Reportage: Auf der Spur der Liebesmafia: Honigfalle für Touristinnen – Teil 1
Archivmeldung vom 13.09.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićFerien, Sonne, Palmen und Meer: Frauen glauben an die große Urlaubsliebe, an echte Gefühle und Leidenschaft. Doch oft wird dieser Traum zum wahren Albtraum. Denn »Gefühlsgangster« lauern auf ihre ahnungslosen Opfer, denen es nur um zwei Dinge geht: Um das Geld der Touristinnen oder eine Hochzeit mit ihnen, um sich eine Aufenthaltsgenehmigung für Europa zu ergaunern. Ganz nach dem Motto: »Wir erobern dein Herz und räumen dein Konto!« Dies berichtet Guido Grant im Magazin "Wochenblick.at".
Weiter berichtet Grandt: "Mit Kollegen habe ich mich nach Ostafrika aufgemacht, um das System der »Liebesmafia« zu dokumentieren und die Tricks der Beznesser vor versteckter Kamera aufzuzeigen. Dabei sprachen wir mit Opfern und Tätern.
Kenia, Mombasa, Moi International Airport. Nach einem 10.000-Kilometer-Flug von Frankfurt aus sind wir nicht nur müde, sondern auch äußerst angespannt. Wir, das sind unser »Lockvogel« Betty, mein Kameramann Bernd und ich selbst. Denn unsere »Undercover-Recherchen« sind nicht ungefährlich. Wie gewöhnlich tarnen wir uns als Touristen, um nicht gleich bei der Einreise aufzufallen.
Als wir aus dem schlichten, mit alten Klimaanlagen heruntergekühlten Airport-Gebäude heraustreten, empfängt uns tropische Hitze sowie dieses einmalige Licht, das es nur in Afrika zu geben scheint. Es verleiht der Umgebung außergewöhnlich klare und scharfe Konturen. Ein mit allerlei Düften und Gewürzaromen durchsetzter Wind weht uns entgegen. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei nahezu neunzig Prozent, treibt uns den Schweiß aus sämtlichen Poren.
Dieser erste Eindruck ist entscheidend, suggeriert er doch – wie auch den späteren Bezness-Opfern, die hier ankommen – in einer ganz anderen Welt, weit weg von Kontinentaleuropa zu sein. In einer Welt, in der alles möglich ist. In der selbst ältere bis alte, übergewichtige oder gebrechliche Frauen nicht nur die weißen Strände und die Tropensonne genießen können, sondern auch große Gefühle: Leidenschaft und vielleicht sogar »echte« Liebe. So fallen bei vielen weiblichen Ankömmlingen bereits am Flughafen der gesunde Menschenverstand und die Vorsicht ab wie eine zweite Haut.
„Gefühlskriminalität“ – Bezness
Der Begriff »Bezness« ist zusammengesetzt aus dem deutschen Wort Beziehung und dem englischen Business. Damit gemeint ist das Geschäft mit der vorgespielten Liebe, die Abzocke europäischer Urlauberinnen in orientalisch-exotischen Ländern. Diese hat allerdings nichts mit dem herkömmlichen Sextourismus zu tun. Jährlich fallen cirka 5.000 Frauen auf die Betrüger herein. Die Dunkelziffer ist weitaus höher. Ein Millionengeschäft. Durch Bezness soll alleine dem deutschen Sozialsystem jährlich ein Schaden von rund 1,5 Milliarden entstehen: durch Geldabflüsse ins Ausland, für gesundheitliche Schäden und Sozialhilfe/Hartz IV für verschuldete Opfer oder der in Deutschland verheirateten Täter und für Sorgerechtsstreitigkeiten. Mitunter kommen Abschiebekosten hinzu.
Die Behörden stehen diesem »interkulturellen Betrug« durch »Gefühlskriminalität« zumeist völlig hilflos gegenüber. In verschiedenen Fällen weist Bezness mafiöse Strukturen auf, denn die Täter arbeiten zuweilen organisiert und systematisch. Schaffen sie es bis nach Europa, können ihre Maschen sogar in der Entführung ihrer dort geborenen Kinder in ihre Heimatländer (der Beznesser) gipfeln. Der »interkulturelle Betrug« wird mittlerweile in fast allen Urlaubsländern praktiziert, in denen Armut und Korruption vorherrschen. Die bekanntesten darunter sind Kenia, die Türkei, Ägypten, Tunesien und Marokko.
Eldorado Diani Beach
Von der Hafenstadt Mombasa aus fahren wir eineinhalb Stunden südlich zum Touristenmagnet Diani Beach, nahe der Ortschaft Ukunda im Kwale County. An einem 25 Kilometer langen, weißen Sandstrand am Indischen Ozean reihen sich Hotels, Restaurants, Bars und Diskotheken aneinander. Ein wahres Eldorado für Pauschaltouristen und für »Gefühlsgangster.«
Der Strand vor unserem Hotel wird von sogenannten »Beachboys« belagert. Sie leben zumeist in der Nähe der Anlagen, sind in Gangs organisiert, verkaufen Safari-Touren, Holzschnitzereien oder Tücher. Deshalb belagern und bedrängen sie Touristen geradezu. Unter ihnen finden sich auch Beznesser, die es nur auf eines abgesehen haben: auf »weiße« Frauen aus dem Westen, die hier »Mzungu« genannt werden.
Einer dieser »Gefühlsgangster« ist der 25-jährige Ago. Er ist groß, schlank, sympathisch und spricht geradezu perfekt Deutsch. Schwarze-Krieger-Romantik verhilft ihm, wie auch seinen Komplizen dabei, zuerst mit den ahnungslosen und gutgläubigen Opfern anzubändeln, um sie später abzuzocken.
Bei Bettys erstem Strandspaziergang heftet sich Ago sogleich wie ein zweiter Schatten an ihre Fersen, geht sprichwörtlich auf Tuchfühlung, während Bernd und ich alles heimlich mitfilmen. Beim Small Talk kommt er sofort zur Sache, murmelt nach einer halben Stunde schon die Zauberworte »Nakupenda sana – ich liebe dich!« Ungefragt gibt er der 50-Jährigen seine Handynummer und verlangt auch ihre. Am Abend verabreden sie sich in einer Beachbar.
Beim romantischen Rendezvous unter Palmen und sanftem Meeresrauschen horcht der nette Ago Betty zunächst mal aus: »Woher kommst du aus Deutschland? Was arbeitest du? Wie viel verdienst du? Was für ein Auto fährst du? Hast du Familie? Bist du Single?«
„True Love“ im Zeitraffer
Natürlich hält sich unsere Kollegin an das vorher abgesprochene »Drehbuch«, antwortet so, wie es der Gefühlsgangster hören will, der daraufhin begeistert ausruft: »Oh a free woman and free man, perfect.« Europäische und vor allem deutsche und österreichische Frauen wären die »allerbesten«, weil sie so großzügig und tolerant seien.
Ago selbst ist anscheinend nicht verheiratet, glaubt an die »true Love« sowie an die Traumhochzeit mit einer Europäerin. So lässt er auch nicht mehr locker, weiß er doch, dass er höchstens zwei Wochen bis zum Ende von Bettys Urlaub Zeit hat, ihr Herz, ihr Geld und eventuell die Fahrkarte nach Europa zu ergattern. Deshalb kommen die Liebesschwüre schnell und per SMS über die vorher ausgetauschte Mobilnummer. Das nächste Treffen findet in der Diskothek Shakatak statt, der größten Baggergrube am Diani Beach. Die direkt danebenliegende offene Tandorii-Bar wird zwei Wochen nach Ende unserer Dreharbeiten von einem Handgranatenanschlag der Terror-Miliz Al-Shabaab verwüstet.
Im Shakatak treffen sich Einheimische und Touristen zum Tanzen, Flirten und Trinken. Denn die Gefühlsgangster wissen, dass bei heißen Rhythmen und Körperkontakt schnell die Hemmungen fallen. So macht auch Ago Betty unmissverständlich klar, was er vorhat. Deutschland sei das »gelobte Land« und er will unbedingt eine »Mzungu« finden, die ihn mitnimmt und mit ihm dort ein tolles Leben führt. »Also dich, Betty!«
Lesen Sie hier den zweiten Teil!
Quelle: Wochenblick