Trümmer, Tränen, Tod
Archivmeldung vom 24.08.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.08.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin lauter Schrei durchbricht das geschäftige Treiben auf dem Plaza Santa Rosa in der peruanischen Stadt Pisco. Verängstigt laufen die Menschen durcheinander, verlassen voller Panik ihre Häuser. Es ist der fünfte Tag nach dem verheerenden Erdbeben an der peruanischen Pazifikküste und noch immer kehrt der Schrecken in Form von erheblichen Nachbeben zurück.
Inmitten von
Trümmern, umgeben von Tränen und Tod, versucht ein fünfköpfiges Team
von humedica seit sechs Tagen medizinische Hilfe zu leisten. Mit
jeder Stunde, die vergeht, an jedem Einsatzort in der Region zeigt
sich aber deutlich, dass die Menschen tiefe Wunden an Körper und
Seele haben.
Es ist zweifelsohne kein gewöhnlicher Einsatz, den das
medizinische Team in Pisco zu bewältigen hat. Gemeinsam mit einer
zehnköpfigen Verstärkung vom lokalen Partner humedicas, dem CVJM
Lima, treffen Dr. Saskia Wortmann (Düsseldorf), Dr. Bernd Domres
(Tübingen), Dr. Michael Hahn (München) und die Apothekerin Christiane
Leppla (Bruchsal) bei ihrer Ankunft eine chaotische Situation an: Die
Infrastruktur in der Region ist nach dem stärksten Beben in Peru seit
mehr als dreißig Jahren zusammen gebrochen. Etwa 80 Prozent der
Gebäude in der 260.000 Einwohner zählenden Stadt weisen starke
Schäden auf, ein Großteil der Häuser ist unbewohnbar. Ungleich
schlimmer aber, als die materiellen Schäden: Nach offiziellen Angaben
verloren 560 Menschen ihr Leben, mehr als 1600 Bewohner der Region
wurden schwer verletzt.
Ausgerüstet mit einem medizinischen Nothilfe-Kit führt der Weg des
Teams am ersten Tag nach San Miguel, einem Armenviertel am Rande von
Pisco. In einer nicht besetzten, sehr kleinen Gesundheitsstation
werden an diesem Tag 124 Patienten versorgt. Neben den typischen
Verletzungen nach einer Katastrophe wie dieser sorgt der starke
Trümmer-Staub überall in der Stadt zusätzlich für Atembeschwerden.
Vor allem Kinder und ältere Menschen leiden unter dieser Belastung.
Ein Umstand, der durch die Tatsache weiter verschärft wird, dass
Tausende Familien bei Temperaturen um 5 Grad Celcius unter freiem
Himmel übernachten müssen - auch der peruanische Winter ist
unangenehm kalt.
Als eine der ersten ausländischen Organisationen erregt das
deutsch-peruanische Einsatzteam die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit
und auch der Medien. "Comercio", die auflagenstärkste peruanische
Tageszeitung, publiziert die Arbeit der Ärzte, im lokalen Radio
Piscos wird regelmäßig auf die Möglichkeit medizinischer Hilfe
hingewiesen, ein mexikanisches Fernsehteam berichtet ausführlich über
das Engagement der humedica-CVJM-Mannschaft und sogar der peruanische
Präsident Alan Garcia bedankt sich in einer Rede für den Einsatz der
deutschen Ärzte.
Der Einsatz führt die Mannschaft am zweiten Tag ins Zentrum der
Stadt. Eine Familie stellt ihr Haus zur Verfügung und auch hier
finden sich mehr als einhundert Patienten, die medizinische Hilfe
benötigen. Die Bandbreite der Beschwerden erhöht sich an diesem Ort
spürbar und verlagert sich zusehends auf die psychologische Ebene.
Ein Problem, das sich mit jedem Nachbeben auf schmerzhafte Weise
verschlimmert.
In Absprache mit dem Bürgermeister Piscos, Juan Mendoza, der durch
das Beben seine Frau sowie seine beiden Kinder verlor und trotz des
unvorstellbaren Verlustes nun die Hilfe für seine Stadt organisiert,
arbeiten die Mediziner vom dritten Tag an auf dem Plaza Santa Rosa.
Eigentlich hätten hier in der Woche des Bebens die Bauarbeiten für
einen großen Supermarkt beginnen sollen - die Katastrophe hat diese
Planungen ad absurdum geführt. Nun erinnert der Platz eher an eine
große, stinkende, vor allem aber staubige Müllhalde, umgeben von
unzähligen Ruinen der zerstörten Häuser. Bereits kurz nach der
Ankunft bildet sich eine lange Schlange. Wieder warten die Menschen
auf konkrete Hilfe, ein offenes Ohr und Zuspruch. Das Trauma dieses
Bebens hat tiefe Spuren hinterlassen. Mehr als zweihundert Patienten
behandelt das Team hier an einem Tag.
Der Plaza Santa Rosa wird Ausgangspunkt weiterer Hilfe von
humedica sein. Geplant ist, neben medizinisch-psychologischer
Betreuung, auch die Verteilung von Trinkwasser sowie von
Wasserentkeimungsabletten. Bei den Behandlungen zeigt sich immer
häufiger, dass die Menschen in ihrer Not auf unsauberes Wasser
zurückgreifen. Insbesondere Durchfallerkrankungen sind ein deutliches
Indiz für diese bittere Konsequenz des Bebens. Und leider ist zu
befürchten, dass sich dieses Problem weiter verschärfen wird. In
einem Meeting im Krankenhaus Piscos weisen die Verantwortlichen
ausdrücklich auf diesen Umstand hin und bitten dringend um Hilfe.
Parallel zum Einsatz des humedica-Teams auf dem Plaza Santa Rosa
arbeitet Professor Dr. Bernd Domres gemeinsam mit Gustavo, seinem
Übersetzer, für zwei Tage in diesem Hospital. Der erfahrende Chirurg
wird dringend gebraucht und behandelt ununterbrochen.
Zur Fortsetzung der Hilfsamaßnahmen bittet humedica dringend um weitere, finanzielle Unterstützung. Spenden können unter dem Stichwort "Erdbeben Peru" auf das Sonderkonto 4747 bei der Sparkasse Kaufbeuren, BLZ 734 500 00, überwiesen werden.
Quelle: Pressemitteilung humedica e.V.