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Kritische Richter und Staatsanwälte: Meinungsfreiheit – ein Grundrecht in Gefahr

Freigeschaltet am 20.11.2024 um 13:47 durch Sanjo Babić
Bild: KRiStA / Eigenes Werk
Bild: KRiStA / Eigenes Werk

„Freiheit stirbt zentimeterweise.“ Die Meinungsfreiheit sei nicht erst bedroht, wenn Politiker ihre Abschaffung zum Programm machen würden. So führte Matthias Guericke vom Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte n.e.V. (KRiStA) am Samstag in das diesjährige Symposium zu dem Titel „Meinungsfreiheit – ein Grundrecht in Gefahr“ ein, zu dem über 350 Teilnehmer in den Volkspark Halle (Saale) kamen.

Die vier Referenten pflichteten dem Veranstalter insofern bei und beleuchteten in ihren Vorträgen und der anschließenden, von KRiStA durch den Sprecher Thomas-Michael Seibert moderierten Podiumsdiskussion die Gefahren, denen die Meinungsfreiheit aktuell ausgesetzt ist – aus verschiedenen Perspektiven.

Der Verfassungsrechtler Rupert Scholz betonte mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Meinungsfreiheit zu den herausragenden Menschenrechten unserer Verfassung zählt. Es sei jede Meinung geschützt, so auch das Unwerturteil und auch die Ablehnung des Staates. Er mahnte an, dass der Staat selbst meinungspolitische Neutralität zu wahren habe. Ihm komme kein pädagogisches Mandat zu, die Bürger zu bevormunden oder zu erziehen. Er kritisierte etwa, dass es sich bei den sogenannten „Trusted Flaggers“ um einen staatlich vermittelten, lizensierten Einstieg in ein Zensursystem handele.

Die andere Seite – diejenige der Bürger – beleuchtete die Rechtsphilosophin und Strafrechtlerin Katrin Gierhake zum Eingang ihres Vortrages „Mündigkeit, Publizität und das Strafrecht“. Sie bestimmte, Kant folgend, den Prozess des Selbstdenkens als ureigene, jedem aufgegebene und auch mögliche sprachliche Anstrengung. „Wir selbst sind es, die sich aus der Unmündigkeit herauswickeln müssen.“ Eine gut verwaltete Unmündigkeit benötige kaum Zwang und Gewalt. Solchen Zwang – in Form des „schärfsten Schwertes“ des Staates, des Strafrechts – gebe es gleichwohl. In den letzten Jahren seien mehrere Äußerungsdelikte neu eingeführt worden, bei denen eine politisch gefärbte Anwendung oder Nichtanwendung möglich sei. Äußerungsdelikte würden den Bereich der Meinungs- und Pressefreiheit empfindlich treffen, weil es hierdurch Unsagbares gebe. Zudem kritisierte Gierhake Geheimhaltungen und Schwärzungen behördlicher Dokumente als ein klares Indiz für inhaltliches Unrecht.

Der Propaganda-Forscher Jonas Tögel widmete sich in seinem Vortrag den Gefahren, denen Menschen bereits im Rahmen der Meinungsbildung durch aktuelle Ausformungen von Propaganda (Soft-Power-Techniken) ausgesetzt sind. Durch ausgefeilte Techniken kognitiver Manipulation werde intensiv darum gekämpft, was jeder Einzelne denke und fühle. So könnten etwa allein durch die Sprachwahl Dinge sichtbar oder unsichtbar gemacht werden. Künstliche Intelligenz ermögliche bereits jetzt die Erstellung vollautomatisierter Botschaften, die auf jeden einzelnen Menschen zugeschnitten seien. Er resümierte: „Dann haben Sie am Ende Meinungsfreiheit, aber der Prozess, wie Sie zu Ihrer Meinung gelangen, ist extrem vergiftet.“ Um dieses Problem zu lösen, sei es in erster Linie wichtig, zu wissen, dass man im Zentrum der psychologischen Kriegsführung steht und diese Einflusstechniken angewandt werden.

Rechtlich sei es hingegen relativ schwierig, gegen diese Methoden vorzugehen, resümierte Gierhake in der abschließenden Podiumsdiskussion. „Man rennt gegen Wände.“ So werde auch vom Gesetzgeber immer raffinierter gearbeitet, kritisierte Scholz. Anreizsysteme würden etwa wie Leistungen wirken und stellten „verkappte“ Eingriffe dar.

Der Kultursoziologe Bernd Stegemann zeigte in seinem Vortrag auf, wie linke Identitätspolitik mit ihrer paradoxen Konstruktion von Identität um Hegemonie im gesellschaftlichen Diskurs kämpft und Sprechverbote errichtet. Speziell das Theater habe in einem langen Prozess erst im 20. Jahrhundert erkämpfen können, dass zwischen dem Schauspieler als Mensch und seiner Rolle getrennt wurde. Dies werde jetzt rückabgewickelt, wenn gefordert werde, dass bestimmte Rollen nur von Schauspielern mit der entsprechenden Identität gespielt werden dürften.

Quelle: Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte n.e.V. (KRiStA)

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