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Die soziale Kluft an Berliner Schulen bleibt groß

Archivmeldung vom 20.05.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.05.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: Gerd Altmann/ erstellt in:wordle.net / pixelio.de
Bild: Gerd Altmann/ erstellt in:wordle.net / pixelio.de

Berliner Schulen bleiben trotz weitreichender Reformen sozial gespalten. Das zeigt eine neue Studie von WZB-Forscher Marcel Helbig und Rita Nikolai (Humboldt-Universität) zur Entwicklung der sozialen Zusammensetzung der Schülerschaft. Die Bildungsforscher haben untersucht, wie sich seit 2010 der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Lernmittelbefreiung – ein Indikator für Einkommensarmut der Eltern – an den verschiedenen Schulformen verändert hat.

Ihr Fazit: Das Einkommen der Eltern entscheidet immer noch darüber, an welchem Sekundarschultyp ein Kind lernt. So besuchen Schülerinnen und Schüler aus höheren sozialen Schichten eher ein Gymnasium. Kinder aus einkommensschwachen Elternhäusern verbleiben dagegen mehrheitlich an den Integrierten Sekundarschulen.

Die Berliner Schulstrukturreform von 2010/11 sollte die Abhängigkeit des Schulbesuchs von der sozialen Herkunft der Kinder verringern. Dafür wurden Haupt-, Real- und Gesamtschulen abgeschafft und zu Integrierten Sekundarschulen (ISS) zusammengelegt. Dieses Ziel wurde nach Erkenntnissen der beiden Bildungsforscher verfehlt. So lag der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Lernmittelbefreiung an den Gymnasien im Schuljahr 2015/16 lediglich bei 17 Prozent, an allen integrierten Schulformen dagegen bei rund 42 Prozent. Ein soziales Gefälle besteht außerdem zwischen öffentlichen und privaten Schulen.

Aber auch Sekundarschulen gleichen Typs unterscheiden sich in der sozialen Zusammensetzung ihrer Schülerschaft deutlich voneinander.

Integrierte Sekundarschulen mit oder ohne eigene gymnasiale Oberstufe

An den Integrierten Sekundarschulen entscheidet das Vorhandensein einer eigenen gymnasialen Oberstufe über den Anteil einkommensschwacher Schülerinnen und Schüler. So lernen an Schulen mit eigener gymnasialer Oberstufe deutlich weniger Kinder mit Lernmittelbefreiung. Ihr Anteil lag dort im Schuljahr 2015/16 bei 33 Prozent, an Schulen ohne eigene gymnasiale Oberstufe dagegen bei 52 Prozent. Integrierte Sekundarschulen, die mindestens aus einer Hauptschule hervorgegangen sind, kamen auf einen Wert von 57 Prozent.

Gymnasien: grundständig oder nicht

Obwohl Gymnasien unter allen öffentlichen Schulen den geringsten Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Lernmittelbefreiung aufweisen (17 Prozent), variiert auch hier die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft. Grundständige Gymnasien werden seltener von Schülerinnen und Schülern mit Lernmittelbefreiung gewählt (2015/16: 13 Prozent) als Gymnasien, die erst mit Klasse 7 beginnen (21 Prozent).

Privat oder öffentlich

Sozial spaltet sich das Berliner Schulsystem in ein privates und öffentliches System. An den öffentlichen Integrierten Sekundarschulen lernen viereinhalb- bis sechsmal so viele Schüler mit Lernmittelbefreiung wie an den privaten, an öffentlichen grundständigen Gymnasien achtmal so viele wie am privaten Pendant.

Soziale Spaltung schon in der Grundschule

Überraschend ist der Befund, dass schon an den Grundschulen sozial besser- und schlechtergestellte Kinder weitgehend unter sich bleiben. Die soziale Spaltung bewegt sich hier auf einem ähnlich hohen Niveau wie an den Sekundarschulen. Für die Studie haben die Forscher den sogenannten Segregationsindex berechnet. Dieser zeigt das Ausmaß der sozialen Spaltung. Für die Drittklässler in Berlin liegt er seit knapp einem Jahrzehnt fast unverändert bei 50. Konkret heißt das: Jeder zweite Drittklässler mit Lernmittelbefreiung müsste eine andere Grundschule besuchen, um diese Schüler auf alle Grundschulen der Stadt gleich zu verteilen. Diesen Befund führen die Forscher vor allem auf die Sozialstruktur der Stadt zurück.

Die Studie untersucht erstmals die Auswirkungen der Schulstrukturveränderungen auf die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft. Die Forscher nutzten Daten der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie zur Anzahl von Schülerinnen und Schülern mit Lernmittelbefreiung an allen Berliner Schulen für die Schuljahre 2007/8 bis 2016/17. Die Lernmittelbefreiung gilt als Indikator für Einkommensarmut. Sie ist bisher die einzige Datenquelle, mit deren Hilfe die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft für einzelne Schulen abgebildet werden kann.

Quelle: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH (idw)

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