Viele Erwachsene hatten noch nie Sex
Archivmeldung vom 12.08.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakEin Leben ohne Kuscheln, Küsse und Sex: Was für die meisten Menschen unvorstellbar ist, ist für Peter Krause (Name geändert) bittere Realität. Denn der 36-Jährige hatte noch nie eine Freundin, geschweige denn Geschlechtsverkehr.
Damit ist er allerdings nicht allein. Denn während die Medien
regelmäßig über das «erste Mal» junger Teenager berichten, leben fernab
der Öffentlichkeit zahlreiche erwachsene Männer und Frauen, die auch
weit nach dem 18. Geburtstag noch Jungfrauen sind. Bundesweit haben
sich daher mittlerweile mehrere Gruppen zusammengeschlossen, die sich
«Absolute Beginners» nennen.
Genaue Zahlen gibt es nicht, dafür schämen sich die Betroffenen
entweder zu sehr oder werden in wissenschaftlichen Studien schlichtweg
nicht danach gefragt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
in Köln weiß jedoch, dass mit 18 Jahren noch rund ein Drittel aller
Mädchen und Jungen «Jungfrau» ist. Wann sie dann ihre erste sexuelle
Erfahrung machen, ist allerdings unklar. Der Leipziger Sexualforscher
Kurt Starke vermutet nach eigenen Forschungen, dass bis zu zehn Prozent
der männlichen Hochschulabsolventen noch «unberührt» sind.
«Das ist kein Problem einzelner Schichten, das betrifft Lehrer, Piloten
und Anwälte genauso wie Arbeitslose», berichtet der Autor Arne
Hoffmann, der zu diesem Thema bereits ein Buch geschrieben hat.
Schließlich könnten es schon scheinbar unwichtige unwichtige Details im
Kindes- und Jugendalter sein, die sich mit den Jahren potenzieren, so
dass die Männer und Frauen noch mit 40 allein seien.
«Die Ursachen für dieses Problem sind sehr unterschiedlich und
vielschichtig», erklärt Hoffmann. «Um nur mal ein Beispiel zu nennen:
Wenn Kinder unsportlich sind und von den Mitschülern nur ungern in
Sportmannschaften gewählt werden, werden sie möglicherweise auch auf
anderen Gebieten immer weiter ausgegrenzt.»
Flüchten sie sich dann auch noch in ihre Schulbücher, weil sie
besonders schlau wirken oder ihr Selbstbewusstsein durch gute Noten
aufwerten wollen, haben sie stattdessen schnell den Ruf als Streber weg
- und werden kaum zu Partys eingeladen, auf denen andere ihre ersten
Annäherungsversuche zum anderen Geschlecht wagen.
So ähnlich war es auch bei Peter Krause. Allerdings war er nicht nur
sportlich und ungelenk, ihn interessierten Mädchen einfach lange Zeit
nicht. Erst als seine Freunde dann während der Oberstufe schon die
erste Beziehung hinter sich hatten, bemerkte er, dass auch er gerne
eine Partnerin hätte. Doch da fehlten ihm bereits einige Jahre
Erfahrung im Flirten und spielerischen Umgang mit Mädchen.
Also flüchtete er sich in sein Studium und beruhigte sich lange Zeit
selber: «Mach' erst einmal den Abschluss, vorher hast Du eh' zu wenig
Zeit.» Nun ist er 36, hat noch immer keine Freundin und will das
endlich ändern.
Unterstützung findet er bei der Berliner Selbsthilfegruppe der
«Absolute Beginners». Der Name stammt von einem David Bowie-Song, in
dem es heißt «I've nothing much to offer, There's nothing much to take,
I'm an absolute beginner» («Ich habe nicht viel zu geben, Es gibt nicht
viel zu nehmen, Ich bin ein absoluter Anfänger»). Bei regelmäßigen
Treffen tauschen sich die Gruppenmitglieder aus und geben sich
gegenseitig Halt.
«Einige Betroffene kommen mit ihrer Situation zwar sehr gut zurecht,
doch die meisten leiden darunter», berichtet Hoffmann aus seiner
Erfahrung. «Sie sind unglücklich, so wie andere Menschen mit etwas in
ihrem Leben unzufrieden sind, doch sie haben sich oft auch schon mit
ihrem Leben ohne Partner arrangiert.»
Das kennt auch Peter Krause. «Ich war lange Zeit nicht wirklich
unglücklich mit meiner Situation, aber seit einigen Jahren tut es
richtig weh, wenn ich sonntags alleine durch den Park spaziere und die
ganzen Paare sehe - dann sehne ich mich besonders stark nach einer
eigenen Beziehung», sagt er. Schwierig sei auch, dass viele Freunde
selber Partnerinnen hätten und er sich bei gemeinsamen Treffen oft als
«drittes Rad am Wagen» fühle.
«Ich habe jetzt aber erkannt, dass ich mich nicht nur grämen, sondern
aktiv etwas ändern muss», sagt Krause. So versucht er, im Alltag
insgesamt offener für andere Menschen zu sein und besonders fremde
Frauen gezielter anzusprechen. «Das ist nicht so einfach und kostet
einige Überwindung, aber es klappt langsam immer besser.» Deswegen
hofft er, dass er schon bald kein «Absolute Beginner» mehr ist. Die
erste Kontaktanzeige hat er jedenfalls schon geschrieben.