Kriminalitätsentwicklung in Brandenburg
Archivmeldung vom 15.06.2011
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.06.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtIm Auftrag des Innenministeriums von Brandenburg hat das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt eine Regionalanalyse zur Entwicklung der Kriminalität in Brandenburg erarbeitet. Zum einen untersucht die Studie die Jahre 1996 bis 2007, zum anderen entwirft sie Szenarien zur Kriminalitätsentwicklung bis zum Jahr 2030. Die bereits Ende 2009 vorgelegte und zunächst nur intern verwendete Regionalanalyse, die auch zur Planung der notwendigen Reform der Brandenburger Polizei im Rahmen des demografischen Wandels beigetragen hat, ist nun zur Veröffentlichung freigegeben.
Demografiegestützte Szenarien zur künftigen Kriminalitätsentwicklung
Die demografische Entwicklung allein liefert keine ausreichende Basis für eine Prognose der Kriminalitätsentwicklung. Es gibt jedoch Bereiche der Kriminalität, in denen der demografische Faktor eine dominierende Rolle spielt. So bezieht sich Jugendkriminalität auf die Straffälligkeit Jugendlicher und ist somit von der in einer Region lebenden Anzahl Jugendlicher abhängig. Auch Gewaltkriminalität konzentriert sich eindeutig auf Menschen, vor allem Männer, jüngeren Alters. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein unter 21-Jähriger als Verdächtiger einer Gewaltstraftat in Erscheinung tritt, ist knapp doppelt so hoch ist wie die eines 21- bis 39-Jährigen, etwa 15-mal so hoch wie die eines 40- bis 59-Jährigen und mehr als 110-mal so hoch wie die einer über 60-jährigen Person.
Die demografische Alterung im Land Brandenburg deutet klar auf einen Rückgang der Jugend- und Gewaltkriminalität hin, ein Anstieg ist nur im unmittelbaren Umland Berlins zu erwarten. Der Geburtenknick der Nachwendezeit, der bis 1994 zu einer Halbierung der Zahl der jährlichen Geburten führte, erreicht in den kommenden Jahren die von Kriminalität am stärksten belasteten Altersgruppen. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird sich dies auf das Auftreten stark altersabhängiger Deliktarten wie Jugend- und Gewaltkriminalität auswirken. Um das Spektrum der möglichen Entwicklung aufzuzeigen, hat das Berlin-Institut verschiedene Szenarien berechnet. Die bloße Möglichkeit der Berechnung von Projektionen zur Kriminalitätsentwicklung auf Grundlage von demografischen Prognosen darf nicht als „Vorhersage“ von Kriminalität missverstanden werden, gleichwohl leisten die Szenarien eine wichtige Ergänzung, die der Politik nützlich sein kann.
Die Tatverdächtigenbelastungszahl entspricht dem Wert, der die Zahl registrierter Tatverdächtiger auf die Größe der entsprechenden Bevölkerungsgruppe bezieht. Nach einem Szenario mit gleich bleibenden altersspezifischen Belastungszahlen dürfte die Zahl der Tatverdächtigen im Bereich Jugendkriminalität in Brandenburg bis 2020 um etwa 15 Prozent, bis 2030 um etwa 30 Prozent sinken. Nur wenn man von einer starken Zunahme der Tatverdächtigenbelastung Jugendlicher ausgeht – etwa durch wachsende soziale Probleme – müsste bis 2020 noch mit einer um zehn Prozent ansteigenden Tatverdächtigenzahl gerechnet werden. Bis 2030 würde die Tatverdächtigenzahl gegenüber 2005/07 um sieben Prozent zurückgehen.
Die Szenarien zur Gewaltkriminalität ergeben bereits bis 2020 einen Rückgang der Tatverdächtigenzahl. Unter Annahme gleich bleibender altersspezifischer Belastungszahlen würde sich die Tatverdächtigenzahl bis 2020 um 20 Prozent, bis 2030 um 36 Prozent reduzieren. Geht man im Vergleichsszenario von einem starken Anstieg der Tatverdächtigenbelastungszahl der unter 21-Jährigen um ein Drittel aus, so würde die Reduktion bis 2020 immerhin sieben Prozent, bis 2030 etwa 25 Prozent betragen. Diebstahlskriminalität zeigt zwar ebenfalls eine deutliche Jugendzentriertheit der Tatverdächtigen, die Belastungszahlen haben sich dort jedoch in der Vergangenheit deutlich reduziert. Hier kann für ein Szenario lediglich theoretisch angenommen werden, dass die Tatverdächtigenbelastungszahlen auf dem gegenwärtigen Niveau verharren. In diesem Fall würde sich die Tatverdächtigenzahl im Bereich Diebstahl bis 2020 um 16 Prozent, bis 2030 um knapp 30 Prozent reduzieren. Nimmt die Tatverdächtigenbelastungszahl wie in den vergangenen Jahren in allen Altersgruppen weiter ab, so wäre mit einem noch stärkeren Rückgang zu rechnen. Bei der regionalen Entwicklung wird in allen Szenarien und Deliktgruppen ein Anstieg der absoluten Tatverdächtigenzahlen nur in den Gemeinden im unmittelbaren Umland von Berlin – hier im Wesentlichen im westlichen Umland bei Potsdam – erwartet. In weiter entfernt liegenden Teilen des Landes, in Gemeinden bereits ab zehn bis 20 Kilometer vor der Stadtgrenze Berlins, ist aus demografischer Perspektive mit einem deutlichen Rückgang zu rechnen.
Bereits in den vergangenen Jahren deutlicher Rückgang der Kriminalität – Tatverdächtige werden älter und der Frauenanteil steigt
Der Regionalanalyse des Berlin-Instituts zufolge ist die insgesamt registrierte Kriminalität im Land Brandenburg zwischen 1996 und 2007 nahezu kontinuierlich gesunken. Wurden 1996 noch fast 300.000 Straftaten registriert, lag diese Zahl im Jahr 2007 bei nur 226.000 – das entspricht einem Rückgang um 25 Prozent. Auch die Struktur der Kriminalität hat sich im Untersuchungszeitraum verändert. Der Rückgang der Gesamtkriminalität ist weitgehend auf die Abnahme der Diebstahlsdelikte zurückzuführen. Machten Diebstähle 1996 noch fast 60 Prozent sämtlicher registrierter Straftaten aus, ist ihr Anteil elf Jahre später auf 40 Prozent gesunken. Dagegen hat sich der Anteil der Vermögens- und Fälschungsdelikte auf 16 Prozent beinahe verdoppelt, jener der Wirtschaftskriminalität auf 3,5 Prozent versiebenfacht.
Die Gewaltkriminalität hatte in Brandenburg 2007 beinahe unverändert das gleiche Niveau wie auch schon 1996. Innerhalb der Gruppe Gewaltkriminalität haben gefährliche und schwere Körperverletzungen an Bedeutung gewonnen – seit 1996 stieg die Zahl dieser Straftaten um ein Drittel. Ein starkes Wachstum verzeichnete auch der Bereich Rauschgiftkriminalität. Die Zahl der registrierten Straftaten hatte sich bereits zwischen 1996 und 2000 vervierfacht, 2007 lag die Zahl der Delikte auf ähnlichem Niveau.
Die Zahl der Tatverdächtigen unter 21 Jahre (Jugendkriminalität) hat sich zwischen 1996 und 2007 um mehr als ein Drittel (minus 36 Prozent) verringert. Im Wesentlichen beruht dies auf einem Rückgang bei Diebstahlsdelikten, doch auch die Zahl jugendlicher Tatverdächtiger bei Gewaltdelikten hat sich um mehr als zehn Prozent reduziert. Der starke absolute Rückgang der Tatverdächtigen liegt allerdings an der stark rückläufigen Zahl Jugendlicher insgesamt in Brandenburg.Die relative Tatverdächtigenbelastungszahl ist für Jugendliche nur geringfügig zurückgegangen.
Nach wie vor sind es junge Männer, die mit Abstand am häufigsten als Tatverdächtige in Erscheinung treten. Jedoch war die Tatverdächtigenbelastungszahl bei Männern in allen Altersgruppen zwischen 14 und 50 Jahren rückläufig, am stärksten bei den 18- bis unter 21-Jährigen (minus 39 Prozent). Bei Frauen blieb die Tatverdächtigenbelastung hingegen etwa gleich. Der Anteil von Frauen an allen Tatverdächtigen stieg von 17,5 Prozent im Jahr 1996 auf 22 Prozent im Jahr 2007 – dies ist jedoch nicht auf einen Anstieg der Zahl weiblicher Tatverdächtiger, sondern auf einen Rückgang bei den Männern zurückzuführen. Zugenommen hat hingegen die Kriminalitätsbelastung Älterer: Der Anteil über 60-jähriger Tatverdächtiger hat sich im Untersuchungszeitraum auf zehn Prozent verdoppelt.
Quelle: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung