Borussia Dortmund meistert die Krise
Archivmeldung vom 10.03.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBorussia Dortmund (BVB) schreibt schwarze Zahlen. Mit einem Umsatz von 107,6 Millionen Euro im letzten Geschäftsjahr steht Borussia nach Bayern München, Schalke 04, Hamburger SV, VfB Stuttgart und Werder Bremen an sechster Stelle der umsatzstärksten Bundesligaklubs und erzielte einen Gewinn von 1,1 Millionen Euro.
Um zusätzliche Einnahmen aus dem internationalen Wettbewerb zu generieren, ist für die Westfalen im hundertsten Jubiläumsjahr (Geburtstag: 19.12.2009) zusätzlicher sportlicher Erfolg nötig.
Zwar hält der BVB mit nur vier verlorenen Spielen in dieser Saison den Rekord als am schwersten zu besiegende Elf. Aber mit sieben Siegen und 12 Unentschieden ist der Einzug in die UEFA Champions League in nahezu unerreichbare Ferne gerückt. Ein möglicher Platz 5 in der Bundesligatabelle wäre für Trainer Jürgen Klopp (41), dessen Vertrag über 2010 hinaus vorzeitig bis 2012 verlängert werden soll, schon ein sensationeller Erfolg, um die Teilnahme am internationalen Wettbewerb zu erreichen und damit an klingende Kassen zu gelangen. Im Augenblick stehen die Schwarz-Gelben aus Westfalen auf Platz 9 der 1. Bundesliga.
"Wir wollen den fünften Platz, ins internationale Geschäft, aber das Ziel haben auch sechs, sieben andere Teams, das wird noch eine ganz heiße Kiste", gab Klopp im Trainingslager in Marbella (Spanien) vor der Rückrunde als Saisonziel gegenüber dem Sportjournalisten Wilfried Sigi Horrmann aus Düren aus. Doch einer seiner überragenden Spieler, Roman Weidenfeller (28, Vertragsende 30. Juni 2011), steht halt nur im Tor. Es fehlen Torschützen. Für die kommende Saison wurden bereits Stürmer Kevin Großkreutz (20, ablösefrei von Rot-Weiss Ahlen) sowie der derzeit verletzte und bislang ausgeliehene Mats Hummels (20, 4,2 Millionen Euro von Bayern München) verpflichtet. Interesse zeigen die Borussen angeblich an Markus Feulner (27) vom ehemaligen Klopp-Klub FSV Mainz 05 und U19-Nationalspieler Lewis Holtby vom Zweitligisten Alemannia Aachen. Für den Dortmunder Angriff zeigte der BVB laut spanischen Medienberichten vor wenigen Tagen Interesse am ungarischen Nationalstürmer Adam Szalai aus dem B-Team des spanischen Rekordmeisters Real Madrid.
GoMoPa fragte BVB-Geschäftsführer Thomas Treß (43), welche Gedanken ihn bewegen, wenn er nach einem Spiel wie dem gegen Hoffenheim (12. Unentschieden in der Saison) den Signal Iduna Park Dortmund verläßt und wie er den BVB vor finanziellen Problemen bewahren will.
GoMoPa: Woran denken Sie nach einem Spiel?
Treß: Als Fußball-Fan haben mich der sportliche Kampf und die Stimmung der Fans sehr inspiriert. Ich wurde 2005 zum Finanz-Geschäftsführer bestellt, um mit dem Vorsitzenden Hans-Joachim Watzke nach der abgewendeten Insolvenz Borussia Dortmund finanziell neu zu strukturieren. Dies ist inzwischen gelungen. Heute interessiert mich, wie wir vom derzeit neunten Platz einige Ränge höher springen können, um den internationalen Wettbewerb zu erreichen. Doch ich weiß, dass der sportliche Erfolg von Risikofaktoren wie Glück und Zufall beeinflusst wird.
GoMoPa: Und was, wenn der sportliche Erfolg ausbleibt?
Treß: Auch dann wird Borussia Dortmund weiterhin Fußball spielen.
GoMoPa: Was meinen Sie damit?
Treß: Das Unternehmen steht auf sicheren Füßen. Die Konsolidierung ist abgeschlossen. Borussia Dortmund geht mit einem soliden Konzept in die Zukunft.
GoMoPa: Beinhaltete dies eine neue Verschuldung?
Treß: Wir haben eine Neustrukturierung unserer finanziellen Verbindlichkeiten vorgenommen und haben Schulden abgebaut.
GoMoPa: Sie standen 2005 mit dem Londoner Fußball-Finanzmakler Stephen Schechter in Verhandlung, seine Geldgeber wollten Ihnen über 100 Millionen Euro leihen, warum haben Sie abgelehnt?
Treß: Ich habe persönlich mit Schechter gesprochen. Er vermittelt Risikokapital. Das Kreditvolumen, die Verzinsung und die Risikostruktur des Risikokapitals hielten wir für nicht tragfähig und haben deshalb mit Morgan Stanley verhandelt. Mit Morgan Stanley sind wir zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen.
GoMoPa: Wofür brauchten Sie eine Investorenanleihe von 79,2 Millionen Euro?
Treß: Unsere Zukunft hing davon ab, ob wir das Stadion zurückkaufen und selbst vermarkten konnten. Wir brauchen die Einnahmen aus dem Ticketing, Merchandising und Sponsoring. Unser Asset sind die Fans, denen wir auf den Stehplätzen für 10 Euro pro Spiel ein gigantisches Fußballerlebnis im größten deutschen Stadion in Deutschland bieten. Zum Vergleich: In England ist ein Vater mit seinem Sohn bei einem Stadionbesuch gleich mal 100 Pfund los. Einzigartig in unserem Signal Iduna Park ist die Begeisterung unserer Fans, speziell auf der größten Stehplatz-Tribünde Europas, wo 25.000 Fans ihre Mannschaft anfeuern. Deutschlandweit ist unsere Fangemeinde auf vier Millionen angewachsen.
GoMoPa: Die ehemaligen Bosse Gerd Niebaum und Michael Meier führten die Borussia im Oktober 2000 als Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) an die Börse. Der Erlös lag bei 130 Millionen Euro. Durch zwei Kapitalerhöhungen im Jahre 2004 und 2006 sprudelten noch mal rund 40 Millionen Euro in die Kasse. Die Aktien sind um 90,9 Prozent gefallen und sind heute nur noch Pennystocks. Würden Sie heute noch mal an die Börse gehen?
Treß: Unter den heutigen Bedingungen nicht. Wir sind an der Börse ein sogenannter Nebenwert. Noch konnten wir den Aktionären keine Dividende auszahlen. Demgegenüber mussten wir seit dem Börsengang aber einen Verwaltungsapparat aufbauen, der gesetzlich vorgeschrieben ist und Transparenz schafft. Das Ganze kostet uns jedes Jahr rund eine Dreiviertel Million Euro. Wir tragen die Verantwortung, das Kapital unserer Aktionäre so erfolgreich wie möglich einzusetzen.
GoMoPa: Bestimmen die Aktionäre die Geschicke von Borussia Dortmund?
Treß: Der Einfluss der Kommanditaktionäre ist begrenzt. Sie genehmigen den Jahresabschluss und wählen den Aufsichtsrat. Dieser nimmt eine Kontrollfunkiotn wahr.
GoMoPa: Haben Sie selbst Aktien des BVB?
Treß: Nein.
GoMoPa: Warum kaufen Sie keine, wo doch die Preise gerade im Keller sind?
Treß: Ich sehe mich nicht als Investor, sondern als Sachwalter der Aktionäre.
GoMoPa. Worin würden Sie Ihren persönlichen Sieg in dieser Saison sehen?
Treß: Wir wollen unsere solide Finanzpolitik fortsetzen, dafür sorgen, dass das Unternehmen Borussia Dortmund auch sportliche Dellen unbeschadet übersteht, und erhoffen die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb, um dem BVB zusätzliche Perspektiven zu eröffnen.
GoMoPa: Aber die Finanzkrise geht nicht spurlos an Ihnen vorbei. Bei den Logen im Stadion haben Sie eine leicht erhöhte Zahl von Kündigungen, wie Hans-Joachim Watzke dem Kicker sagte.
Treß: Doch mit unserem Hauptsponsor Evonik, unserem Stadion-Namensgeber Signal-Iduna und auch mit dem Ausrüster Kappa haben wir langfristige Verträge abgeschlossen.
GoMoPa: Wie steht aus Ihrer Sicht die Bundesliga da?
Treß: Den deutschen Fußball zeichnet eine konservative Finanzpolitik aus. Wir haben im internationalen Vergleich keine so hohe Schuldenlast wie Klubs in England, Spanien und Italien. Sie sind mitunter stark von einzelnen Mäzenen abhängig.
GoMoPa: Wächst die Schere zwischen großen und kleinen Klubs?
Treß: Nein, die Verteilung der TV-Gelder in der Bundesliga ist ausgewogen. Die erfolgreichsten Klubs bekommen zwischen 26 und 28 Millionen Euro im Jahr und der kleinsten Klubs erhält 13 Millionen Euro. Einen Crash in der Bundesliga sehe ich trotz der allgemeinen Finanzkrise nicht kommen.
GoMoPa: Herr Treß, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Quelle: GoMoPa (www.gomopa.net)