BUND: Atomkraftwerke sind gefährliche Terrorziele
Archivmeldung vom 06.09.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittKurz vor dem siebten Jahrestag des Anschlags auf das World-Trade-Center in New York hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) vor den unverändert hohen Terrorrisiken bei deutschen Atomkraftwerken gewarnt.
Die Reaktoren seien nach wie vor völlig unzureichend gegen Anschläge gesichert. Potentiellen Attentätern werde es viel zu leicht gemacht, Sicherheitslücken auszunutzen. "Die einzige Möglichkeit, die Terrorgefahren entscheidend zu minimieren, ist das sofortige Abschalten aller Atomkraftwerke", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger: "Sollte der von der Bundesregierung begonnene Atomausstieg weiter seinem vorgesehenen Fahrplan folgen, sind zwischenzeitlich umfangreiche und auch teure Maßnahmen zur Abwehr möglicher Attacken gegen Atomkraftwerke in Deutschland erforderlich."
Überlegungen, mittels Schutzbauten wie z.B. Türmen die Sicherheit von Atomkraftwerken gegenüber Angriffen von außen zu erhöhen seien jedoch unrealistisch. Bei deren Zerstörung könnten herumfliegende Trümmer sensible Anlagenteile beschädigen. Gegen Sabotageakte durch Personen, die sich innerhalb der Atomanlagen aufhalten, helfe wiederum nur eine stärkere Überprüfung und Kontrolle - mit negativen Folgen für den Datenschutz und die Bürgerrechte. Das Fehlen wirksamer Schutzmaßnahmen gegen Terroranschläge führe zu Untätigkeit und Ratlosigkeit. Zwar habe das Bundesumweltministerium bereits 2002 die zuständigen Landesatomaufsichtsbehörden aufgefordert, anlagenspezifische Analysen über die Sicherheitslücken bei Atomkraftwerken und mögliche Gegenmaßnahmen zu erstellen. Die Länder seien dieser Aufforderung jedoch bisher nicht nachgekommen.
Den aktuellen Stand der Vorsorgemaßnahmen hat für den BUND der unabhängige Atomexperte und Berater Helmut Hirsch untersucht. Sein Fazit: "Atomkraftwerke sind durch Terror- und Sabotageakte weiterhin leicht angreifbar. Von außerhalb der Anlage können Attacken sowohl aus der Luft als auch vom Boden aus erfolgen. Ebenso ist ein Beschuss des Geländes oder der Gebäude mit Geschützen denkbar. Und eine besonders große Gefahr geht von möglichen Innentätern aus." Spätestens seit dem 11. September 2001 seien derartige Szenarien zu einem täglichen Risiko geworden. "Tatsächlich wirksame Maßnahmen zur Minimierung der Gefahren wurden bisher leider nur unzureichend ergriffen. Zwar stehen an einigen wenigen Atomkraftwerken inzwischen Vernebelungsanlagen, diese bieten jedoch keinen ausreichenden Schutz und erschweren im Ernstfall sogar Rettungskräften oder der Feuerwehr ihre Arbeit. Und ein anfliegendes Flugzeug kann auch in einer Nebelwolke sicherheitsrelevante Anlagenteile treffen", sagte Hirsch.
Bedenklich sei, dass zur Einsparung von Kosten in den Atomanlagen immer mehr Wartungs- und Prüfarbeiten während des Leistungsbetriebes statt wie zuvor bei abgeschaltetem Reaktor durchgeführt würden. Dadurch entstünden besonders riskante Situationen. Hinzu komme das teilweise Fehlen von Fachkräften und der Einsatz von Fremdfirmen in sensiblen Bereichen. Dies erhöhe für potentielle Terroristen die Chance, in ein Atomkraftwerk einzudringen. Hirsch sieht die Anlagen Biblis A, Brunsbüttel und Philippsburg 1 als besonders gefährdet. Grund dafür seien die schwachen Auslegungen der Wandstärken der Reaktorgebäude. Eine weitere Schwachstelle würden die Siedewasserreaktoren Brunsbüttel, Philippsburg 1, Isar 1 und Krümmel aufweisen: Über dem Containment, im oberen Teil des Reaktorgebäudes, befinde sich das Brennelemente-Lagerbecken, das erheblich mehr langlebige radioaktive Stoffe enthalten könne als der Reaktor selbst.
Hubert Weiger: "Jeder verantwortliche Politiker muss sich mindestens dafür einsetzen, die besonders gefährdeten Reaktoren sofort vom Netz zu nehmen. Es geht nicht darum, Panik zu schüren. Aber es nützt auch nichts, den Kopf in den Sand zu stecken und längere Laufzeiten für die hochgefährlichen Atomkraftwerke zu fordern. Bundeskanzlerin Merkel hat beeidigt, Schaden von der Bevölkerung abwenden zu wollen. Sie sollte sich endlich klar machen, dass allein der Atomausstieg mehr innere Sicherheit bringt."
Quelle: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)