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Brillante Inszenierung der AIDA in Bremen

Archivmeldung vom 22.06.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.06.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Ein bisschen wärmer dürfte es am Nil denn doch wohl sein als es am gestrigen Sonntagabend an der Weser war bei der Premiere des Open-air-Spektakels mit Verdis "Aida" auf der Seebühne an der Waterfront. Aber der Bremer ist hart im Nehmen. Und so hatten sich denn die offenbar freilichterfahrenen Besucher ausgerüstet mit Regenjacken, Schals, Mützen und Wolldecken und harrten guter Dinge bei kaltem, aber trockenem Wetter des Beginns der dreistündigen Aufführung, die im Laufe der Zeit mehr und mehr in ihren Bann zog.



Das Orchester unter Markus Poschner: Vom Klang her zunächst gewöhnungsbedürftig. Die Geigen zu Beginn des Vorspiels mit ihrem dreifachen Pianissimo konnten sich kaum durchsetzen. Das Fortissimo in voller Besetzung dann basslastig, so, als hätte man bei einer Stereoanlage die tiefen Frequenzen zu stark aufgedreht. Aber das sind die Nachteile, die man bei der elektroakustischen Verstärkung, die in einem so großen Raum unumgänglich ist, in Kauf nehmen muss.

"Aida" denn also einmal nicht als Kammerspiel, sondern als große heroisch-bombastische Oper. Diesen Interpretationsansatz zogen die Philharmoniker ohne Tadel durch, und auch der von Tarmo Vaask vorbereitete Chor, musikalisch standfest wie immer, schloss sich dem mit glanzvollen Jubelgesängen an.

Den Sängern kommt die Mikrofonübertragung zugute; die Stimmen setzen sich mühelos durch gegenüber auch den lautesten Orchesterwogen. So kam man, da die Besetzung durchgehend erstklassig war, in den Genuss hochrangiger vokaler Leistungen.

Gweneth-Ann Jeffers bot für die Titelrolle der Aida einen leuchtenden, farbenreichen Sopran auf, der makellos durch die Register geführt wurde und in der Nil-Arie im dritten Akt ob der vokalen Schönheit den Atem stocken ließ. Selten hat man dieses heikle Gesangsstück in einer derartigen tonlichen Differenziertheit gehört, ein An- und Abschwellenlassen des Klanges, von einer solchen technischen Beherrschtheit. Zwei allzu vorsichtige Tonansätze tun der wirklich hinreißenden Gesamtleistung dabei keinen Abbruch.

 Eine ebenbürtige Partnerin und Gegenspielerin war ihr Khatuna Mikaberidze als stolze Pharaonentochter Amneris. Ihr dramatischer Mezzo erinnert an den der großen Fiorenza Cossotto. Auch die Stimme der Mikaberidze hat dieses ihrer selbst sichere herrische Raumgreifen, diese Durchschlagskraft in der Höhe, diese kraftvolle Mittellage. Und auch die Unarten der Cossotto scheint Frau Mikaberidze sich abgesehen zu haben: Dass sie - vor allem am Anfang im Zusammenspiel mit Aida kam das zum Ausdruck - mit dem vorhandenen Material allzu sehr prunkt, was zu einer leicht "röhrenden" Tiefe führt und den Registerausgleich beeinträchtigt. Insgesamt aber eine gesanglich wahrhaft königliche Gestaltung.

Leichte Einschränkungen beim Radamés von Luis Olivares Sandoval, den Bremer Opernfreunden bereits bekannt durch seinen Erizo in der Aufführung von Rossinis "Maometto II.". Untadelig auch hier seine Eleganz der Tongebung und sein erfreulich häufig eingesetztes tragfähiges Piano. Aber ein wenig mehr Kraft in der Höhe hätte man ihm an manchen Stellen gewünscht, und dass er sich beim Schlusston seiner "Celeste Aida"-Arie der Unart der meisten seiner Kollegen anschloss, ins Fortissimo zu gehen statt in das von Verdi vorgeschriebene Pianissimo morendo, hätte angesichts der Möglichkeiten des Mikrofons nicht nötig getan.

Geradezu umwerfend dagegen der Amonasro von George Stevens, ein Urereignis des mit der Gestalt völlig identifizierten Singens.

Die zu Herzen gehende Bitte um Gnade im Triumph-Finale, die einschmeichelnd-verführerische Beschreibung des Vaterlandes im Duett mit Aida und der darauf folgende Zornesausbruch, der wirklich, wie es im Text heißt, "in wilder Leidenschaft" sich vollzieht - das sind Momente, in denen die Persönlichkeit des Sängers ins Charismatische wächst. Man kann es nur begrüßen, dass Stevens, Publikumsliebling der Pierwoß-Zeit, auch vom neuen Intendanten jetzt endlich entdeckt wurde.

Bleiben noch zu nennen Kurt Rydls stimmlich wuchtiger, aber mit einigem Tremolo belasteter Ramphis, der mit noblem Bass gesungene Pharao von Franz Becker-Urban, Christian-Andreas Engelhardts mit dramatischem Nachdruck vorgetragener Botenbericht und die stimmschöne Anrufung des Gottes Phtà durch Karin Neubauer. Dazu die Mitglieder des Tanztheaters, die in der Choreografie von Urs Dietrich in der Tempelszene ihr koordiniertes Zusammengehen und im Triumphbild ihre Sprünge und Drehungen zeigen durften.

 Damit lockerten sie die von Hans-Joachim Frey verantwortete Regie auf, die im Programm mit Recht als "szenisches Arrangement" bezeichnet wurde und sich darauf beschränkte, auf der von Monika Gora ausgestatteten Bühne, die mit zahlreichen andauernd in geradezu hektischer Betriebsamkeit hin- und hergetragenen Kästen bestückt war, mehr oder weniger dekorative Bilder aufzubauen. Dazu wäre mehr als nur einiges kritisch anzumerken. Aber vielleicht sollte man sich darauf beschränken, die oft aller dramatischen Wahrheit widersprechenden Arrangements (wie etwa den von Soldaten eskortierten "einsamen" Tod im Finale) einfach nur als optische Reize auf sich wirken zu lassen: Die von einem Halbrund überwölbte, später grün ausgeleuchtete Bühne, das Wasser, die darauf im Gegenlicht kreuzenden Schiffe, den (zwar nicht rot glühenden, trotzdem wirkungsvollen) Sonnenuntergang. Und sollte sich dazu animieren lassen, im Triumph-Finale die zuvor verteilten goldenen Fähnchen mitzuschwenken, wie das vom 

bereitwillig mitgehenden Publikum  ausgiebigst praktiziert wurde. 

Da sage noch einer, in Bremen könne die Oper nicht genau so zum Volksfest werden wie in Verona.

Quelle: Alexandra Rump

 

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