Umfrage: Mehrheit der Jugendlichen glaubt nicht an Chancengerechtigkeit im Bildungssystem
Archivmeldung vom 02.12.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićJugendliche und junge Erwachsene zweifeln mehrheitlich und zunehmend an der Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungssystem. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Forsa-Umfrage zum deutschlandweiten Tag der Bildung am 8. Dezember. Auf einer virtuellen Bildungskonferenz präsentieren Jugendliche selbst erarbeitete Lösungsvorschläge.
Zu den Diskutanten gehören Britta Ernst, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, und Moderator Günther Jauch. Bundesweit finden zahlreiche weitere analoge und digitale Aktionen statt.
Die Mehrheit (59 Prozent) der vom Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag der Initiative Tag der Bildung befragten 14- bis 21-Jährigen glaubt nicht, dass alle Kinder im Großen und Ganzen unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft die gleichen Chancen auf eine gute Bildung haben. Das ist der höchste und damit schlechteste Wert seit der ersten Befragung im Jahr 2015. Seit 2018 hat die Skepsis zudem kontinuierlich zugenommen; damals war noch etwa die Hälfte (51 Prozent) von der Chancengleichheit in Deutschland überzeugt.
Die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Bildungschancen sind für die Jugendlichen die Qualität der Schule (92 Prozent), die Zuwendung und Unterstützung der Eltern (90 Prozent) und die eigene Motivation (86 Prozent). Auffällig ist: Der Anteil derjenigen, die glauben, dass der kulturelle Hintergrund der Erziehungsberechtigten einen großen Einfluss auf die Bildungschancen der Kinder hat, ist sehr deutlich auf 51 Prozent gestiegen. Das sind 20 Prozentpunkte mehr als bei der ersten Abfrage dieses Faktors im Jahr 2016.
Digitale Bildung während der Pandemie - geteilte Meinung zur Leistung der Lehrkräfte
In Deutschland konnte der Unterricht während der Pandemie häufig nur digital stattfinden. Besonders die Lehrkräfte waren hier gefragt. Durch das Homeschooling mussten sie ihren Unterricht völlig anders gestalten.Rund die Hälfte (53 Prozent) der Jugendlichen und jungen Erwachsenen war damit zufrieden. Fast genauso viele (52 Prozent) sagen aber auch, dass ihre Lehrerinnen und Lehrer nicht so gut oder schlecht mit digitalen Lern- und Lehrmethoden vertraut sind.
Die Mehrheit der 14- bis 21-Jährigen (78 Prozent), die während der Pandemie am Distanzunterricht teilnehmen mussten, haben dafür ein eigenes, bereits vorhandenes digitales Endgerät genutzt. Neun Prozent erhielten ein Gerät von der Familie, acht Prozent der Befragten mussten dafür extra ein eigenes Gerät erwerben und lediglich vier Prozent erhielten ein Gerät von der eigenen Schule, Hochschule oder Arbeitsstelle. Daher wünschen sich auch 47 Prozent der Befragten eine bessere Ausstattung der Schülerinnen und Schüler mit Tablets oder Notebooks für das Homeschooling.
Nach der Pandemie könnte sich genau ein Viertel der Jugendlichen und jungen Erwachsenen vorstellen, gleichermaßen im Präsenz- und Distanzunterricht zu lernen. Die Mehrheit (64 Prozent) würde es jedoch bevorzugen, wenn der Unterricht überwiegend oder ausschließlich in Präsenz stattfände. Den großen Vorteil des gemeinsamen Lernens vor Ort sehen die Befragten darin, dass mehr Möglichkeit zur individuellen Betreuung durch die Lehrkräfte besteht (76 Prozent) und dass Schülerinnen und Schüler im Präsenzunterricht weniger abgelenkt sind (75 Prozent). Einen Vorteil des Distanzunterrichts sieht die Mehrheit der Befragten hingegen in der zeitlichen Flexibilität: Etwa drei Viertel (74 Prozent) der Befragten meinen, dass sie sich ihre Zeit zum Lernen im Distanzunterricht besser einteilen können.
Positiver Blick in die berufliche Zukunft - mit Selbstorganisation, Höflichkeit und Toleranz zum Erfolg
Trotz der Skepsis in Bezug auf die Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem blickt die große Mehrheit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen positiv oder eher positiv (86 Prozent) in ihre berufliche Zukunft. Auch zwischen den verschiedenen Befragtengruppen zeigen sich in dieser Frage keine großen Unterschiede: Schülerinnen und Schüler, Studierende oder bereits berufstätige junge Menschen sind alle ähnlich positiv gestimmt.
Die wichtigsten Kenntnisse für die persönliche berufliche Zukunft sind nach Angabe der Befragten Selbstorganisation (96 Prozent), Höflichkeit und Toleranz gegenüber anderen Menschen (94 Prozent) und Kenntnisse der deutschen Sprache (91 Prozent). Immerhin 61 Prozent der Befragten halten Kenntnisse über Klima- und Umweltschutz für sehr wichtig oder wichtig - und damit für relevanter als Kenntnisse in Politik und Geschichte (59 Prozent), Programmier- und Softwarekenntnisse (48 Prozent) oder Auslandserfahrungen (40 Prozent).
Deutschland soll sich auch international für chancengerechte Bildung einsetzen
Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 eine inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung in Deutschland sicherzustellen. Die große Mehrheit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen (82 Prozent) hält es darüber hinaus für wichtig, dass sich Deutschland auch in anderen, ärmeren Ländern dafür einsetzt, dass das Bildungssystem inklusiv, chancengerecht und hochwertig wird. Die hohe Zustimmung zu dieser Frage ist seit dem Jahr 2018 nahezu konstant.
Am 8. Dezember ist der Tag der Bildung
Die Ergebnisse der Forsa-Umfrage werden am 8. Dezember Teil der Diskussion auf der zentralen virtuellen Bildungskonferenz zum Tag der Bildung sein. Dort werden Kinder und Jugendliche vor allem aber selbst erarbeitete Forderungen und Lösungsvorschläge für ein besseres Bildungssystem präsentieren und mit Gästen wie Britta Ernst, brandenburgische Bildungsministerin und Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, und Journalist Günther Jauch diskutieren. Parallel finden bundesweit zahlreiche weitere analoge und digitale Aktionen zum Thema "Lernen und Lehren: Guter Unterricht in Zeiten der digitalen Transformation" statt.
Über die Initiatoren der Umfrage
Die Initiative Tag der Bildung ist eine ganzjährige Aktionslinie, die jährlich am 8. Dezember im Rahmen eines Aktionstages ihren Höhepunkt findet. Deshalb haben Deutsche Kinder- und Jugendstiftung, SOS-Kinderdörfer weltweit und Stifterverband den Aktionstag 2015 ins Leben gerufen. Mittlerweile haben sich mit Baden-Württemberg Stiftung und Bildungschancen zwei weitere starke Partner der Initiative angeschlossen. Anlässlich des Aktionstages wurde eine Forsa-Umfrage in Auftrag gegeben, um die Perspektive von Jugendlichen und jungen Erwachsenen abzufragen und in den Diskurs einzubringen. Weitere Informationen zu den zahlreichen digitalen und analogen Veranstaltungen sind unter www.tag-der-bildung.de verfügbar.
Datenbasis: Die Umfrage wurde von der Forsa Politik- und Sozialforschung GmbH im September und Oktober 2021 durchgeführt und stellt eine repräsentative Befragung von 1.000 Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 14 bis 21 Jahren dar. Der ausführliche Ergebnisbericht kann über das Pressebüro angefordert werden.
Quelle: Tag der Bildung (ots)