Kühne-Hörmann wirft Maas "Terrorbekämpfung im Schneckentempo" vor
Archivmeldung vom 19.01.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie hessische Justizministerin, Eva Kühne-Hörmann (CDU), hat Bundesjustizinister Heiko Maas (SPD), scharf für dessen Aussage kritisiert, dass trotz der derzeitigen terroristischen Bedrohung weitere Verschärfungen im Strafrecht nicht sinnvoll seien, und ihm "Terrorbekämpfung im Schneckentempo" vorgeworfen.
"Ich bin es leid, dass Herr Maas jeden Vorschlag, den er nicht selbst unterbreitet hat, als Aktionismus abkanzelt", sagte Kühne-Hörmann dem "Handelsblatt" (Onlineausgabe). "Herr Maas scheint eine Freude daran zu haben, dogmatische Trutzburgen zu errichten."
Gerade bei der derzeitigen Sicherheitslage sei die Politik aber "nichts für dogmatische Einzelkämpfer", betonte die Ministerin. "Ich hätte mir gewünscht, dass sich Herr Maas, insbesondere nach den Anschlägen in Paris, ernsthaft mit den zahlreichen guten Vorschlägen aus der Praxis befasst."
Gerade die Frage der Strafbarkeit der Ausreise zum Dschihad hätte schon viel früher geregelt werden können. "Ich habe schon im Juni letzten Jahres ein solches Vorgehen vorgeschlagen", sagte Kühne-Hörmann. Maas habe sich aber erst nach einer entsprechenden UN-Resolution und entsprechenden Beschlüssen der Justizministerkonferenz dazu bewegen lassen. "Das ist Terrorbekämpfung im Schneckentempo."
Kühne-Hörmann sieht bei der Strafbarkeit der Ausreise zum Dschihad auch die betroffenen Länder in der Pflicht, keine Kämpfer in diese Krisengebiete reisen zu lassen. "Es geht aber auch darum, dass wir es nicht zulassen dürfen, dass sich junge Menschen radikalisieren und den Umgang mit Waffen und Gewalt erlernen", betonte der CDU-Politikerin. Früher oder später würden diese Personen zurück nach Europa reisen. "Sie sind dann verroht, perspektivlos und radikalisiert also tickende Zeitbomben und eine Bedrohung für unsere Sicherheit."
In diesem Zusammenhang warf die Ministerin Maas vor, sich in der Rolle des vermeintlichen Beschützers freiheitlicher Grundwerte zu gefallen. "Dabei übersieht er, dass der Angriff auf unsere Freiheit nicht vom Koalitionspartner kommt, sondern von Personen, die unsere Freiheit und unsere Art zu leben in Gänze bedrohen."
Ein Rechtsstaat aber, der keine Sicherheit für seine Bürger garantieren könne, verliere an Glaubwürdigkeit. "Zu einer wehrhaften Demokratie gehört auch ein konsequentes Vorgehen der Sicherheitsbehörden, wenn unsere Freiheit bedroht ist", sagte Kühne-Hörmann.
Berliner Terror-Zelle soll Anschläge in Syrien finanziert und verübt haben
Die am vergangenen Freitag bei einer Razzia in Berlin festgenommenen mutmaßlichen Islamisten Ismet D. und Emin F. sind offenbar bereits für Terror-Anschläge in Syrien verantwortlich. Wie "Bild am Sonntag" berichtet, sollen sie unter anderem an der Finanzierung eines Anschlags auf syrische Regierungs-Soldaten im vergangenen Jahr beteiligt gewesen sein. Dabei wurde ein Lastwagen mit Stahlplatten verstärkt und in eine Kaserne manövriert.
Mit dem selbstgebauten Panzer töteten die Islamisten mehrere Menschen. Auf Bildmaterial, das der Berliner Generalstaatsanwaltschaft vorliegt, posieren zudem Mitglieder der Berliner Terrorzelle mit Waffen und IS-Fahnen vor dem gepanzerten Lastwagen.
Maas: Verfahren gegen 350 Beschuldigte im Zusammenhang mit IS
Laut Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gibt es derzeit Verfahren gegen etwa 350 Beschuldigte im Zusammenhang mit dem "Islamischen Staat" (IS). "Das zeigt: Unser Terrorismusstrafrecht wirkt. Weitere Verschärfungen im Strafrecht sind nicht sinnvoll", sagte Maas der "Bild am Sonntag". "Purer Aktionismus stoppt keine Terroristen."
Hessens Ministerpräsident und CDU-Vize Volker Bouffier setzt bei der Terrorbekämpfung auf das Sammeln von Fluggastdaten, um die Reisebewegungen von Dschihadisten ausmachen zu können: "Nur so können wir wissen, wie andere Sicherheitsbehörden eine Gefährdung durch bestimmte Passagiere beurteilen und uns dann entscheiden, ob wir uns diesem Urteil anschließen. Das ist kein unzulässiger Eingriff in die Freiheit."
Zudem sprach sich Bouffier für eine differenzierte Vorratsdatenspeicherung aus: "Wir brauchen keine Vorratsdatenspeicherung für alle, sondern Vorratsdatenspeicherung für Menschen, die bereits ins Visier der Sicherheitsbehörden geraten sind, etwa durch auffällige Reisebewegungen, auffällige Kontakte oder Hinweise auf eine Radikalisierung. Wenn die Gefahr besteht, dass jemand abgleitet, ist das ein wichtiges Instrument."
CDU-Generalsekretär Peter Tauber will bereits Sympathiebekundungen für Terroristen unter Strafe stellen: "Eine entscheidende Forderung von uns ist, dass wir Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen endlich wieder unter Strafe stellen." Es sei "ein Riesenfehler von Rot-Grün" gewesen, diesen Straftatbestand abzuschaffen - "und der Justizminister hat da bis heute nichts dazugelernt".
Heftige Kritik an den Regierungsplänen, gefährlichen Islamisten den Personalausweis zu entziehen, gibt es von den Grünen. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte "Bild am Sonntag": "Terroristenausweise schaden mehr als sie nutzen. Den Dschihad-Tourismus unterbindet man durch bessere Ausweiskontrollen mit mehr Personal an den EU-Außengrenzen."
Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, forderte Gesetzesänderungen, die es den Behörden erlaubten, verstärkt präventiv tätig zu werden. "Die Polizeigesetze der Länder müssen dringend eine rechtliche Möglichkeit enthalten, Telekommunikation gefahrenabwehrend zu überwachen, um ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen zu können und zum Beispiel auch drohende Anschläge zu verhindern." Schulz betonte, man müsse "identifizierte Gefährder so gut es rechtlich, technisch und personell geht überwachen".
Verfassungsschutz hat rund 100 Islamisten-Zellen im Visier
Deutsche Sicherheitsbehörden haben eine wachsende Zahl von islamistischen Kleinstgruppen und Netzwerken im Visier: Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachte seit dem vergangenen Jahr deutschlandweit rund 100 Islamisten-Zellen, berichtet die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf deutsche Sicherheitskreise.
Es handele sich dabei um Gruppen und Netzwerke von jeweils 10 bis 80 Personen. Das Spektrum reiche von Gebetsgruppen über Online-Propagandisten bis hin zu Spendensammlern und heimgekehrten Syrien-Kämpfern.
Konkrete Anschlagspläne seien bei diesen Gruppierungen bislang nicht bekannt. Die Ermittlungen gegen die potenziellen Terroristen gestalten sich für die Sicherheitsbehörden der "Welt am Sonntag" zufolge zunehmend schwierig. Die Kommunikation der Extremisten finde immer häufiger auf konspirative Weise statt. Online-Chats und soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter würden seltener genutzt.
Teilweise kommunizierten die Islamisten nur noch über sogenannte Messenger-Dienste auf dem Mobiltelefon wie WhatsApp und Threema. Was sich in diesen geschlossenen Chaträumen abspiele, sei für Behörden kaum einsehbar. "Um dort mitlesen zu können, benötigen wir den Zugang über eine Handynummer", sagte ein Vertreter der Sicherheitsbehörden. Dies sei häufig nur über angeworbene Informanten möglich.
Islamisten in Belgien wollten auch jüdische Schulen angreifen
Die islamistischen Terroristen in Belgien, die am Donnerstag von Polizeikräften gestoppt worden sind, wollten offenbar auch jüdische Schulen angreifen. Das berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (F.A.S.) unter Berufung auf deutsche Sicherheitskreise.
Die jüdischen Schulen in Belgien waren am Freitag geschlossen gewesen, der belgische Generalstaatsanwalt Eric van der Sypt hatte aber eine Bedrohung jüdischer Einrichtungen offiziell nicht bestätigt. Das Bundeskriminalamt prüft nach Angaben der F.A.S. derzeit, ob die Waffen, die in dem Gebäude in Verviers gefunden wurden, auch in Deutschland aufgetaucht sind. Solche Waffen kämen in großer Zahl vom Balkan nach Westeuropa, heißt es.
Polizei und Nachrichtendienste untersuchten außerdem, ob es Verbindungen zur deutschen Dschihadisten-Szene, etwa im Raum von Aachen und Köln gebe. Verviers liegt nur 25 Kilometer von Aachen entfernt. Nach den Anschlägen in Paris und den verhinderten Attentaten in Belgien herrscht auch bei den deutschen Sicherheitsbehörden hohe Anspannung. "Die Lage ist sehr ernst, und die Gefahr eines Anschlags ist hoch", zitiert die F.A.S. Sicherheitskreise.
Die Behörden gehen einer Vielzahl von Hinweisen und Drohungen nach. Verwiesen werde etwa auf ein Video, in dem sich drei junge französische Dschihadisten im syrischen Raqqa, der "Hauptstadt" des IS, nach den Anschlägen in Paris äußern. Sie nennen auch Deutschland als Ziel. "Es wird immer mehr Operationen geben, in ganz Europa, in Frankreich, in Belgien, in Deutschland und der Schweiz", sagte einer der jungen Franzosen. Ein anderer ruft dazu auf, Polizisten zu töten, berichtet die F.A.S.
Quelle: dts Nachrichtenagentur