Quidditch: eine Sportart, von der man nichts geahnt hat
Archivmeldung vom 03.05.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWeltweit werden mittlerweile Quidditch-Meisterschaft ausgetragen. Das Spiel wurde von der britischen Schriftstellerin Joanne Rowling in ihren Harry-Potter-Büchern beschrieben. Die Helden dieser Bücher sind Zauberer, und ihr Sport ist ebenfalls zauberhaft: Die Spieler fliegen auf Besen, wobei mehrere Bälle in der Halle ohne Hilfe der Spieler herumfliegen. Bevor die Meisterschaften begannen sprach Nadeschda Wassiljewa mit Valentina Kanuchina, Spielerin der Mannschaft „Grodsinskije Gobliny“, die erklärte wie diese neue Sportart funktioniert.
Kanuchina schreibt in ihrem Beitrag: "Russlands Verehrer von Joanne Rowling haben es nicht gelernt, auf Besen zu fliegen. Doch um Quidditch in Russland zu spielen, braucht man kein Zauberer zu sein. Die Regeln für das Zauberspiel sind für die russischen Realien erfolgreich angepasst worden. So erfolgreich, dass sich hunderte Menschen bereits seit vielen Jahren versammeln, um zu spielen oder für ihre Lieblingsmannschaft die Daumen zu drücken; dass man neue Mannschaften bildet, Trainings organisiert und regelmäßig Meisterschaften austrägt. Laut Angaben, die wir dem Portal quidditch.ru entnommen haben, werden die Meisterschaften in unserem Lande seit 2006 zweimal im Jahr veranstaltet. Gewöhnlich werden sie bei Moskau oder St. Petersburg ausgetragen, weil die meisten Spieler von dort kommen.
Vor den Aprilmeisterschaft sagte Valentina Kanuchina, sechsmalig beste Treiberin, Spielerin der Mannschaft „Grodsinskije Gobliny“ (Goblins von Grodsin) bei Radio "Stimme Russlands": "„Es wird geplant, dass sieben Mannschaften antreten werden. Alle diese Mannschaften stammen aus St. Petersburg und Moskau. Im europäischen Russland gibt es jetzt keine weiteren Mannschaften. Es gibt drei oder vier Mannschaften aus dem Ural, aber diese Mannschaften nehmen an den nationalen Meisterschaften nicht teil. Einmal, im vorigen Sommer, wurde ein gewisses zusammengefasstes Spiel der Europäischen Region gegen den Uraler veranstaltet.“
Wie sieht denn der „Zaubersport“ ohne Zauberei aus? Was ist von den originellen Spielregeln erhalten geblieben? In erster Linie wären es gleich drei Bälle auf dem Spielfeld. Einer davon soll von einem der Spieler, einem Jäger, ins Tor befördert werden. Zwei weitere Bälle braucht man, um die Rivalen für eine Zeitlang außer Spiel zu setzen. Damit beschäftigen sich die so genannten Treiber. Dem Original entspricht auch die Zahl der Spieler in einer Mannschaft, nämlich sieben. Von vielen traditionellen Sportarten unterscheidet sich Quidditch durch die gemischte Zusammensetzung der Mannschaften. Dabei darf eine Mannschaft vollständig weiblich sein, vollständig männlich sein darf sie jedoch nicht. Ursprünglich sollte diese Regel Mädchen dazu motivieren, Quidditch zu spielen, denn es war ein ernst zu nehmendes Übergewicht von männlichen Spielern zu beobachten. Heute spiele eine Jägerin beim Aufbau der Spieltaktik eine bedeutende Rolle, meint Valentina Kanuchina:
„Der Jägerin fällt eine besondere Rolle zu, die Jägerinnen spielen etwas anders, nicht so wie die Jäger: Es gibt taktische Winkelzüge, bei denen gerade Jägerinnen zum Einsatz kommen. Am häufigsten ist eine Jägerin ein gewisses Pufferelement für die unbemerkbare Ballübergabe, für ein Ballzuspiel. Tore schießen am häufigsten die Jungs.“
Besonders wichtig ist in einer Quidditchmannschaft der Sucher (seeker): Er hat den kleinsten Ball, den so genannten Goldenen Schnatz (snitch) zu verfolgen und zu fangen. Das Schnatz-Fangen bringt der jeweiligen Mannschaft eine enorme Punktzahl und als Folge auch den augenblicklichen Sieg. Harry Potter, der Hauptheld der Bücher von Joanne Rowling, ist eben der Sucher in seiner Mannschaft gewesen.
Es gibt eine Vielzahl von Regeln, von den empfohlenen Abmessungen für das Spielfeld und die Tore bis zu der ausführlichen Beschreibung von Strafen bei Verstößen und genaue Vorschriften für den Schiedsrichter. Quidditch hat nun alle traditionellen Attribute eines Mannschaftssportes aufzuweisen. Es gibt Mannschaften mit ihrer eigenen Symbolik und ihren Fans und Meisterschaften, die regelmäßig ausgetragen werden.
Jedoch wäre es unweitsichtig gewesen, einen engen Zusammenhang zwischen dem „Zaubersport“ und der russischen LARPG-Kultur (Live Action Role-Playing Game) zu leugnen. Ursprünglich fanden sich in erster Linie Anhänger der Bücher von Joanne Rowling und der Rollenspiele ein, um Quiddich zu spielen. Jedoch mit der Zeit änderte sich die Situation. Quidditch entferne sich immer mehr von der Harry Potters Zeauberwelt und verwandle sich in eine interessante und taktisch reiche Sportart, meint Valentina Kanuchina: „Gegenwärtig ist das bereits mehr ein Sport. Menschen, die für Rowling schwärmen, bilden unter den jetzigen Quidditchspielern weniger als die Hälfte. Ich weiß, dass viele Menschen aus den Rollenspielen zu Quidditch kommen, die nichts von Harry Potter halten. Einige kommen sogar aus dem Leistungssport. Wir hatten einen Fall, da Handballer oder Fußballer, die sich nach einer Trainingseinheit länger aufgehalten haben und uns sahen, nun auf das Spielfeld kamen und begannen, Quidditch zu spielen. Manche von ihnen fanden Gefallen daran, wurden allmählich von dieser Sportart angezogen und spielen jetzt mit.“
Also handelt es sich bei Quidditch nicht etwa um ein Rollenspiel nach den Büchern von Joanne Rowling, sondern in der Tat um eine Sportart. Reiner Sport bedeutet aber gute Stimmung, das Bestreben, stärker und flinker zu sein und die Welt einfach noch ein bisschen besser werden zu lassen. Wie durch eine Zauberformel!"
Quelle: Text Valentina Kanuchina - „Stimme Russlands"