US-Außenpolitiker: "Nicht die USA - der Rest der Welt hat Lateinamerika vergessen"
Archivmeldung vom 24.03.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittThomas A. Shannon hat den Vorwurf zurückgewiesen, die USA hätten ihren einstigen "Hinterhof" Lateinamerika in den Jahren der Bush-Administration vernachlässigt.
"Wir haben
Lateinamerika nie aus dem Blick verloren. Trotz 9/11, trotz
Afghanistan- und Irakkrieg", sagte der für Lateinamerika zuständige
Abteilungsleiter im US-Außenministerium zwei Wochen nach dem achten
Besuch von George W. Bush auf dem Südkontinent. "Kein Präsident in
der Geschichte der Vereinigten Staaten hat Lateinamerika häufiger
besucht", fügte der 49-Jährige im Gespräch mit dem Tagesspiegel in
Berlin hinzu. Die USA hätten die Lateinamerika-Finanzhilfen
verdoppelt und Freihandelsabkommen mit Ländern abgeschlossen, "die
zwei Drittel des südamerikanischen Bruttosozialprodukts
repräsentieren". "Nicht die USA - der Rest der Welt hat den Kontinent
vergessen", weil es, so Shannon weiter,derzeit "sehr viele große
Herausforderungen" gebe, "die um unsere Aufmerksamkeit konkurrieren":
"die EU ist damit beschäftigt die EU zu bauen, Asien hat genug mit
dem erstarkenden China zu tun."
Lateinamerika habe in den vergangenen Jahren eine "wirklich dynamische und positive Entwicklung" vollzogen: "Die Demokratien konsolidieren sich, und sie sind offen für mehr Partizipation, auch von Gruppen und Menschen, die historisch bisher ausgeschlossen waren, wie die Indios, die Afro-Latinos und die extrem Armen." Das gelte auch für Venezuela, wo Bushs Erzfeind Hugo Chavez regiert: "Hugo Chavez erfreut sich breiter Unterstützung in Venezuela, ebenso wie Evo Morales in Bolivien. Beide spiegeln etwas davon wieder, dass das politische System ihrer Länder zuvor von vielen als nicht ausreichend repräsentativ und unfähig empfunden wurde, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen", sagte Shannon dem Tagesspiegel. Die USA hätten im Verhältnis zu den Ländern der Region "keine ideologischen Vorbehalte". "Ob ein Land links ist oder mittig oder rechts, ist nicht wichtig. Ausschlaggebend ist: Ist es demokratisch? Haben wir die gleiche Auffassung von einer funktionierenden Wirtschaft? Und hat das Land überhaupt ein Interesse daran, unser Partner zu sein?" Es gebe keine Konkurrenz zwischen den USA und Venezuela, sehr wohl aber einen Wettbewerb zwischen zwei Herangehensweisen an das Thema Entwicklung. "Unser Weg wird nicht nur von uns, sondern von der Mehrheit der Länder der Region für richtig gehalten", erklärte Shannon. Chavez' Herangehensweise sei ein Rückschritt zur Politik der 60er Jahre: "eine zentralisierte autoritäre politische Herrschaft, eine zentral gelenkte Wirtschaft, ein großer öffentlichen Sektor, wenig Industrie und Dienstleistungen. Das mag in Venezuela, auf Grund einiger Eigenheiten Venezuelas, vor allem der reichen Ölvorkommen, funktionieren. Aber nur wenige Länder der Region teilen diese Eigenheiten." Am Ende werde es so sein, "dass der Wettbewerb nicht ideologisch entschieden wird, sondern durch die Ergebnisse, die er zeitigt - und zwar sehr bald. Und wir sind zuversichtlich, dass unser Ansatz sich als der Erfolg versprechendere erweisen wird, wenn es um soziale und wirtschaftliche Entwicklung geht."
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel