Nina Hoss: Schauspieler werden zur Anpassung erzogen
Archivmeldung vom 06.09.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Schauspielerin Nina Hoss spricht in der ZEIT über den Druck, der auf ihre Berufskollegen ausgeübt werde. Das aktuelle deutsche Theater sei ein "unglaublich hierarchisches System". Sie habe "manchmal das Gefühl, das Theater und der Film sind die letzten Bereiche, wo diese starken Hierarchien einfach so hingenommen werden.
Ich wundere mich immer wieder über
Schauspielerkollegen, die sich das gefallen lassen." Schauspieler
seien zur Anpassung erzogen, sagt Hoss. "Sie sind permanent in ihrer
Person angreifbar. Und natürlich geraten sie immer sofort in Zweifel
über sich selbst. Deswegen sind Schauspieler so schön zu deckeln. Sie
müssen darum kämpfen, geliebt zu werden. Wenn du dich jetzt hier so
offensiv verhältst, dann besetzt der Regisseur dich vielleicht nie
wieder - so denkt man. Aber man darf diesem Mechanismus nicht auf den
Leim gehen. Ich bin glücklicherweise ganz anders erzogen worden, zur
Gegenwehr."
Widerstand sei bei Schauspielern nicht gefragt, so Hoss: "Über
Frauen, die sich wehren, wird ganz schnell das Urteil gefällt: Oh,
die ist schwierig! Das ist 'ne Diva! 'ne Zicke! Man ist sofort in
einer Schublade, wenn man mal sagt: Entschuldigung, so mach ich es
nicht. Da kann es ganz schnell schwierig werden mit weiteren
Engagements ... Je länger man arbeitet, desto mehr denkt man: Man
muss sich nicht alles gefallen lassen. Und wenn ich von einer
Kollegin höre, die ist schwierig, denke ich immer: Die möchte ich mal
kennenlernen."
Der Fehler, so Nina Hoss, liege im Theatersystem: "Die Anfänger werden an die Theater geholt, denn sie sind billig, begabt und motiviert. Sie kriegen einen Ein- oder Zweijahresvertrag, aber sobald sie aus dem Anfängerstatus heraus sind und mehr Geld verlangen könnten, werden sie entlassen, und es kommen die nächsten Anfänger, denn die sind ja wieder so billig und so begabt. Es gibt nicht mehr die Tradition, Schauspieler aufzubauen und zu entwickeln."
Quelle: Pressemitteilung DIE ZEIT