dass die US-Marine „bereit wäre, sich zu wehren“. Im April war im Mittelmeerraum ein Schiffsverband um den Flugzeugträger USS Harry S. Truman eingetroffen, dem außerdem ein mit Tomahawk-Raketen ausgerüsteter Raketenkreuzer und fünf Zerstörer angehören. Zudem befinden sich dort drei bis acht US-amerikanische Zerstörer, die einander nach dem Rotationsprinzip ablösen. Und schließlich befinden sich im östlichen Teil des Mittelmeeres zwei US-amerikanische Atom-U-Boote sowie eine französische und eine deutsche Fregatte. Noch gibt es dort ein Netzwerk von amerikanischen und britischen Luftwaffenstützpunkten. Wenn man bedenkt, dass dort auch türkische, griechische, italienische und spanische Kriegsschiffe und Kampfjets weilen, kann man feststellen, dass die Nato-Kräfte dort nicht nur stärker als die russische Marinegruppierung, sondern auch als die ganze russische Schwarzmeerflotte sind.
Dabei baut die Nato weiterhin ihre schnellen Eingreifkräfte in Europa aus. Das zeugt davon, dass Washington und seine Verbündeten ihre Truppen im russischen Grenzraum nach und nach verstärken.
Für die Koordination des gesamten Transports durch Deutschland ist wie schon im Vorjahr die Bundeswehr zuständig. Sie arbeitet dabei eng mit dem Logistikkommando der US-Armee für Europa in Kaiserlautern zusammen, wo allein 7000 US-Armeeangehörige stationiert sind. Die Kosten für den Transport durch Deutschland übernimmt der Bund. Die Gesamtkosten des Truppenaustauschs belaufen sich auf etwa 45 Millionen Euro. Wie hoch der Anteil ist, den der deutsche Steuerzahler trägt, ist nicht bekannt.
Für den verteidigungspolitischen Sprecher der Linken passt diese regelmäßige Truppenverlegung der US-Truppen über Deutschland ins Konzept der Bundeswehr: „In der Neukonzeption der Bundeswehr wird davon gesprochen, Deutschland als strategische Drehscheibe für die Nato zu etablieren“, so Neu.
Gerade in Ostdeutschland ist die Abneigung gegenüber Militärpräsenz groß. Sicher hängt dies auch mit den Hunderttausenden Sowjetsoldaten zusammen, die in der ehemaligen DDR stationiert waren und oft für Umwelt- und Lärmbelästigungen sorgten und auf die Bürger eher als Bedrohung denn als Schutz wirkten.
Der Linkspolitiker Neu sieht allerdings auch positive Aspekte des direkten Kontaktes zwischen den Menschen in der DDR und der Sowjetunion:
„Die Ostdeutschen, zumindest die Generation über 40, haben noch die DDR erlebt und haben ein ganz anderes Russlandbild als in Westdeutschland. Man hat im Osten die Sowjetunion nicht als das böse Reich wahrgenommen. Man hatte teilweise auch persönliche Kontakte zu Russen. So verfängt das russophobe Bild, das jetzt gemalt wird, im Osten nicht so wie im Westen.“
Hinzu kommt ein im Osten stärker ausgeprägter Antiamerikanismus. Waren den Westdeutschen die Alliierten die Befreier vom Hitlerfaschismus, so waren dies den Ostdeutschen die Sowjets.
Die USA galten dagegen in der DDR als Klassenfeind. Im Zuge einer gegenwärtig immer unberechenbareren US-Politik und einer Dämonisierung Russlands sprechen sich die meisten Ostdeutschen inzwischen wieder für ein gutes Verhältnis zu Russland und gegen Nato-Verbände in Osteuropa aus. In Ostdeutschland dürfen Nato-Truppen laut Wiedervereinigungsvertrag nicht stationiert werden.
Die US-Truppen in Osteuropa müssen nun alle neun Monate komplett ausgetauscht werden. Das schreibt der Grundlagenvertrag zwischen der Nato und Russland vor, in dem es heißt, dass die Nato „substanzielle“ Kampfverbände nicht „dauerhaft“ auf dem Gebiet des ehemaligen Ostblocks stationieren darf. So sollen mit dieser Rochade jedes Dreivierteljahr russische Argumente gegen eine permanente Stationierung von US-Truppen kurz vor der russischen Grenze entkräftet werden.
Neu sieht hierin dennoch einen Verstoß gegen den Nato-Vertrag mit Russland: „Das ist letzten Endes ein Trick, indem man sagt, die Truppen sind nicht permanent dort, sondern sie rotieren. In meinen Augen ist das trotzdem ein Bruch des Nato-Russland-Abkommens, da die Fähigkeiten der Truppen permanent vor Ort präsent sind, auch wenn die Truppe wechselt.“
Außerdem dient diese Rotation dem Mobilitätstraining der US- und Nato-Streitkräfte. Im Fall eines russischen Angriffs sollen möglichst schnell Truppen und Material nach und durch Europa verlegt werden können. Bei den letzten beiden Truppenwechseln kam es nach Aussagen der US-Befehlshaber in Karlsruhe zu einer Menge Papierkrieg und großen Verzögerungen an den Grenzen.
Das angestrebte Ziel scheint zu sein, die Bürokratie zu minimieren und die Abläufe zu beschleunigen, um US-Panzer möglichst schnell über deutsche Straßen zu bringen. Auch die Grenzer sollen entsprechend geschult werden, die US-Truppen an den Grenzen quasi durchzuwinken. Dafür hat die EU-Kommission einen Aktionsplan über 6,5 Milliarden Euro vorgelegt, um die Infrastruktur in den Mitgliedsländern für Militärtransporte auszubauen und Zoll- und Grenzbestimmungen zu vereinfachen.
Alexander Neu spricht gar von einem Nato-Schengen-Raum: „Im Raum steht auch, dass im Rahmen des Nato-Gebiets in Europa eine Art militärischer Schengen-Raum geschaffen wird. Das heißt, dass die Nato-Mitglieder in Europa ihre rechtlichen Grundlagen für Nato-Transporte angleichen, so dass die Amerikaner sich nicht erst bei jedem europäischen Nato-Land Genehmigungen einholen müssen, sondern sich frei bewegen können. Damit würden die Nato-Staaten in Europa ihre Souveränität in diesem Bereich vollkommen außer Kraft setzen.“
Zu den permanent in Osteuropa stationierten 4000 US-Soldaten kommen noch einmal etwa 4000 Nato-Militärs in Polen, Litauen, Lettland und Estland. Auch Deutschland ist mit Truppen an dieser Ostoperation beteiligt und führt sogar den Nato-Verband in Litauen an. Vom 3. bis 15. Juni findet an der Westgrenze Russlands ein großes Nato-Manöver mit etwa 18.000 Soldaten aus 19 Nato-Staaten und deren Verbündeten statt. Darunter sind allein 12.500 US-Soldaten. Auch hierfür werden gerade rund 7000 Soldaten sowie 2000 Militärfahrzeuge nach Litauen verlegt. Pikant ist die Überschneidung des Manövers mit dem Beginn der Fußball-WM in Russland am 14. Juni.
Dazu meint Alexander Neu: „Hier wird die Fußball-WM in der Tat mit einem Manöver begleitet. Da könnte man mehr Sensibilität erwarten. Aber das ist offensichtlich nicht die Stärke der USA und der von den USA geführten Nato.“"
Quelle: Sputnik (Deutschland)en: