Wie bestrafen wir Normverletzer?
Archivmeldung vom 28.10.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtErstmals untersuchte ein internationales Team von Wissenschaftlern mit Loukas Balafoutas (Universität Innsbruck), Nikos Nikiforakis (NY University Abu Dhabi) und Bettina Rockenbach (Universität zu Köln), wie Menschen Fremde für Normverletzungen bestrafen. In ihrem Aufsatz über direkte und indirekte Bestrafung, erschienen im Magazin „Proceedings of the National
Academy of Sciences“(PNAS), zeigen sie, dass beide Formen im Feld eine wichtige Rolle spielen, aber Menschen nach Möglichkeit lieber indirekt durch Hilfeverweigerung bestrafen anstatt den Normverletzer direkt zurechtzuweisen. Die Wissenschaftler konnten außerdem zeigen, dass Frauen viel häufiger direkt, Männer häufiger indirekt bestraft werden.
Die drei Ökonomen arbeiten zu Fragen rund um das Thema Kooperation. „Die Grundannahme ist, dass Menschen, im Gegensatz zu Tieren, sehr viel miteinander kooperieren und das nicht nur innerhalb kleiner Gruppen, sondern auch mit Fremden“, erläutert der Wissenschaftler Loukas Balafoutas die theoretische Basis. In dem aufwändig konzipierten Feldexperiment möchten die Ökonomen herausfinden, warum Menschen ihnen fremde Personen für Normverletzungen bestrafen und wie sie das tun. Zwei mögliche Vorgehensweisen rücken die Wissenschaftler in den Fokus: „Die Möglichkeiten einer direkten und einer indirekten Bestrafung interessieren uns dabei besonders“, so Nikos Nikoforakis.
Die erste Forschungsfrage, der die Wissenschaftler nachgingen war, ob Menschen, die eine soziale Norm verletzen, von Beobachtern durch direkte Ansprache oder indirekt durch Verweigerung von Hilfe bestraft werden. Die Ökonomen gestalteten dazu einen experimentellen Aufbau, bei dem ein Schauspieler absichtlich einen Plastikbecher auf den Bahnsteig warf. Kurz darauf fielen dieser normverletzenden Person Bücher vom Arm. Die Wissenschaftler beobachteten die Reaktion von unbeteiligten Passagieren, die die Szene beobachtet hatten. In weniger als einem Fünftel der Fälle (18,6 Prozent) wird der normverletzenden Person geholfen die Bücher aufzuheben. Die Hilfsbereitschaft ohne vorausgegangene Normverletzung war mit 39,7 Prozent mehr als doppelt so hoch. Während eine Person, die einen Becher wegwarf in 17,0 Prozent der Fälle direkt angesprochen wurde, ihren Becher wieder aufzuheben, fand diese direkte Ansprache mit 6,8 Prozent nur äußerst selten statt, wenn die Passagiere durch unterlassene Hilfeleistung ihren Unmut äußern konnten. „Das zeigt klar, dass Menschen Normverletzungen lieber durch unterlassene Hilfeleistung als durch direkte Ansprache bestrafen“, fasst Bettina Rockenbach zusammen.
In ihrer zweiten Forschungsfrage untersuchen die drei Wissenschaftler, ob jemand von anderen Menschen dafür belohnt wird, wenn er Normverletzungen direkt bestraft. „Eine Annahme war, dass sich für die Person, die wagt, etwas zu sagen, ein Vorteil ergibt, wie beispielsweise die Erhöhung des sozialen Images“, so Nikiforakis. Wie die Ergebnisse allerdings zeigen, bekommen diese „Helden“ keine zusätzliche Aufmerksamkeit oder Lob der umstehenden Passagiere.
„Ein interessantes Ergebnis hat sich im Bereich der Geschlechtsverteilung ergeben. Wir konnten zeigen, dass Frauen viel häufiger direkt, Männer häufiger indirekt bestraft werden“, berichtet Balafoutas. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass sich Menschen tendenziell eher trauen, Frauen direkt auf ihre Normverletzung anzusprechen, weil das Risiko einer Eskalation als geringer eingeschätzt wird. Männer würden demnach mehr durch die Verweigerung von Hilfe bestraft.
Das Fazit: eine direkte Bestrafung, egal ob gegenüber von Männern oder Frauen, bringt für den Bestrafenden keine Belohnung oder die Erhöhung des sozialen Images mit sich. „Die Frage, warum und in welchen Fällen Menschen dennoch eine direkte Bestrafung wählen, bleibt damit eine noch offene Forschungsfrage“, so Rockenbach. „Kooperation ist ein sehr komplexes Feld. Mit dieser Studie ist es uns gelungen, erstmals im Feld die Funktionen von direkter und indirekter Bestrafung zu beobachten und zu analysieren“, resümieren die drei Wissenschaftler.
Quelle: Universität zu Köln (idw)