Offenheit gegenüber Einwanderern wächst
Archivmeldung vom 07.03.2015
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie zuwanderungskritischen Demonstrationen haben im Ausland kein sympathisches Bild von Deutschland transportiert, sagte kürzlich der Bundesaußenminister. Dabei wächst hierzulande die Willkommenskultur, wie eine repräsentative Umfrage belegt. Allerdings nicht überall: Im Osten gibt es gegenläufige Tendenzen.
Die Deutschen gewöhnen sich an den Gedanken, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Umfrage von TNS Emnid im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Sechs von zehn Befragten sagen, Einwanderer werden vor Ort freundlich empfangen. 2012 meinte das nur die Hälfte der Bevölkerung. In ihrer Wahrnehmung wächst demnach die Willkommenskultur im Land. Einheimische begegnen Einwanderern zunehmend auf Augenhöhe. Allerdings sind die Menschen in Deutschland noch immer zwiegespalten in der Frage, ob Einwanderung eher nutzt oder eher schadet. Und in Ostdeutschland ist die Tendenz gegenläufig zum Bundestrend: Dort steigt die Skepsis gegenüber Einwanderern.
Den Eindruck eines offeneren Deutschlands teilen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Nach Ansicht von 68 Prozent der befragten Migranten werden Einwanderer von staatlichen Stellen willkommen geheißen. Drei Jahre zuvor sagten das lediglich 57 Prozent. Menschen ohne Migrationshintergrund sagen zu 73 Prozent, dass die Behörden eine Kultur des Willkommens gegenüber Einwanderern entwickelt haben (2012: 66 Prozent).
Gestiegene Erwartungen an den Willen zur Integration
"Das Einwanderungsland Deutschland gewinnt an Reife. Ein gegenseitiges Nehmen und Geben gilt als Voraussetzung für erfolgreiche Integration", sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Ein Indiz dafür seien die höheren Ansprüche der Bevölkerung in Deutschland sowohl an die Bereitschaft der Einwanderer, sich zu integrieren als auch an die eigene Willkommenskultur.
So sagen einerseits nahezu alle Befragten (97 Prozent), Einwanderer sollten sich um ein gutes Zusammenleben mit Deutschen bemühen (2012: 88 Prozent) sollten. 80 Prozent wünschen mehr soziales Engagement der Einwanderer (2012: 72). Drei von vier Befragten erwarten von Einwanderern, sich an die deutsche Kultur anzupassen (2012: 73). Zugleich wünschen sich 80 Prozent, dass Einwanderer mehr von ihrer eigenen Kultur vermitteln (2012: 69).
Andererseits sieht die Bevölkerung Handlungsbedarf, die Willkommenskultur auszubauen. Damit Deutschland für Einwanderer attraktiv ist, sprechen sich 82 Prozent für spezielle Hilfen beim Arbeitsamt aus (2012: 68 Prozent). 76 Prozent sind für leichtere Anerkennung der im Ausland erworbenen Schul- und Berufsabschlüsse (2012: 69). 62 Prozent befürworten, dass dauerhafter Aufenthalt ermöglicht werden sollte (2012: 55). 56 Prozent meinen, Deutschland sollte die Einbürgerung erleichtern (2012: 44), und 54 Prozent meinen, die Benachteiligung von Einwanderern solle durch Gesetze bekämpft werden (2012: 47).
Gleichwohl sind die Menschen in Deutschland in ihrer grundsätzlichen Haltung zum Nutzen von Einwanderung nach wie vor hin- und hergerissen. Zwar sehen sie klare Vorteile: für die Ansiedlung internationaler Firmen (68 Prozent), für ein interessanteres Leben in Deutschland (67) und für die demographische Entwicklung (60). Zugleich jedoch verbinden deutliche Mehrheiten Einwanderung mit Problemen in Schulen (61) und Belastungen des Sozialstaats (64). 63 Prozent sehen generell Konfliktpotenzial zwischen Einwanderern und Einheimischen.
Im Osten wächst die Skepsis gegenüber Einwanderung
Diese Skepsis ist in Ostdeutschland höher als im Westen: ob Schulprobleme (Ost: 64 Prozent, West: 61 Prozent), vermeintliche Belastung des Sozialstaats (69:63) oder Konfliktpotenzial (73:61). Während in Westdeutschland lediglich ein Drittel der Befragten glaubt, Einwanderer seien in Deutschland in der Bevölkerung nicht willkommen, glaubt das im Osten fast jeder Zweite (47 Prozent). Der Vergleich zu 2012 bei dieser Frage zeige nach Ansicht der Meinungsforscher von TNS Emnid, dass sich die beiden Landesteile in der Zwischenzeit in gegensätzliche Richtungen entwickelt haben. "Die unterschiedlichen Teilnehmerzahlen bei zuwanderungskritischen Demonstrationen sind sichtbarer Ausdruck gegenläufiger gesellschaftlicher Tiefenströmungen in Ost und West", sagte Dräger.
Dabei leben gerade in den ostdeutschen Bundesländern erheblich weniger Migranten als im Westen. Außerdem wird der Osten wegen des demographischen Wandels besonders stark auf Zuwanderung angewiesen sein. Die Auswirkungen des demographischen Wandels jedoch werden in der Bevölkerung insgesamt unterschätzt. So glaubt mehr als jeder Vierte (28 Prozent), Deutschland werde in den kommenden Jahrzehnten ohne Einwanderer gar nicht oder um maximal eine Million Menschen schrumpfen.
Demgegenüber prognostiziert das Statistische Bundesamt bis 2060 ohne Zuwanderung einen Rückgang der Bevölkerung um über 20 Millionen Menschen. Entsprechend uneinig ist die Bevölkerung darüber, mit welchen Strategien eine älter werdende Gesellschaft einem drohenden Fachkräftemangel begegnen soll. 34 Prozent meinen, Deutschland solle mehr Fachkräfte aus dem Ausland holen. Jeder fünfte Befragte (22 Prozent) ist hingegen der Ansicht, es gebe gar keinen Mangel an Fachkräften.
Quelle: Bertelsmann Stiftung (idw)