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Verschärfung der Hochwassergefahr ist zu einem großen Teil vom Menschen gemacht

Archivmeldung vom 22.01.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.01.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: kladu / pixelio.de
Bild: kladu / pixelio.de

Nach Ansicht der Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), Prof. Beate Jessel, ist das Ausmaß der in der letzten Zeit eingetretenen Hochwasserkatastrophen zu einem beträchtlichen Teil auch die Folge menschlichen Handelns. Neben dem Klimawandel tragen Gewässerbegradigungen und der Verlust ursprünglich durchströmter Auen wesentlich zur Verschärfung der Hochwassergefahr bei.

Anlässlich eines Vortrages im Deutschen Museum München warb die BfN-Präsidentin daher für einen verstärkten vorsorgenden Hochwasserschutz. Dazu sei es notwendig, Deiche rück zu verlegen, um Raum für die notwendige Renaturierung begradigter Fließgewässer und Flussauen zu gewinnen. Im Mittelpunkt des Vortrages stand die Frage nach dem Einfluss des Menschen auf das Naturereignis „Hochwasser“ und die Vermeidung künftiger Schäden. „Dazu besteht in den Bereichen Gewässerrenaturierung, Rückgewinnung von Auen und angepasste Landnutzung großer Handlungsbedarf,“ erklärte Beate Jessel.

Viele Betroffene mussten nach 2002 und 2013 ein weiteres Mal die Erfahrung machen, dass die Bebauung und intensive Nutzung ehemaliger Auen in den vergangenen Jahrzehnten für die Höhe der Schäden mit verantwortlich gemacht werden muss. Durch die scheinbare Sicherheit hinter den Deichen wird Hochwasser nicht mehr als Gefahr wahrgenommen. Aber was, wenn große Überflutungen nicht mehr alle 100 Jahre, sondern viel häufiger eintreten? Viele entlang der Flüsse errichtete Bau- und Gewerbegebiete liegen so tief, dass sie nun häufig besonders gefährdet sind. Neubauten sind oft nicht hochwasserangepasst errichtet worden, da auf Eigenvorsorge weder bei privaten noch bei öffentlichen Bauten konsequent geachtet wurde. „Nach den letzten Hochwasserereignissen ist der Bau hochwertiger Objekte in riskanten Lagen fortgesetzt worden und die Schadenspotenziale haben dadurch weiter zugenommen - entgegen der Zielrichtung des Gesetzgebers“, so Beate Jessel. Dabei waren erst 2005 das Bau- und Wasserrecht unter dem Eindruck des Elbehochwassers 2002 geändert worden, um das Schadenzpotenzial in Überschwemmungsgebieten künftig zu verringern. „Um nicht die Schäden des nächsten Hochwassers zu subventionieren, müssen insbesondere bei staatlichen Förderungen der Aufbauhilfe, die 2002 und 2013 zusammen immerhin 15 Mrd. € betrugen, gezielte Anreize für eine hochwasserangepasste Bauweise bei der Wiedererrichtung von Gebäuden und Infrastruktur gesetzt werden. Investitionen in vorbeugenden Hochwasserschutz bringen vielfältige weitere Vorteile, etwa für den Natur- und den Klimaschutz. Sie sind dadurch langfristig hoch rentabel und volkswirtschaftlich sinnvoll,“ sagte Jessel.

Die großen Hochwasser in den letzten zwei Jahrzehnten haben immer wieder gezeigt, dass technischer Hochwasserschutz alleine nicht ausreicht. „Wesentliche Bausteine zur Vorsorge sind die Rückgewinnung von Flussauen und Maßnahmen in der Fläche. Dabei geht es nicht um ein „Entweder-oder“, sondern um ein „Sowohl-als-auch“, also um bessere Deiche, mehr Auen und angepasste Landnutzungen“, führte Professorin Jessel aus. Wie weitreichend der Auenverlust an den Flüssen in Deutschland ist, zeigt der bereits 2009 erschienene Auenzustandsbericht des BfN: Zwei Drittel der ehemaligen Überschwemmungsgebiete sind durch Deichbau verloren gegangen. An den großen Flüssen wie Rhein, Donau und Elbe beträgt der Verlust streckenweise sogar über 80 % und das nicht ohne Folgen. So erreicht beispielsweise die Hochwasserwelle der Donau in Folge des erheblichen Auenverlustes und von Flussbegradigungen die Stadt Passau 2 ½ Tage früher und mit einem höheren Hochwasserscheitel als vor dem Deichbau und verschärft die Hochwassergefahr. „Deiche sind zum Schutz von Siedlungen wichtig, dürfen jedoch nicht alleine stehen, da sie das Problem oft nur flussabwärts verlagern,“ erklärte Jessel.

Dass es auch anders geht, zeigt eine der aktuell größten Deichrückverlegungsmaßnahmen Deutsch-lands in der Lenzener Elbtalaue. Mit Hilfe des Förderprogramms „Chance.natur - Bundesförderung Naturschutz“ wurde an der brandenburgischen Elbe eine Engstelle beim Hochwasserschutz beseitigt und 420 ha Auenfläche hinzugewonnen. Die Deichrückverlegung in Lenzen hat während des Hochwassers im Sommer 2013 mit bis zu 45 cm eine sogar noch größere Absenkung des Hochwasserscheitels bewirkt als bislang prognostiziert, wie neueste Berechnungen der Bundesanstalt für Gewässerkunde ergeben haben. Eine Senkung des Hochwasserscheitels war über eine Länge von rund 30 Kilometern zu erkennen, so dass auch die Ortschaft Schnackenburg geschützt wurde. Günstig angeordnet können Deichrückverlegungen über die gesamte Länge der Flüsse zu einer wesentlichen Verbesserung des Hochwasserschutzes beitragen. „Dass Deichrückverlegungen wie in der Lenzener Elbtalaue nicht nur den Hochwasserschutz verbessern ,sondern gleichzeitig einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt und zur notwendigen Anpassung an den Klimawandel leisten, ist ein weiterer großer Pluspunkt solcher Maßnahmen“, erläuterte Prof. Beate Jessel. „Deutschland hat zahlreiche internationale und nationale Abkommen verabschiedet mit verbindlichen Zielen zum Schutz der biologischen Vielfalt und zum Klimaschutz. Die Synergien mit dem Hochwasserschutz gilt es verstärkt zu nutzen“. Auf Grund der aktuellen Nutzungen wird eine Rückgewinnung von Auen nicht überall möglich sein. Nach Kenntnis des Bundesamtes für Naturschutz hat sich die natürlich durchströmte Auenfläche etwa durch Deichrückverlegungen in den letzten 15 Jahren aber bislang nur um ca. ein Prozent vergrößert.

Quelle: Bundesamt für Naturschutz (idw)

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