Ex-Verfassungsrichter Papier äußert Zweifel am Soli-Urteil

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Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Solidaritätszuschlag hat sich der ehemalige Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier kritisch geäußert. So bezeichnete er die Annahme des Gerichts, dass der Zweck des Solidaritätszuschlags fortbestehe, als "Großzügigkeit": Das sei "nicht unproblematisch", sagte Papier dem "Handelsblatt". Der ursprüngliche Mittelbedarf speziell des Bundes sei "sehr zweifelhaft geworden".
Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwoch die Klagen sechs
ehemaliger FDP-Bundestagsabgeordneter gegen den Zuschlag zurückgewiesen.
2021 hatte die damalige Große Koalition die Sonderabgabe für die
meisten Steuerzahler abgeschafft. Topverdiener und Unternehmen müssen
ihn weiterhin teilweise oder vollständig entrichten.
Vor allem
diese Teilabschaffung sieht der ehemalige Präsident des
Bundesverfassungsgerichts Papier kritisch. Die Abschmelzung der
Ergänzungsabgabe hin zu einer Belastung ausschließlich höherer Einkommen
mache deutlich, "dass es dem Gesetzgeber gar nicht mehr um die
Erfüllung oder Teilerfüllung des ursprünglich legitimierenden
Erhebungszwecks ging", sagte Papier. Vielmehr sei eine "sozialpolitische
Korrektur des allgemeinen Einkommenssteuerrechts" zu erkennen, wobei im
Grunde eine "spezifische Tarifänderung bei der Einkommenssteuer
zulasten besser verdienender Personengruppen" eingeführt worden sei.
Der
ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU), in dessen Amtszeit
der Solidaritätszuschlag eingeführt wurde, hält das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts zur Beibehaltung des Solis unterdessen für
nachvollziehbar. "Ich hatte das Urteil erwartet", sagte er dem
"Redaktionsnetzwerk Deutschland".
"Denn man kann nicht
bestreiten, dass wir auch heute noch Geld für die Wiedervereinigung
aufwenden müssen, wenngleich nicht mehr so viel wie früher. Eine
Mehrheit, den Soli abzuschaffen, sehe ich zumindest für die nächsten
zwei Jahre nicht. Damit werden sich auch mögliche Auseinandersetzungen
bei den Koalitionsverhandlungen erledigen."
Waigel fügte hinzu:
"Man muss an die Adresse der Länder klipp und klar sagen, dass der Bund
80 Prozent der Ausgaben für die deutsche Wiedervereinigung erbracht hat,
jedenfalls in den 1990er-Jahren. Heute wird es nicht weniger sein. Und
der Soli war die einzige Refinanzierungsmöglichkeit des Bundes. Deshalb
haben wir das damals so gemacht."
"Allerdings haben wir bei
seiner Wiedereinführung über 10 Milliarden Euro Subventionen abgebaut,
um damit ein Zeichen zu setzen, dass es nicht nur um Steuererhöhungen
geht, sondern auch um Ausgabenminderungen", so Waigel. Solche
Einsparungen sehe er derzeit nicht, obwohl bei Subventionen von 120
Milliarden Euro sicher Einsparungen von 15 bis 20 Milliarden Euro
erbracht werden könnten.
Quelle: dts Nachrichtenagentur