Rettungsdienste und Notaufnahmen in Deutschland am Limit – der Grund ist nicht Corona
Archivmeldung vom 17.08.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićVon Politik und breiter Öffentlichkeit unbemerkt, vollzieht sich in Berlin dieser Tage eben jene Überlastung des Gesundheitssystems, die man während Corona zwei Jahre lang fälschlicherweise an die Wand malt und noch immer als Vorwand für die Wiederaufnahme der Beschränkungen ab Herbst nimmt: Die Notambulanzen sind am Limit und können kaum noch Leben retten und Patienten aufnahmen. Dies berichtet das Magazin "Wochenblick.at".
Weiter berichtet das Magazin: "Der Grund dafür ist allerdings kein Virus, sondern Fachkräftemangel. Vermutlich schert sich die Gesundheitspolitik deswegen nicht weiter darum…
Wie der „Tagesspiegel” berichtet, sind etwa ein Viertel der 38 Berliner Rettungsdienste dermaßen überlastet, dass sie sich im Lauf des Tages abmelden, und damit keine oder bestenfalls wenige Patienten aufnehmen. Dies gilt vor allem für Notaufnahmen in den Stadtteilen Mitte, Neukölln und im Nordwesten. Dieser Zustand hält seit Wochen an.
Der Grund: Es herrscht akuter Personalmangel, viele Mitarbeiter sind durch Bagatellfälle zermürbt, die auch von niedergelassenen Ärzten behandelt werden könnten, vor allem herrscht eine massive Unterfinanzierung. Letzten Monat verkündete Innensenatorin Iris Spranger (SPD) die Einsetzung einer vierköpfigen Steuerungsgruppe, die „noch einmal jeden Stein“ umdrehe, um die erforderlichen strukturellen Veränderungen des Rettungsdienstes einzuleiten. Damit dennoch die die medizinische Notfallversorgung der Menschen gesichert bleibe, sei man auch mit der Senatsgesundheitsverwaltung, den Gewerkschaften und dem Feuerwehrpersonalrat im Gespräch.
Desolater Zustand der Rettungsstellen
Bisher hat sich jedoch noch nichts an dem, wie es in einem Schreiben des Betriebsrats des Krankenhaus-Betreibers Vivantes heißt, „desolaten Zustand der Rettungsstellen“ geändert. Es gebe „Kündigungswellen, Krankmeldungen, nicht hinnehmbare Pausen und andere Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz.“ Die Frage, ob es möglich sei, dass jemand in der Schlage zur Anmeldung bei der Notaufnahme an einem Herzinfarkt kollabiere, wird in dem Schreiben mit einem eindeutigen „Ja“ beantwortet.
Ein leitender Rettungsstellenbeschäftigter erklärte, viele Patienten, müssten „bis zu sechs Stunden“ auf eine Behandlung warten. Die Vivantes-Geschäftsführung verschleppe das Problem jedoch. Das Unternehmen verweist dagegen auf die mangelnde Finanzierung der Rettungsstellen durch das derzeitige Fallpauschalen-System (DRG). Man unterstütze eine bedarfsorientierte Krankenhausfinanzierung, das Problem könne jedoch nur auf Bundesebene gelöst werden.
Extreme Belastung für Stellenbewerber abschreckend
Thomas Werner, der Klinikexperte der Berliner Ärztekammer, sagte, es dürfe „kein Normalzustand“ werden, dass Notaufnahmen sich fast täglich abmelden müssten. Er forderte den Senat auf, Konzepte zur besseren Organisation der ambulanten Notfallversorgung zu entwickeln. Die extreme Belastung in den Rettungsstellen wirkt auf viele potentielle Bewerber abschreckend. Zugleich suchen Pflegekräfte, Medizinische Fachangestellte (MFA) und Ärzte zunehmend Zuflucht in Kliniken ohne Rettungsstelle.
Fast alle Krankenhäuser suchen dringend Personal, die Arbeit in Rettungsstellen gilt als besonders belastend – zumal für diese Abteilungen von den Krankenkassen nur geringe Pauschalen gezahlt werden. Nach Tagesspiegel-Informationen bewerben sich Pflegekräfte, Medizinische Fachangestellte (MFA) und Ärzte verstärkt aus den Notaufnahmen weg, um in Kliniken ohne Rettungsstelle zu arbeiten.
Die Überlastung der Notaufnahmen ist jedoch keineswegs auf Berlin beschränkt. Bereits im April wiesen Beschäftigte von Notaufnahmen in einer Petition auf ihre katastrophalen Arbeitsbedingungen und die daraus entstehenden Gefahren für Patienten hin. „Menschen stehen vor der Anmeldung zur Notaufnahme Schlange, Rettungsdienstmitarbeitende warten auf die Übernahme ihrer Patient*innen, das Schockraumtelefon klingelt, Pflegekräfte hetzen durch die Gegend, um neu ankommende Notfälle zu versorgen, Gipse anzulegen und lebensrettende Sofortmaßnahmen einzuleiten.”
Regelrechte Triage-Situationen – und keinen juckt es
Und weiter heißt es da: „Der komplette Flur ist voller Tragen mit schlafenden, weinenden, wütenden, schmerzgeplagten oder verwirrten Menschen, weil die Behandlungsräume nicht ausreichen. „Eine Schicht mit – wenn es schlecht läuft – 60 Patient*innen, aber nur 4 Pflegekräften. Leider bleiben die Grundbedürfnisse der bereits seit Stunden wartenden Patient*innen auf der Strecke, denn die Triage, also Ersteinschätzung der neu- eintreffenden Notfallpatient*innen hat Vorrang. Die Notfallversorgung bröckelt an allen Ecken und Enden, den Mitarbeitenden der Notaufnahmen bleibt aktuell kein Ausweg als diese ruinösen Zustände aufzufangen“, so der O-Ton des Aufrufs.
Diese unhaltbaren Zustände – die, wären sie auf Corona („an und mit“) zurückzuführen, wohl sogleich zu neuen Lockdowns führen würden, interessiert die Politik erstaunlich wenig. Vielleicht deshalb, weil sie durch die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht noch zusätzlich verschärft wurden. Dabei wäre hier eine verantwortungsbewusste, dem Patientenwohl verpflichte Gesundheitspolitik dringend gefordert. Anstatt sich dieser komplizierten Mammutaufgabe zu stellen, verschlimmert Gesundheitsminister Karl Lauterbach sie mit seiner permanenten Corona-Hysterie jedoch noch. Er beschränkt sich auf öffentliche Auftritte als Warner vor nicht existierenden Katastrophen und verhindert dadurch die überfällige Grundsatzreform des deutschen Gesundheitssystems. Damit bringt er mehr Leben in Gefahr als seine imaginären Corona-„Killer-Varianten.“
Quelle: Wochenblick