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Immer mehr Wohnungslose leben für lange Zeit in kommunalen Unterkünften mit schlechten Standards

Archivmeldung vom 04.12.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.12.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Immer mehr Wohnungslose leben für lange Zeit in kommunalen Unterkünften mit schlechten Standards
Immer mehr Wohnungslose leben für lange Zeit in kommunalen Unterkünften mit schlechten Standards

Bild: Eigenes Werk /OTT

Wohnungslose Menschen in Deutschland müssen immer länger in Unterkünften leben, die eigentlich nur für eine kurze Unterbringungszeit gedacht und oft nur minimal ausgestattet sind. "Was ursprünglich als Übergangslösung konzipiert war, wird zunehmend zur längerfristigen Unterbringungsform.

Da müssen dann auch die Bedingungen in den Unterkünften stimmen, was nicht immer der Fall ist. Hier muss Deutschland nachbessern", erklärte die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Beate Rudolf, bei der Vorstellung des jährlichen Berichts über die Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland am Mittwoch in Berlin. Das Menschenrecht auf Wohnen, wie es im Sozialpakt der Vereinten Nationen formuliert sei, ziele darauf ab, dass der Staat allen Menschen in seinem Land eine angemessene Unterkunft ermöglicht, so Rudolf.

Die Gründe für Wohnungslosigkeit sind vielfältig: zu wenig bezahlbarer Wohnraum, niedriges Einkommen verbunden mit Mietschulden oder Gewalt in der Partnerschaft. Besonders schwierig ist es unter anderem für Menschen, die aus Psychiatrie, Suchtkliniken oder Jugendeinrichtungen entlassen werden, und für ältere Menschen. Die Kommunen sind zur Unterbringung "unfreiwillig obdachloser" Personen verpflichtet (sogenannte ordnungsrechtliche Unterbringung). Statistiken der Länder machen deutlich: Mehrere zehntausend Menschen in Deutschland waren im Jahr 2018 gezwungen, diese Form der Unterbringung in Anspruch zu nehmen, ein Drittel lebt dort länger als zwei Jahre.

Für den Bericht hat das Institut Behörden, freie Träger und Wohnungslose befragt und festgestellt, dass längst nicht alle Kommunen ihrer Pflicht zur ordnungsrechtlichen Unterbringung nachkommen. Auch bei der Unterbringung selbst bestehen erhebliche Unterschiede: Manche Kommunen stellen ganz normale Wohnungen bereit, andere Mehrbettzimmer in Sammelunterkünften. Teilweise sind die hygienischen Bedingungen gut, teilweise sind die Unterkünfte an der Grenze zur Verwahrlosung. Das ist besonders problematisch, wenn Wohnungslose dort nicht nur ein paar Tage, sondern teilweise Jahre leben müssen. Zudem mangelt es an Fachkräften der Sozialarbeit, die die Menschen dabei unterstützen, wieder in eigenen Wohnraum zu kommen.

"Wohnungslose Menschen brauchen besseren Zugang zu Unterkünften, bessere Standards in den Unterkünften und umfassende qualifizierte Beratung", sagte Rudolf. Ihre Forderung: "Bund, Länder und Kommunen müssen die Ausstattung und Versorgung in der ordnungsrechtlichen Unterbringung an die längere Aufenthaltsdauer anpassen. Dies ist aber nur ein Baustein, um die Situation wohnungsloser Menschen zu verbessern. Ziel staatlichen Handelns sollte es in erster Linie sein, Wohnungslosigkeit zu vermeiden beziehungsweise zu überwinden und damit auch die Aufenthaltsdauer in der ordnungsrechtlichen Unterbringung wieder zu verkürzen." Die Politik habe den Auftrag, das Recht auf angemessenes Wohnen zu verwirklichen und müsse deshalb für die Schaffung von genügend Wohnraum sorgen, auch für Menschen mit wenig Einkommen. Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen sollten vorrangig Zugang zu diesen Wohnungen erhalten.

Menschenrechte als Qualitätsmerkmal von Kitas stärken

"Kitas sind ein Mikrokosmos unserer Gesellschaft. Hier werden die Grundlagen für das Zusammenleben gelegt. Doch auch Vorurteilsbildung beginnt bereits in der frühen Kindheit", erklärte Rudolf. Kinder im Kita-Alter seien bereits mit sozialer Ungleichheit, Ausgrenzung und Gewalt konfrontiert. Sie brauchen deshalb pädagogische Fachkräfte, die sie vor Diskriminierung und Verletzung schützen und die ihnen die eigenen Menschenrechte erfahrbar machen. Fachkräfte, die ihnen den Respekt vor dem anderen und dessen Rechten vermitteln und sie darin unterstützen, sich gegen Rechtsverletzungen zu wehren. "Menschenrechtsbildung muss deshalb ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern sowie in der Kindheitspädagogik werden", sagte Rudolf weiter. Das Institut hat dazu die zentralen bildungspolitischen Leitdokumente für die Ausbildung aus Bund und Ländern ausgewertet und Interviews an Fach- und Hochschulen geführt. "Unsere Recherchen zeigen, dass das Thema Menschenrechte bislang nicht als expliziter Auftrag für die pädagogischen Fachkräfte formuliert wird und bei der Weiterentwicklung des Qualitätsbegriffs für die frühkindliche Bildung eine zu geringe Rolle spielt", bilanzierte Rudolf.

Wirtschaft und Menschenrechte: Abhilfe für Betroffene verbessern

Nach den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte müssen Staaten und Wirtschaftsunternehmen dafür sorgen, dass Personen, deren Menschenrechte durch Unternehmen verletzt wurden (zum Beispiel durch die Zerstörung eines Tempels für den Bau eines Hotels, eine Zwangsumsiedlung für Tagebau oder die Nichteinhaltung von Brand- und Arbeitsschutzbestimmungen in Fabriken), Abhilfe erhalten - gerichtlich wie außergerichtlich. Wohin können sich Personen im Ausland wenden, deren Menschenrechte durch deutsche Unternehmen direkt oder indirekt beeinträchtigt sind, und was können sie an Lösungen durch solche Stellen erwarten?

Das Institut hat den zentralen deutschen außergerichtlichen Beschwerdemechanismus, die "Nationale Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze" (NKS) sowie exemplarisch Beschwerdemechanismen in zwei Ländern untersucht. "Nach Ansicht der von uns befragten Expertinnen und Experten in Indien und Uganda ist die deutsche Nationale Kontaktstelle dort kaum bekannt. Sie muss für Menschen aus dem Ausland, die sich beschweren möchten, in jedem Fall zugänglicher werden", erklärte Rudolf.

Betroffene suchen eher Abhilfe vor Ort, wo die Unternehmen die Verstöße begangen haben. Das gestaltet sich in der Realität schwierig, da es teilweise an funktionierenden Gerichtssystemen mangelt, etwa weil Korruption herrscht. Laut den befragten Expertinnen und Experten erlauben bestehende außergerichtliche Stellen in Indien und Uganda keine wirksame Abhilfe: Sie sind für Teile der Bevölkerung nicht zugänglich, beispielsweise in ländlichen Regionen oder für Menschen, die nicht lesen und schreiben können. Zum Teil können die Beschwerdestellen ihr Mandat aufgrund fehlender Ressourcen nur unzureichend erfüllen, und selbst wenn sie Rechtsverletzungen feststellen, hilft der Staat kaum, die Ansprüche beispielweise auf Entschädigung durchzusetzen.

Rudolf: "Die Bundesregierung sollte die deutsche Nationale Kontaktstelle für Beschwerdeführende im Ausland zugänglicher machen und die Abhilfemechanismen vor Ort stärken. Hier könnten Vor-Ort-Vorhaben der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ebenso wie deutsche Botschaften unterstützen. Die Bundesregierung sollte eine Außenstruktur mit Unterstützungsleistungen und Beratung für Betroffene schaffen - spiegelbildlich zu der Unterstützungsstruktur, die sie für Unternehmen aufbaut, um ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachzukommen."

Der Auftrag

Das Gesetz über die Rechtsstellung und Aufgaben des Deutschen Instituts für Menschenrechte von 2015 sieht vor, dass das Institut dem Deutschen Bundestag jährlich einen Bericht über die Menschenrechtssituation in Deutschland vorlegt.

Weitere Informationen

Entwicklung der Menschenrechtssituation in Deutschland 2018/2019. Bericht an den Deutschen Bundestag gemäß § 2 Absatz 5 DIMRG www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsbericht2019

Kurzfassung (deutsch) http://ots.de/7y87vv

Quelle: Deutsches Institut für Menschenrechte (ots)

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