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Lucke ermuntert EZB-Präsident Draghi zu Rede bei AfD-Parteitag

Archivmeldung vom 24.09.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.09.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bernd Lucke in München 2013
Bernd Lucke in München 2013

Foto: Blu News
Lizenz: CC-BY-SA-2.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der Chef der AfD, Bernd Lucke, sieht die AfD-kritische Analyse der US-Ratingagentur Standard & Poor`s (S&P) als Aufforderung an die Europäische Zentralbank (EZB), ihre Krisenpolitik zu überdenken: EZB-Präsident Mario Draghi ermunterte er in diesem Zusammenhang zu einer Rede bei einem AfD-Parteitag.

Das berichtet das "Handelsblatt" (Onlineausgabe). Draghi habe diese Woche vor dem Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments die Hoffnung geäußert, dass die "massive Geldschöpfung", die die EZB mit ihren jüngsten Maßnahmen beabsichtige, als nicht unbeabsichtigter Nebeneffekt zu einer Euro-Abwertung führe. "Das ist viel zu kompliziert gedacht, denn Herr Draghi braucht dafür gar keine Billion Euro an Geld zu drucken", sagte Lucke. "Wenn die Kapitalmärkte die AfD so sehr mit Argusaugen beobachten, ließe sich die erwünschte Euro-Abwertung schon dadurch erreichen, dass Herr Draghi beim nächsten AfD-Parteitag ein Grußwort spricht."

S&P hatte zuvor vor den Folgen eines Aufstiegs der AfD für die weitere Krisenpolitik in der Euro-Zone gewarnt. "Der zuletzt überraschend starke Zulauf deutscher Wähler für die AfD könnte die Rolle Deutschlands als Krisenmanager gefährden und die Politik im Währungsraum insgesamt schwieriger gestalten", heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Studie der Bonitätsprüfer. Jedes Anzeichen einer Änderung der deutschen Haltung in der Krisenpolitik könnte das Vertrauen der Investoren in die internationalen Hilfen für angeschlagene Euroländer gefährden, meinte S&P-Experte Moritz Krämer. Letztendlich könnte dies die Refinanzierung der Krisenstaaten an den Finanzmärkten teurer machen.

Lucke sagte dazu: "Dass der Aufschwung der AfD in Wahlen und Meinungsumfragen zu einer Verschlechterung der Ratings für Staatsanleihen führen kann, zeigt, dass die Probleme der Euro-Zone bislang nur mit rosa Soße zugekleistert worden sind." Denn wenn die Euro-Krise bewältigt wäre, dürften Zehn-Prozent-Ergebnisse der AfD bei Landtagswahlen "wirklich keinerlei Auswirkungen" auf die Bonität von Staatsanleihen haben. "Tatsächlich sind die Staatsschulden heute aber viel höher als vor der Krise, und die südeuropäischen Staaten leiden unter Armut und Arbeitslosigkeit, weil sie ihre Währungen nicht abwerten können", sagte der AfD-Chef. Die

Vize-Vorsitzende der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht, reagierte mit Befremden auf das Urteil der Bonitätswächter. "Die Analyse von S&P ist schwer nachzuvollziehen", sagte Wagenknecht dem "Handelsblatt" (Online-Ausgabe). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe mit ihrer Politik der Bankenrettungen sowie einer drakonischen Kürzung von Löhnen, Renten und Sozialleistungen in den Krisenländern Rekordarbeitslosigkeiten und eine dauerhafte Deflationsgefahr in der Euro-Zone zu verantworten. "Ohne ein hoffnungsloses Versinken in der Deflation war diese Strangulierung der Volkswirtschaften und ihrer Bevölkerungen nur mit den geöffneten Geldschleusen der EZB möglich." Damit sei die "brutale" Euro-Krisenpolitik von Merkel dafür verantwortlich, dass Staaten und Banken der Euro-Zone sich zu historisch niedrigen Zinssätzen am Kapitalmarkt frisches Geld besorgen können. Die Menschen hätten aber nichts davon. "Im Gegenteil: Diese Politik schadet durch eine Enteignung der Sparguthaben, neue Spekulationsblasen und eine niedrigere Wirtschaftsleistung auch der deutschen Bevölkerung."

Ökonomen kritisieren S&P-Analyse zur AfD scharf

Die Einschätzung der Rating-Agentur S&P, wonach der Aufstieg der eurokritischen AfD in Deutschland eine Gefahr für die Stabilität der Krisenländer in der Währungsunion darstellt, stößt bei Ökonomen auf scharfe Kritik. "Das ist ein trauriger Treppenwitz der Ökonomiegeschichte", sagte der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, dem "Handelsblatt" (Onlineausgabe). "Ausgerechnet eine jener Agenturen, die mit der Abwärtsspirale ihrer Ratings im Herbst 2009 die Begründung für Austeritätspolitik geliefert hat, fürchtet sich nun vor einem durch die AfD erzwungenen Austeritätskurs." Das zeige die "volle Absurdität" der Arbeit von Ratingagenturen. "Es ist höchste Zeit, dass deren Urteile nicht mehr ernst genommen werden", sagte Horn. "Mithin dürften im Rahmen von Regulierungsvorschriften keinerlei Ratings mehr verlangt werden. Dann wären ihre Äußerungen genau das, was sie auch in Wirklichkeit sind, schlichte Meinungsäußerungen ohne weiteren Belang." 

In der am Dienstag vorgelegten Analyse der US-Ratingagentur Standard & Poor`s wird darauf hingewiesen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im eigenen Land bisher auf keinen größeren Widerstand gegen ihre Politik in der Euro-Krise gestoßen sei. Dies habe ihr in Brüssel mehr Spielraum für Kompromisse ermöglicht. Sollte Merkel ihre Gangart unter dem Eindruck des AfD-Aufstiegs verschärfen, würden die Krisenstaaten dies durch höhere Zinsen am Kapitalmarkt zu spüren bekommen, warnte S&P-Analyst Moritz Kraemer. Er verweist darauf, dass die AfD derzeit in Umfragen spielend die Fünf-Prozent-Klausel nehmen würde.

In einer Forsa-Umfrage hatte sie zuletzt sogar die Zehn-Prozent-Marke geknackt. Angesichts dieses Zulaufs hat die AfD laut S&P das Zeug dazu, die europapolitische Linie der Regierung zu beeinflussen. Sollten die Investoren auch nur "Anzeichen für eine Verschärfung" des deutschen Kurses wahrnehmen, werde das Vertrauen in die Krisenländer bröckeln, warnte der S&P-Analyst.

Nach Ansicht des Chefvolkswirts der Commerzbank, Jörg Krämer, geht die S&P-Analyse von der falschen Annahme aus, dass der ESM-Rettungsfonds der Euroraum-Staaten die Krisenländer stabilisiert habe. "Der ESM-Fonds war aber nie groß genug, um im Fall der Fälle Spanien und Italien gleichzeitig zu stützen", sagte Krämer dem "Handelsblatt" (Onlineausgabe). "Tatsächlich sind die Risikoaufschläge der Peripherieländer-Anleihen erst gesunken, nachdem die Europäische Zentralbank im Sommer 2012 angekündigt hatte, im Falle der Fälle unbegrenzt Staatsanleihen der Krisenländer aufzukaufen." Faktisch habe die EZB die Staatsanleihen garantiert. "Solange diese Garantie steht, spielt es keine große Rolle, ob die Bundesregierung mehr oder weniger Unterstützung für die Krisenländer signalisiert."

Der Frankfurter Ökonom Thorsten Polleit hält die S&P-Einschätzung für überzogen. "Die Analyse scheint die Bedeutung der Regierungspolitiken in der Euro-Krisenpolitik zu überschätzen und die der EZB zu unterschätzen", sagte der Chefökonom der Degussa Goldhandel GmbH und Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance & Management dem "Handelsblatt" (Onlineausgabe). Aus seiner Sicht seien es weder der Euro-Rettungsschirm ESM noch die Bankenunion oder eine andere Regierungsmaßnahme gewesen, die das akute Zahlungsausfallrisiko, die Kreditkrise im Euro-Raum vertrieben habe. "Es war die Geldpolitik der EZB, die dafür gesorgt hat, dass Investoren wieder Staaten und Banken, die es eigentlich gar nicht verdienen, neue Kredite geben."

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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