Landminen, Streumunition: Die Hilfe geht - die Opfer bleiben
Archivmeldung vom 06.11.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMenschen, deren Leben durch Landminen oder Streubomben eine grausame Wendung genommen hat, warten häufig vergeblich auf Unterstützung. "Allein in Afghanistan leben über 60.000 Menschen, die einen Unfall mit Minen oder Blindgängern schwer verletzt überlebt haben. Der politische Wille, ihnen zu helfen, ist leider noch nicht stark genug." Dies machte Firoz Alizada, der selbst durch eine Mine seine Beine verloren hatte, am Mittwoch in der Berliner Heinrich-Böll-Stiftung deutlich.
Bei einer Konferenz von Handicap International und Aktionsbündnis Landmine.de diskutierten dort deutsche, französische, österreichische und belgische Vertreter aus der Politik und aus der Praxis der Entwicklungshilfe über Herausforderungen und konkrete Strategien der Opferhilfe.
Drei internationale Abkommen fordern von Staaten wie Deutschland und Frankreich mehr Hilfe für die Opfer von Kriegshinterlassenschaften: Die Verträge über das Verbot von Landminen und Streubomben von 1997 und 2008 sowie die UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung. In den zehn Jahren seit dem In-Kraft-Treten des Ottawa-Vertrags über ein Verbot von Anti-Personen-Minen wurden zwar weltweit Millionen von Landminen vernichtet, und die Einsätze dieser Waffen sowie die Zahl neuer Opfer gehen erfreulich zurück. Gleichzeitig aber besteht nach wie vor immenser Bedarf an medizinischer, orthopädischer, psychologischer und sozialer Unterstützung für viele der mehreren Hunderttausend Menschen, die bereits zu Opfern von Landminen geworden sind.
Einen besonderen Bedarf sahen bei der gestrigen Konferenz die Vertreterinnen und Vertreter aus der Praxis von Hilfsprogrammen in der langfristigen Ausbildung von Rehabilitationsfachkräften. So wären zum Beispiel im Balkan eigentlich 300 Rehabilitationsfachkräfte nötig, von denen es jedoch nur 20 gut ausgebildete gibt. Ein weiterer großer Bedarf liegt in der wirtschaftlichen und sozialen Inklusion der betroffenen Menschen. Selbst wo eine Grundversorgung gewährleistet ist, bleiben Minenopfer oft ökonomisch abhängig von ihren Familien und sind die letzten, die Zugang zu Bildung und Arbeit finden. Um entsprechende Entwicklungsprogramme sinnvoll auf lokale Realitäten abzustimmen, halten die Fachleute grundlegende Studien, Auswertungen und eine größtmögliche Transparenz für notwendig. Und schließlich dürfen als Grundlage der Arbeit die finanziellen Anstrengungen der Geberstaaten nicht nachlassen, auch in Zeiten der Finanzkrise.
"Opferhilfe ist seit Jahren unterfinanziert und es wäre nicht vermittelbar, wenn ausgerechnet jetzt Minenaktionsprogramme und Opferhilfe den milliardenschweren Rettungsaktionen für bankrotte Banken und Konzerne zum Opfer fielen", betonte Thomas Küchenmeister, Leiter von Aktionsbündnis Landmine.de auf der Konferenz. "Der Militäreinsatz in Afghanistan hat bislang mehr als 2,6 Milliarden Euro gekostet, wohingegen dem Auswärtige Amt in den letzten 5 Jahren nur 4,5 Mio. Euro für Opferhilfe zur Verfügung standen," beklagt Küchenmeister. Er schlug weiter vor obsolete Rüstungsausgaben zu Gunsten der Opferhilfe zu konvertieren und forderte die neue Bundesregierung auf ihr Versprechen einzuhalten und bis 2015 die Entwicklungsinvestitionen auf 0,7 % des Bruttoinlandsproduktes anzuheben, um so mehr Mitteln u.a. für die Operhilfe zu generieren.
François De Keersmaeker, Geschäftsführer von Handicap International, sieht die Konferenz als wichtige Impulsveranstaltung. "In Deutschland muss ein Prozess beginnen, um die Feststellungen und Empfehlungen der Konferenz in die Tat umzusetzen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben erkannt, dass eine intensivere Zusammenarbeit und Koordination der verschiedenen Akteure der Schlüssel zum Erfolg ist und sich auf eine Weiterführung des Dialogs verständigt."
Einen besonderen Impuls gab eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern, die aktiv an der Konferenz teilnahm. Gemeinsam mit der Schauspielerin Ulrike Folkerts, Schirmherrin von Aktionsbündnis Landmine.de, und Mina Zunac von der Gruppe "Ban Advocats" übergaben sie am Ende des Tages eine Reihe von Aktionsvorschlägen aus der Sicht der Zivilgesellschaft an die Bundestagsabgeordnete Agnes Malczak. Ihre Forderungen möchten sie nun noch in weiteren Briefen an Politiker formulieren. Gleichzeitig werden sie selbst weiter aktiv bleiben und zu einer Unterstützung der Opfer beitragen. Denn nur die Solidarität und Wachsamkeit der Zivilbevölkerung kann ein langfristiges Engagement der Politik garantieren.
Quelle: Handicap International