Atomwende auch in den Medien?
Archivmeldung vom 05.07.2012
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.07.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Reaktorunglück in Fukushima im März 2011 führte in Deutschland zu einem Kurswechsel in der Atompolitik. Ein Jahr nach dem Beschluss des Deutschen Bundestages zur Abschaltung aller deutschen Atomkraftwerke bis 2022 veröffentlicht die blätterwald GmbH eine Inhaltsanalyse über Presseberichte, die zum Thema Atomenergie vor, während und nach Fukushima entstanden sind. Im Zentrum der Studie „Die deutsche Atomwende in den Medien“ steht die Frage, ob sich die Berichterstattung nach dem Atomausstiegsbeschluss der Bundesregierung gewandelt hat und ob die regenerativen Energien davon profitieren konnten.
Für die Inhaltsanalyse bildete blätterwald ein Mediensample aus fünf auflagenstarken und meinungsbildenden Tageszeitungen: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung, taz und Bild. Analysiert wurden insgesamt 1.150 Meldungen zum Thema Atomenergie und regenerative Energien (als Mittel zur Strom- und Wärmegewinnung) aus den Ressorts Politik, Wirtschaft und Feuilleton. In die Analyse ging die Berichterstattung aus insgesamt neun Wochen ein – jeweils drei Wochen der relevanten Ereignisse Bundestagsentscheidung zur Laufzeitenverlängerung (Herbst 2010), Reaktorunglück Fukushima (Frühjahr 2011) und Bundestagsentscheidung zum Atomausstieg (Sommer 2011).
Allgemein kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Presse auf das Atomunglück im japanischen Fukushima im Einklang mit der Bundesregierung reagierte und die Gefahren von Atomenergie fortan neu bewertete. Atomkraftwerke wurden als deutlich gefährlicher eingeschätzt als zuvor – in jedem zweiten Artikel wurden Risiken und Nachteile von Atomenergie genannt, das sind zehn Prozent mehr als vor Fukushima. Als größtes Risiko durch Atomkraft wurden in jedem dritten Artikel Atomunfälle benannt, dreimal häufiger als in der der Zeit vor dem GAU.
Als Ursache für Risiken der Atomenergie wird am häufigsten Fukushima selbst und am zweit häufigsten Naturgewalten gesehen, die in jedem zehnten Artikel als Grund für die Gefährlichkeit von Kernkraftwerken aufgezählt wurden, vor dem Unglück in Japan galt dies nur für jeden hundertsten Artikel. Terroranschlage werden nur in zwei Prozent der Meldungen als Gefahr angesprochen. Eine direkte Handlungsempfehlung „Abschalten!“ wurde nach Fukushima in jedem dritten Beitrag erwähnt und damit doppelt so häufig wie vor dem Reaktorunglück.
Die Auswertung der Meldungen nach Medium zeigt, dass Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung und taz ihrer regierungsskeptischen Haltung im Wesentlichen auch nach dem Atomausstieg durch die Bundesregierung treu blieben. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung positionierte sich dagegen nach Fukushima etwas atomkritischer als zuvor. So war vor Fukushima nur in jedem fünften Artikel der Stichprobe von Risiken der Atomenergie zu lesen, danach schon in jedem zweiten Beitrag.
Die regenerativen Energien konnten publizistisch nicht von der Debatte um den Atomausstieg profitieren. So ist etwa die Handlungsempfehlung „regenerative Energie ausbauen“ nach Fukushima sogar weniger häufig zu lesen als vorher. Auch die deutschen Akteure der regenerativen Energiebranche werden nach dem GAU in Japan weniger erwähnt als zuvor – statt in 17% sind sie nur noch in 5% der Beiträge genannt.
Quelle: blätterwald GmbH