Malteser-Orden: Ritter-Staat und Diplomatenpässe
Archivmeldung vom 10.09.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWie spricht man einen echten Malteser-Ritter und Botschafter eines Ordens an, der als einziger Orden vom Papst in den Stand eines Staates erhoben wurde? "Sagen Sie einfach nur Exzellenz", erklärt Douglas Graf von Saurma-Jeltsch.
Der in Marburg in Hessen geborene Graf gehört einem alten schlesischen Adelsgeschlecht an und ist seit fünf Jahren Botschafter des "Souveränen Ritter- und Hospitalordens vom Heiligen Johannes zu Jerusalem, genannt von Rhodos und von Malta" - kurz Malteserorden - in Litauen. Regierungssitz des Souveränen Malteserordens ist Rom, genauer gesagt der exterritoriale Magistralpalast in der Via Condotti 68 und eine zugehörige Magistralvilla (Villa Malta) auf dem römischen Aventin am Piazza dei Cavalieri di Malta mit 4.000 Quadratmeter Land, die neben der Ordenskirche auch die Botschaften in Italien und beim Heiligen Stuhl beherbergt.
Der Malteserorden ist somit der kleinste Staat der Welt. Wegen seiner politischen Neutralität werden seine Diplomaten in allen Konfliktregionen als Mittler und Vermittler akzeptiert. Ihr Einfluss ist weit größer als ihr öffentlicher Bekanntheitsgrad.
Die Malteser-Ritter haben in Kurdistan vermittelt, mit dem grausamen Pol-Pot-Regime in Kambodscha Sondierungsgespräche geführt und können sich in den Bürgerkriegsgebieten Schwarzafrikas relativ unbehelligt bewegen. Wenn Staaten aus politischen Gründen unmöglich miteinander ins Gespräch kommen können, wie Süd- und Nordkorea oder China und Taiwan, sind die Malteser manchmal der letzte Ausweg.
Der Geschäftsträger der Ordensbotschaft in Havanna habe laut dem amerikanischen Magazin "Foreign Policy" (Außenpolitik) 1988 erklärt, seine Berichte sowohl an den amerikanischen Geheimdienst CIA als auch an den kubanischen Geheimdienst Cuban Intelligence (CI) geliefert zu haben.
Das Gruner + Jahr-Magazin "Wunderwelt Wissen" aus München titelte im Juni 2011 unter anderem mit dem Logo des Malteser-Ordens "Die Geheimagenten des Papstes". Sind Malteser-Ritter mitunter auch Geheimagenten?
"Nein, der Heilige Stuhl unterhält keinen Geheimdienst und keine Geheimagenten - auch wenn mancher das anders sehen mag - und daher sind die Malteser auch nicht die Geheimagenten des Papstes und auch nicht einer anderen Macht", wehrt Malteser-Ritter Dr. Urs Buhlmann (50), Kommunikations-Delegierter der Deutschen Assoziation des Malteserordens, gegenüber dem Finanznachrichtendienst GoMoPa.net ab.
Convent "Ich muss noch einmal sehr deutlich sagen, dass dies nicht für die Vergangenheit stimmt, nicht für die Gegenwart und auch nicht für die Zukunft", stellt der Malteser-Sprecher klar. "Der Malteserorden arbeitet nirgendwo mit verdeckten Mitteln oder womöglich ausserhalb der Legalität, wie man dies für Agenten von Geheimdiensten annehmen darf, hat es aber auch gar nicht nötig, so etwas zu tun, weil er eine ganz einfache, unmittelbar nachvollziehbare Aufgabe hat, die ihn voll in Anspruch nimmt: Unparteiisch und ohne Rücksicht auf die persönliche Zugehörigkeit der Hilfsbedürftigen zu Religionen oder politischen Lagern Hilfe zu leisten.
Anders, als Sie zu vermuten scheinen, verfolgt auch die katholische Kirche, zu der wir gehören, insgesamt keinerlei politische Ambitionen, die sie dazu verleiten könnten, verdeckte Operationen einzusetzen. Ihr Existenzzweck und ihre einzige Aufgabe in dieser Welt ist, die Anwesenheit und die Menschenfreundlichkeit des lebendigen Gottes zu bezeugen; wir, der Malteserorden, sind stolz dabei helfen zu können. Wir sind der Orden, der das Hospital erfand. Der Begriff kommt ja im langen Ordensnamen vor; es ist historisch korrekt, dass aus dem ersten Haus des Ordens in Jerusalem sich das entwickelt hat, was wir heute Krankenhaus nennen, dass aber auch die Hospizbewegung nicht ohne Grund sich auf diese Ur- und Keimzelle des Ordens beruft."
Humanitäre schnelle Eingreiftruppe der katholischen Kirche
Ritter Dr. Buhlmann weiter: "Wir sind lediglich so etwas wie die humanitäre schnelle Eingreiftruppe der katholischen Kirche. Über seine weltweit tätige Auslandsarbeit unter dem Namen Malteser International ist der Orden in der Lage, innerhalb von 24 Stunden überall in Katastrophengebieten unsere Zelte aufzubauen und mit der humanitären Nothilfe zu beginnen. Die Zentrale dafür steht übrigens in Köln.
Da, wo es Ordensbotschaften gibt, können dann zollfrei als Diplomatengepäck Medikamente und sonstige Materialien eingeführt werden. Über die Botschafter haben wir auch einen schnellen und ungehinderten Zugang zur Führungselite eines Landes, kein geringer Vorteil in schwierigen Situationen!
Es ist einige Male in der Vergangenheit vorgekommen, dass wir auf Bitten zweier verfeindeter Parteien oder auch der Völkergemeinschaft Vermittlungsdienste vorgenommen haben, bei denen der Völkerrechts-Status des Ordens und die Tatsache, dass wir grundsätzlich neutral sind, hilfreich waren. Über Einzelheiten kann ich aber nicht Auskunft geben, weil Verschwiegenheit in diesen Dingen sozusagen die Geschäftsgrundlage ist."
Graf von Saurma-Jeltsch ist Betriebswirt und gehört zum geschäftsführenden Vorstand des Malteser Hilfsdienst e.V. Und ist eben auch eine Exzellenz im diplomatischen Dienst. 200 Ritter des Malteserordens gehören zum diplomatischen Corps, sind als einzige Mitglieder des Ordens mit Diplomatenpässen ausgestattet und genießen diplomatische Immunität.
Die Macht der Diplomatie
Graf von Saurma-Jeltsch verhehlt gegenüber GoMoPa.net auch nicht die Macht der Diplomatie: "Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion brauchten die Menschen im Osten Hilfe. In Litauen, Rumänien, Bulgarien und Lettland mussten aber erst lokale Malteserhilfsdienste aufgebaut werden. Ich konnte als Diplomat Türen öffnen. Ich ging zum Verteidigungsminister und zum Sozialminister. Beide sicherten Hilfe zu. Ich ging zum Staatspräsidenten. Der übernahm die Schirmherschaft. Ich initiierte eine große Werbekampagne mit Fernsehsendern. Lokale V.I.P.s verteilten plötzlich Suppe. Arme bekamen Zelte, Kinder Essen. Und das nicht nur einmalig, sondern das ganze Jahr über. Aber man darf nicht nachlassen. Im September kommt unser Staatsoberhaupt, Seine Hoheit und Eminenz, der Fürst und Großmeister Fra Matthew Festing, zu Besuch nach Litauen. Das wird einiges mehr in Litauen bewegen."
Convent Der Brite und Regierungschef auf Lebenszeit Fra Matthew ist ein Nachfahre des seliggesprochenen Ordensritters Adrian Fortescue, der 1539 im Tower von London wegen angeblichen Hochverrats auf Befehl Heinrich VIII. geköpft wurde. Großmeister Festing und eine Tafel von zehn Rittern, meist aus dem obersten Ritterstand, den so genannten Professrittern, die sich mit Leib und Gut dem Orden verschrieben haben und das Dreifachgelübte Keuschheit, Armut und Gehorsam gegenüber dem Orden abgelegt haben, stellen die Regierung des Souveränen Malteser Ritterordens in Rom.
Deutsche Assoziation ist eine Wirtschaftsmacht
Von diesen Professrittern gibt es weltweit 60. Zum Orden gehören 12.500 Malteser, die weltweit verstreut in 57 souveränen Ordensgliederungen leben. Die deutsche Assoziation hat 600 Mitglieder (Frauen und Männer) und sitzt in Köln. Die einfachen Malteser gehen bürgerlichen Berufen nach und sind meist ehrenamtlich im Orden tätig. Der Orden lebt von Spenden, wie in den USA, oder ist, wie in Deutschland, zusätzlich auch wirtschaftlich wie ein Großunternehmen aufgestellt. In Deutschland unterhält der Orden Krankenhäuser und rechnet mit den Krankenkassen ab. Die Firmen der deutschen Assoziation beschäftigen 15.000 Angestellte. 45.000 Menschen engagieren sich in Deutschland ehrenamtlich bei den Maltesern.
Ritter Dr. Buhlmann: "Die Deutsche Assoziation des Malteserordens - 1993 aus zwei Vorgängerinstitutionen gebildet - ist die Ordensgliederung des Malteserordens für Deutschland. Weil dieser Orden aber nicht um seiner selbst willen existiert, ist sie zugleich Träger der Aktivitäten des Ordens, die heute dieselben sind wie bei der Gründung des Ordens in der Mitte des 12. Jahrhunderts in Jerusalem: Der Wahlspruch des Ordens fasst sie zusammen, tuitio fidei et obsequium pauperum, also Wahrung des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen.
Das wichtigste Ordenswerk bei uns ist wohl der Malteser-Hilfsdienst, einer der grossen nationalen Hilfsorganisationen. Er betreibt Rettungsstationen in allen Bundesländern, bildet in Erster Hilfe aus, ist im Behindertenfahrdienst und bei Essen auf Rädern aktiv, hilft bei Katastrophen im Ausland, engagiert sich beim Hausnotruf und in der Hospizarbeit et cetera, et cetera.
Der Malteserorden steht auch hinter den Krankenhäusern und sonstigen stationären Einrichtungen der Malteser in Deutschland (Altenheime, Erstaufnahme-Einrichtungen für Asylbewerber, spezielle Häuser für psychisch-kranke Menschen); in Meerbusch bei Düsseldorf betreibt er sogar ein Gymnasium. Für die Mitglieder der Deutschen Assoziation gibt es geistliche-theologische Angebote zur Weiterbildung."
Convent Der Souveräne Malteser Ritterorden in Rom unterhält zu 104 Staaten diplomatische Beziehungen und genießt bei den Vereinten Nationen Beobachterstatus, vergleichbar der Schweiz und dem Vatikan. Der Orden ist auch im Europarat und in der Europäischen Kommission repräsentiert. Beim päpstlichen diplomatischen Bankett im Vatikan folgt der Vertreter des Malteserordens augenblicklich im Protokoll auf den Botschafter Montenegros. Die Reihenfolge ändert sich ständig, je nach Eingang des Beglaubigungsschreibens eines neuen Botschafters. Geht der Botschafter von Montenegro rückt sein Nachfolger an den Schluss des Corps. Auf diese Weise kann der Botschafter des Malteser-Ordens sogar, wenn er entsprechend lange bleibt, Doyen des Diplomatischen Corps beim Heiligen Stuhl werden.
In Berlin nur ein Offizieller Delegierter
Deutschland unterhält zum Malteserorden keine vollen diplomatischen Beziehungen, sondern wie fünf weitere Staaten auch, offizielle Beziehungen. Der Grund besteht darin, dass der Malteserorden mit der Besetzung von Malta durch Napoleon im Jahre 1798 sein Staatsgebiet mit Staatsvolk verloren hat und somit kein Vollstaat mehr ist. Dennoch hat der Malteserorden auch einen Botschafter in Berlin: den polnischen Malteser Maciej Baron Heydel (47), einen adligen Unternehmensberater und einstiger Vizefinanzminister Polens.
Nur lautet sein Titel nicht Botschafter, sondern Offizieller Delegierter. Er ist aber dennoch Angehöriger des Diplomatischen Corps in Berlin, hat dort einen Dienstsitz und ist für die Pflege der Ordensbeziehungen zur deutschen Bundesregierung zuständig. "Die Beziehungen zur Bundesrepublik sind so harmonisch und erfreulich, wie sie nur sein könnten", schätzt Malteser-Ordens-Sprecher Dr. Buhlmann ein. "Wir sind über Malteser International ein wichtiger Partner bei der Entwicklungs- und Katastrophenhilfe des Auswärtigen Amtes. Angesichts der sehr freundlichen Beziehung zu Deutschland macht es für uns in der Praxis keinen grossen Unterschied, ob die Beziehungen diplomatisch oder offiziell sind, wobei wir aber natürlich jederzeit zur Aufwertung bereit sind."
Quelle: Goldman Morgenstern & Partners Llc (GoMoPa) / Siegfried Siewert