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Wissmanns Erzählungen - oder die Mär von der "grünen" Automobilausstellung

Archivmeldung vom 16.09.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.09.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
DUH
DUH

Die vor zwei Jahren unter dem Eindruck der Klimadebatte bei der Internationalen Automobilausstellung (IAA) 2007 in Frankfurt/M. versprochene "Ergrünung" der deutschen Automobilindustrie hat nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) nicht stattgefunden. Umweltfreundliche und klimaschonende Antriebe finden sich wie eh und je bei den zahlreichen Konzeptcars.

Bei den vorgestellten Serienfahrzeugen ist hingegen der Kraftstoffverbrauch insgesamt immer noch zu hoch. Technisch ausgereifte Spritspartechnologien wie der Hybridantrieb finden sich in immer mehr ausländischen Modellen. Bei den deutschen Herstellern hingegen fehlen sie trotz gegenteiliger Ankündigung von vor zwei Jahren - abgesehen von Kleinstserien der Hersteller BMW und Mercedes in der Oberklasse. Eine wirkliche Änderung der Modellpalette wie auf der "grünen" IAA 2007 angekündigt, ist auf der diesjährigen Automobilmesse nicht erkennbar.

Zur morgigen Eröffnung der IAA steht der damals frisch gewählte Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann nach Ansicht der DUH vor einem "Scherbenhaufen seiner Glaubwürdigkeit". Genau vor zwei Jahren ließ er sich dafür feiern, einen Beschluss der Vorstandsvorsitzenden der deutschen Automobilhersteller herbeigeführt zu haben, dass bei Neuwagen nur noch Klima und Umwelt schonende, natürliche Kältemittel in Autoklimaanlagen eingesetzt werden sollen. Für diesen verbalen Erfolg hatte die DUH seinerzeit erklärt: "Chapeau Herr Wissmann - Sie haben den Lackmustest bestanden". Zur Eröffnung der diesjährigen IAA steht fest, dass kein einziger deutscher Autobauer im Jahr 2011 - so wie dies die EU rechtlich bindend fordert - in neuen Pkw-Modellen auf schädliche chemische Kältemittel verzichten wird. Dieses ernüchternde Resumé zog die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) zum Start der diesjährigen Frankfurter Autoshow.

Im Einzelnen zeichnete die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation die Strategie nach, mit der vor allem deutsche Automobilhersteller die Klimaschutzbemühungen der EU-Kommission immer wieder systematisch unterminierten. Die deutschen Hersteller waren Ende 2007 Haupttreiber bei der Verwässerung und Verschiebung der von der EU geplanten CO2-Grenzwerte auf 2015. Wie bisher böten die deutschen Automobilhersteller vornehmlich schwere, übermotorisierte Pkw an. Modelle, die den Spritverbrauch mindern sollen, würden zwar auf Messen gezeigt, kämen dann aber nicht auf die Straße. So sei etwa der Audi Q7 bereits 2005 als Hybrid gezeigt und die Einführung für 2008 angekündigt worden. Schließlich habe man aus Kostengründen auf die Serie verzichtet. "Wir brauchen grüne Autos nicht in Showrooms und auf Messen, wir brauchen sie endlich auf der Straße", forderte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.

Das fortdauernde "Dienstwagenprivileg", das Festhalten an der unbegrenzten Raserei auf den Autobahnen und die verkorkste Reform der Kfz-Steuer wirkten sämtlich "wie Schutzwälle gegen eine ökologische Richtungsänderung." Es sei nur schwer nachzuvollziehen, "dass die schwere Absatzkrise insbesondere der so genannten Premiumhersteller in den Konzernzentralen allenfalls zu einer verbalen Abrüstung geführt hat. Die Lektion, dass man mit übermotorisierten Spritschluckern auf Dauer auf der Strecke bleibt, ist längst nicht überall angekommen". Fatal sei, dass sich die Hersteller bei ihrer "zukunftsvergessenen Fehlsteuerung" sowohl auf die Große Koalition in Berlin, als auch auf die Länderministerpräsidenten in den Hersteller-Bundesländern hätten verlassen können. "Die geradezu liebedienerische Grundhaltung führender Politiker gegenüber lernunwilligen Herstellern wird den Steuerzahlern auch in Zukunft teuer zu stehen kommen", prognostizierte Resch mit Blick auf die Steuermilliarden, die derzeit zur Opel-Rettung aufgebracht werden.

Abenteuerlich nannte die DUH den Bruch des im Vorfeld der IAA von VDA-Präsident Matthias Wissmann abgegebenen Versprechens, bei den Autoklimaanlagen künftig nur noch auf das natürliche Kältemittel Kohlendioxid (CO2) zu setzen. Entgegen den mehrfach wiederholten Zusagen ihres Verbandspräsidenten wird die deutsche Automobilindustrie zum 1. Januar 2011 neue Pkw-Modelle nicht mit Klimaanlagen auf Basis natürlicher Kältemittel ausliefern. Sie verstößt damit eindeutig gegen den Sinn und Wortlaut einer EU-Richtlinie, die ab diesem Stichtag für neue Fahrzeugtypen weniger Klima schädigende Kältemittel als den bisher verwendeten Fluorchlorkohlenwasserstoff R134a zwingend vorschreibt. Statt CO2 versuchen die meisten Hersteller seither mit aller Macht das neue und von den Chemieriesen Dupont und Honeywell angebotene Kältemittel 1234yf durchzusetzen. Dieser Chemiecocktail ist jedoch leicht entzündlich und entwickelt im Brandfall hochgiftige Flusssäure-Gase. Das umstrittene Kältemittel sei "vielleicht für die Autohersteller von ökonomischem Vorteil, jedoch keineswegs für die Autofahrer und Innenstadtbewohner, die außerdem durch die Verwendung von 1234yf einem großen Risiko ausgesetzt werden", sagte der Verkehrsberater und frühere Abteilungsleiter im Umweltbundesamt (UBA), Dr. Axel Friedrich. Neue, im Auftrag der DUH durchgeführte Brandtests der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) bestätigten die Gefährlichkeit des Kältemittels 1234yf. Im Fall eines Crashs kann sich das Kältemittel entzünden und setzt dabei nicht nur die Insassen sondern auch die Helfer am Unfallort hochgiftigen Flusssäure-Dämpfen aus.

Die DUH forderte von VDA-Präsident Matthias Wissmann Verantwortung für die Entscheidung aus dem Jahr 2007 zu übernehmen: "Wenn die Autohersteller ihren Präsidenten in einer so entscheidenden Frage im Regen stehen lassen, dann bleibt ihm nur die Möglichkeit dies durchzusetzen oder zurückzutreten" kommentierte Resch. In immer neuen Anläufen und mit juristischen Winkelzügen bemüht sich die Automobilindustrie, bei den ab 2011 EU-weit geltenden veränderten Zulassungskriterien für Kältemittel in Autoklimaanlagen Zeit zu gewinnen. Die neuen Vorschriften sollen das derzeit eingesetzte, extrem Klima belastende Kältemittel R134a ersetzen. Anlässlich der Pressekonferenz präsentierte die DUH ein vom Berliner Umweltanwalt Dr. Remo Klinger verfasstes Rechtsgutachten. Die Expertise kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Umgehungsversuche der Autohersteller nicht tragen. "Es gibt rechtlich keinen Zweifel, dass das bisher eingesetzte Kältemittel zukünftig in keinem neuen Fahrzeugtyp mehr verwendet werden darf. Die Autoindustrie mag verzweifelt nach rechtlichen Auswegen suchen: Sie existieren nicht. Es gibt kein Schlupfloch, mit dem man alles wie bisher belassen könnte", sagte Klinger.

Quelle: DUH

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