Lambsdorff: Tsipras muss in Russland EU-Interessen vertreten
Archivmeldung vom 08.04.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Vizepräsident des EU-Parlaments Alexander Graf Lambsdorff hat den griechischen Premier Alexis Tsipras aufgefordert, bei seinem Moskau-Besuch an diesem Mittwoch eindeutig die Interessen der EU zu vertreten. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte der FDP-Politiker, Tsipras müsse Präsident Wladimir Putin auffordern, die Aggression in der Ost-Ukraine und die militärischen Provokationen gegen die Nato zu beenden.
Die Moskau-Reise an sich halte er aber für völlig legitim, erklärte Graf Lambsdorff. Die Aufregung darüber könne er nicht teilen. "Er ist ein demokratisch gewählter Regierungschef, der selbstverständlich auch nach Moskau fahren darf." Allerdings sei der Zeitpunkt der Reise "äußerst unglücklich gewählt". Einen Tag später müsse Griechenland beim Internationalen Währungsfonds eine erhebliche Summe zurückzahlen und niemand wisse, ob dies gelingen werde.
Der FDP-Politiker erklärte, Tsipras dürfe kein Angebot von russischer Seite annehmen, das in einer einseitigen Lockerung des Einfuhrstopps nur für griechische Agrarprodukte bestehe. "Das wäre ein Durchbrechen der europäischen Solidarität, die gerade Herr Tsipras immer im Munde führt", sagte Graf Lambsdorff.
Die Diskussion über die Reparationsforderungen der griechischen Regierung an Deutschland bezeichnete der FDP-Politiker als absurd. Die Frage der Reparationen sei politisch, rechtlich und finanziell spätestens mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 abgeschlossen. Es sei ein "völlig verfehlter Ansatz", zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch einmal die von niemandem bestrittenen historischen Vorgänge finanziell aufarbeiten zu wollen. "Ich füge aber hinzu: Die historische und moralische Auseinandersetzung mit diesem Problem wird selbstverständlich weitergehen."
Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Bundestages, Gunther Krichbaum (CDU), sieht die griechische Forderung nach Reparationszahlungen als reines Ablenkungsmanöver der Athener Regierung. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte der CDU-Politiker: "Die linksradikale Regierung in Athen will damit nur von der eigenen Unfähigkeit ablenken und sich selbst in eine Opferrolle begeben." Dem dürfe man nicht auf den Leim gehen, warnte Krichbaum.
Tsipras Berater Paraskevopoulos: EU-Bedenken wegen Annäherung an Russland sind Unsinn
Der Wirtschaftsberater der griechischen Regierungspartei SYRIZA, Theodoros Paraskevopoulos, hält die Befürchtungen in der EU, sein Land könnte aus der Sanktionsfront gegen Russland ausscheren, für Unsinn.
Paraskevopoulos versicherte am Mittwoch im rbb-Inforadio, sein Land werde sich an die EU-Sanktionen gegen Russland halten. "Diese Sanktionen, obwohl Griechenland sie kritisch sieht, die stehen", betonte er. Mit Russland würden heute und morgen in Moskau Energiefragen diskutiert.
Die EU-Staaten hätten das Recht, ihre außenpolitischen Beziehungen eigenständig zu entwickeln, und das tue Griechenland im Moment.
Griechenland ist laut Paraskevopoulos an einer Fortführung der Gaspipeline, die Russland mit der Türkei verbindet, interessiert. Außerdem wolle man landwirtschaftliche Produkte nach Russland verkaufen und russische Investoren nach Griechenland holen. "Russland interessiert sich für Investitionen in griechische Bahnen und griechischen Häfen und darüber wird gesprochen", sagte Paraskevopoulos. Über russische Kredite für Griechenland werde nicht gesprochen.
Brok warnt vor Russland-Orientierung Griechenlands
Die Reise des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in die russische Hauptstadt Moskau führt zu Unruhe in der Europäischen Union: "Der Besuch von Premierminister Tsipras in Moskau ist eine Drohgebärde", sagte Elmar Brok (CDU), Chef des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, mit Blick auf die laufenden Verhandlungen Griechenlands über weitere Kredite im Gespräch mit der "Welt". "Er möchte zeigen, dass Griechenland auch anders könnte."
An diesem Mittwoch wird Tsipras zu Gesprächen in Moskau erwartet. Offiziell geht es bei dem Antrittsbesuch des griechischen Premierministers um die die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern. Der Besuch findet in einem Moment statt, in dem Griechenland gegen den Staatsbankrott kämpft. Seit Wochen verhandelt die neue Regierung in Athen mit den Partnern in der Europäischen Union sowie mit dem Internationalen Währungsfonds über Milliardenkredite. Bislang zeichnet sich keine Einigung ab.
Die europäischen Partner sollten laut Brok auf eine klare Linie Griechenlands dringen. "Wir sollten deutlich machen: Lieber Alexis Tsipras, wenn Du Dich an Moskau binden willst, dann mach das. Dann sag aber auch deutlich, dass Du aus Europa raus und in eine andere Hemisphäre wechseln möchtest." Die griechische Bevölkerung würde Tsipras auf diesem Kurs nicht folgen, ist Brok überzeugt. "Die Griechen würden einen solchen Kurswechsel nicht mittragen und sich im Zweifel für Brüssel entscheiden." Eine Zuwendung Griechenlands nach Russland würde einen schweren außen- und sicherheitspolitischen Schaden nach sich ziehen. "Ökonomisch gesehen wäre ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone keine Katastrophe mehr", sagte Brok. "Strategisch allerdings hat Griechenland einen hohen Wert für den Westen. Es reicht ein Blick auf die Landkarte, um das zu erkennen, zumal die Türkei als Nato-Partner unsicher wird."
Brok geht zwar davon aus, dass sich Griechenland an den politischen Beschluss der Staats- und Regierungschefs vom März halten wird, und im Juni eine Verlängerung der Sanktionen gegenüber Russland mitträgt. Trotzdem regt der Außenpolitiker an, sich über mögliche Alternativen zu einem einstimmigen Beschluss im Kreis der Staats- und Regierungschefs Gedanken zu machen. "Wir sollten prüfen, wie Europa Sanktionen gegen Russland zur Not auch ohne die griechische Zustimmung verlängern kann", sagte Brok. Udo Bullmann, Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten, ruft Tsipras unterdessen dazu auf, die Lösung für die Schuldenkrise in Europa zu suchen. "Die Probleme müssen innerhalb der EU gelöst werden", sagte der Politiker der "Welt". "Weder die Verhandlungsführer der EU-Finanzminister noch die griechische Regierung sollten die Situation eskalieren lassen. Den Preis, den Europa dafür zahlen würde, sollte niemand unterschätzen."
Der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier, erklärte in der "Welt": "Griechenland muss sich klar zu den europäischen Spielregeln bekennen. Das Vertrauen in den Standort Griechenland kann nur durch eine solide und berechenbare Wirtschaftspolitik zurückgewonnen werden". Treier sagte der Zeitung, neue Investitionen bräuchten "Verlässlichkeit und keine Wankelpolitik".
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots) / dts Nachrichtenagentur