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Fehlgeschlagene Privatisierungen: Im Würgegriff der Konzerne – Teil II

Archivmeldung vom 29.08.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.08.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Bild: Canva (Symbolbild) / WB / Eigenes Werk
Bild: Canva (Symbolbild) / WB / Eigenes Werk

Einen originellen Zugang zum Thema bot der infolge des Ex-Monopols weiter marktdominierte Staatsfunk: 2010 erklärte „Ö1“: Durch eine Zunahme an marktwirtschaftlichen Gesundheitssystemen in Europa hätten Patienten mehr Wahlfreiheit, höhere Versorgungsniveaus und Anspruch auf medizinische Spitzenleistungen. Er listete mögliche Vor- und Nachteile einer Privatisierung auf. Dies berichtet das Magazin "Wochenblick.at".

Weiter berichtet das Magazin: "Hier finden Sie Teil I

Die Vorteile wie angeblich effiziente Verwaltung, Synergien und Kostenersparnis traten kaum ein. Die Nachteile – Zwei-Klassen-Medizin, Abhängigkeit von Beratern & Bietern, Gewinnmaximierung durch private Konzerne, Verdrängung öffentlicher Anbieter – trafen hingegen allesamt ein. Das Gesundheitssystem ist krank, Mitschuld ist die Logik, die Spitäler an reiche Investoren zu verkaufen, die sie auf Gewinn trimmen.

Konzerne kaufen Spitäler

Im Fokus stehen nicht mehr Patienten, sondern schwarze Zahlen. Rechnet sich ein Krankenhaus nicht, wird es dicht gemacht. In Deutschland stieg der Anteil privater Spitäler zwischen 1999 und 2019 von 21 auf 38 Prozent an. Für den heutigen SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach waren es immer noch zu viele Spitäler, er wollte jedes zweite schließen. Ein Jahr später tingelte er durch alle Talkshows, um deren Überlastung zu monieren und damit die Beschneidung von Grundrechten zu rechtfertigen. Es entstanden riesige internationale Konglomerate wie die holländische Waterland Group, die in Deutschland 120 Reha-Kliniken aufkaufte. Auch in der „Pandemie“ rollte der Rubel: Nach einem Millionenverlust im Jahr 2019 kaufte die Ameos Gruppe, die im ganzen deutschsprachigen Raum etwa 90 Kliniken besitzt, das Spital Einsiedeln in der Schweiz. Vor wenigen Tagen kündigten alle Assistenzärzte, nachdem sie über Hungerlohn und schlechte Arbeitsbedingungen klagten.

Lange schwieg die Belegschaft, sie fürchtete Repressalien. Diese ereilten etwa Dr. Friedrich Pürner, einen bayerischen Ex-Gesundheitsamtsleiter, als er Söders Corona-Regie hinterfragte. Bei Recherchen für sein Buch „Diagnose Pan(ik)demie“ fand er heraus, dass im Corona-Jahr 2020 ganze 20 deutsche Spitäler mangels Rentabilität schlossen. Der Mut-Mediziner schreibt von schlechten hygienischen Bedingungen und eklatantem Personalmangel. Im Wochenblick-Interview im Vorjahr sprach er Geschäfte mit der Gesundheit an: „Vorsorgeuntersuchungen, Reha-Behandlungen, Operation wurden oftmals nicht gemacht aus lauter Angst vor Corona und weil man die Betten freihalten wollte. Das war ein wesentlicher Punkt, der mich ins Grübeln brachte. Das liegt am finanziellen Anreiz, der da geschaffen wurde.“ Freilich, dies betraf auch öffentliche Einrichtungen, aber das Problem liegt in der Logik des Systems.

Verknapptes Angebot

Er beschreibt die deutsche Situation, doch sie gilt auch für andere Länder. In Belgien ging die Zahl der Krankenhäuser von 1981 bis 2007 um 70 Prozent zurück. In Österreich sperrten zwischen 1990 und 2003 immerhin 15 % aller Spitäler. Weniger drastisch war der Rückgang in Schweden. Dennoch warten auch dort Krebspatienten über ein halbes Jahr auf Operationen. Erst öffentliche Zuschüsse entspannten die Situation: In der privatisierten Gesundheitswelt geht nichts mehr ohne Geld. Schweden privatisierte 2009 auch sein Apothekensystem. Im Nu sicherten sich Großkonzerne, unter anderem Supermarktketten die Hälfte der Standorte. Neueröffnungen richten sich nach dem Markt. Während sich am zentralen „Triangeln“-Platz in Malmö innerhalb von 100 Metern drei Apotheken finden, wurde das Angebot im ländlichen Raum in Nordschweden weiter ausgedünnt. Dabei war die Versorgung dieser Gebiete das Argument für das Aufbrechen des Staatsmonopols…

Zu Tode gepflegt

Längst privatisiert ist die Pflege – mit Folgen: Wenn Heime mangels Profits schließen, kostet es Menschen ihr Lebensumfeld. Ein Wiener Altersheim setzte im Frühjahr Bettlägerige vor die Tür und kündigte alle Verträge. Für die Schweizer Betreibergesellschaft rechnete sich das Modell nicht. Verschachert wurde die einst öffentliche Immobilie unter der rot-grünen Stadtregierung über eine Zwischenfirma. Die von vielen Bürger gewünschte, wirklich private Pflege daheim wird indes erschwert. Angehörige von Senioren und Schwerbehinderten klagen über einen Bürokratiedschungel, sie müssen um jeden Cent betteln. Die von Schwarz-Grün angekündigte Pflegereform existiert nur auf dem Papier. Immerhin soll die heimische Pflegequalität in öffentlichen und privaten Einrichtungen ähnlich sein. Böse Zungen meinen: Ähnlich schlecht, denn es herrscht akuter Personalmangel. Impfzwänge verschlimmerten die Situation. Ganz verloren hat man den Überblick im Deutschland. Lauterbach gab im Juni zu: „Wir wissen gar nicht genau, wem gehören diese Pflege-Einrichtungen überhaupt, wer macht mit diesen Pflegeeinrichtungen überhaupt im Moment Gewinn.“ In Frankreich berichtete ein Buchautor von üblen Pflegefehlern und rationierten Pflegeartikeln in gewinnorientierten Privat-Pflegeheimen.

Sicher an Bestbietende

Auch andere öffentliche Interessen rutschen zusehends in private Hand. Das „Gewaltmonopol des Staates“ ist an private Sicherheitsdienste ausgelagert. Wachleute stehen in Banken, in Gerichten, in Einkaufszentren, beim Juwelier, bei Veranstaltungen, vor Lokalen, in Öffis, sogar in Fast-Food-Restaurants. In der gespaltenen, ethnisch fragmentierten Gesellschaft sind Konflikte allgegenwärtig. Die Nachfrage ist hoch – das Angebot an Firmen auch. Sie konkurrieren um niedrige Mannstundenpreise, die Arbeiter riskieren um 10 Euro pro Stunde ihr Leben. In Deutschland vervierfachte sich der Personalstand von 1990 bis 2016 von 56.000 auf 233.000 Wachleute – bei 265.000 Polizeibeamten. In den USA veräußerte der Staat ab 1981 gar Gefängnisse an private Investoren. Ein Modell, das in alle Welt exportiert wurde. In Großbritannien und Frankreich schneiden private Sicherheitskonzerne am Kuchen mit. Es ist ein lukratives Geschäft. In Australien gibt es fürstliche Entschädigungen aus Steuergeld, fast jeder fünfte Häftling sitzt im privaten „Häfn“. Schon in den USA zeigte sich: Man hält Kosten niedrig und den Belag hoch. Insassen privater Anstalten sitzen im Schnitt länger hinter Gittern, da sie Geld bringen. Die Ausstattung ist oft heruntergekommen: Abgelaufenes Essen, Ratten, kaputte Sanitärbereiche. Häftlinge reagieren aggressiv, attackieren häufiger Wärter und Mitgefangene.

Hinter diesem System standen mächtige Konglomerate von der Bank of America über General Electric bis zur Columbia University. Diesem Treiben ein Ende zu setzen, war die ambitionierte Ankündigung des neuen Präsidenten Joe Biden. Wie so oft versagte er: Anderthalb Jahre später boomt das Geschäft mit den Gefängnissen weiter."

Quelle: Wochenblick

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