Ex-Grundschuldirektor vor Gericht: 23 Jahre massenhafter Kindesmissbrauch blieb unentdeckt!
Archivmeldung vom 14.01.2023
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Freigeschaltet durch Mary SmithEr wirkt jugendlich und sportlich und lächelt strahlend, während er ein Geschenk in die Kamera hält, was sein Chor ihm gemacht hat. Der 47-Jährige war Grundschulleiter in Osthessen, im Raum Hersfeld-Rotenburg. Er soll laut Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt in 99 Fällen Kinder missbraucht haben. Die Sache wurde vor fast genau einem Jahr ruchbar, und der Mann wurde vom Dienst suspendiert und in Untersuchungshaft genommen. Der Prozess soll am 8. Februar am Landgericht Fulda beginnen. Dazu schreibt Niki Vogt bei "Die Unbestechlichen".
Weiter schreibt sie wie folgt: "Das Landgericht Fulda teilte der Presse mit, dass es in diesem Fall nicht nur um unstatthafte Belästigungen geht, sondern um mehrfachen schweren sexuellen Missbrauch von Kindern. Der Tatzeitraum ist schier unglaublich: Von 1998 bis 2021 soll er 64 Mal Kinder missbraucht haben und in 35 Fällen Jugendliche. Außerdem soll er Kinderpornos besessen und im Internet verbreitet haben.
Dadurch flog der Kinderschänder auch erst auf. Amerikanische Ermittler vom „National Center for Missing and Exploited Children“ (Nationales Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder) fanden seine Kinderpornos im Netz und gaben ihren deutschen Kollegen einen entsprechenden Hinweis. Der Tatverdächtige ist nach hr-Informationen ein ehemaliger Rektor von Grundschulen in den Kreisen Werra-Meißner und Hersfeld-Rotenburg. Er leitete auch mehrere Kinder- und Jugendchöre. Im Sommer 2021 ging er aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand, teilte das zuständige Schulamt der Polizei mit, als die Ermittlungen gegen den ehemaligen Lehrer begannen.
Daraufhin durchsuchten Kriminalbeamte der hessischen Polizei und des ZIT (Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität) die Wohnung des Lehrers und fanden die entsprechenden Datenträger. Bei der Durchsuchung und dem Fund der Beweismittel wurde der Mann verhaftet. Der Beschuldigte befindet sich aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Bad Hersfeld seit Januar 2022 in Untersuchungshaft.
Der Vorwurf gegen den heute 47-Jährigen lautet darauf, „in der Zeit von Januar 1998 bis Dezember 2021 unter anderem an mehreren Orten im Landkreis Hersfeld-Rotenburg 64 Missbrauchstaten zum Nachteil von Kindern, 35 solcher zum Nachteil von Jugendlichen begangen zu haben“.
Der sexuelle Missbrauch von Kindern (174 StGB) ist ein Verbrechen, auf das eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bis zu 15 Jahren steht. Besonders erschwerend wirkt beim Strafmaß, wenn der Täter einen „Missbrauch eines Schutzbefohlenen“ begangen hat. Damit sind folgende Personen eingeschlossen: Eltern, Stiefeltern, Lebenspartner der Eltern, sowie Lehrer, Heimerzieher, Vertretungslehrer und „ähnliche Positionen, die eine übergeordnete Schutzfunktion“ gegenüber dem Kind innehaben. Also wird der Herr Schuldirektor sicherlich einem längeren Aufenthalt im Café Viereck entgegensehen.
Überdies werden ihm 15 Taten im Zusammenhang mit dem Besitz einschlägiger, pornographischer Inhalte (Foto- und Videomaterial) zur Last gelegt, die Kinder oder Jugendliche beim Missbrauch zeigen. Der Vorwurf der Verbreitung von Kinderpornographie (§184 StGB) ist ein eigener Tatbestand, der noch dazu kommt. Das könnte durchaus insgesamt mit 15 Jahren Freiheitsentzug geahndet werden.
Dieses Gesetz wurde erst am 01. Juli 2021 mit dem Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder drastisch verschärft: Es wird heute als Verbrechen geahndet, wogegen es zuvor nur ein Vergehen war (§12 StGB). Vergehen sind rechtswidrige Taten, die mit einer Geldstrafe abgegolten werden können oder mit einer relativ niedrigen Freiheitsstrafe. Verbrechen sind mit einem Mindestmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe bewehrt und können nicht mit einer Geldstrafe abgegolten werden.
Die hohen Strafen für alles, was mit Kinderpornographie (§184 StGB) zu tun hat, zielt dabei auf die Bestrafung der mittelbaren Form des sexuellen Missbrauchs. Das, was an der Kinderpornographie so besonders strafwürdig ist, das ist die „dauerhafte Viktimisierung der Opfer“. Denn durch die Verbreitung sind die Opfer regelrecht stigmatisiert. Sie wissen, dass diese Bilder ihrer Erniedrigung, ihrer Qual und ihres Missbrauchs in möglicherweise großer Zahl in die Hände von Menschen geraten sind, die sich daran ergötzen. Sie geraten auch dadurch in Gefahr, dass diese Bilder und Videos dazu führen, dass die pädophilen Zuschauer genau dieses Kind ebenfalls missbrauchen wollen und dafür viel Geld bezahlen.
Es handelt sich auch ganz offensichtlich nicht um romantisch weichgezeichnete Softpornobildchen sehr junger Nymphchen, wie die des Fotografen Hamilton. Hier wird ganz klar von schwerem sexuellen Missbrauch gesprochen, also im Prinzip Vergewaltigungen, die die Kinder über sich ergehen lassen mussten. An der Schule in Rotenburg, wo der Kinderschänder sein Unwesen getrieben hatte, sind nun Schulpsychologen im Einsatz.
Worüber die meisten Medien nicht schreiben, ist der Horror der Eltern. Der Schock sitzt tief, und obwohl bekannt ist, dass missbrauchte Kinder so gut wie nie davon berichten, werden sie sich selbst die größten Vorwürfe machen, dass sie es nicht selbst bemerkt haben, dass sie ihr Kind „im Stich gelassen“ haben, als es sie am meisten brauchte. Das ist immer wieder so, wie auch bei den 23 Kindern auf dem Campingplatz Lüdge. Die Kinder reden nicht. Hauptsächlich aus Angst. Wenn sie wissen, der böse Mann sitzt im Gefängnis und es kann ihnen nichts mehr passieren – und es gibt Leidensgenossen – dann reden sie auf einmal.
Die Eltern werden sich als Versager fühlen und mitschuld an dem Missbrauch. Sicher gab es Auffälligkeiten im Verhalten der Kinder. Aber dann denkt man schnell, ach, es ist vielleicht nur eine Entwicklungsphase und befragt den jeweiligen Lehrer, der genauso wenig auf diese Ursache für Ängstlichkeit, Depressionen, Introvertiertheit, Verschlossenheit und Aggressivität kommt. Das Kind entwickelt oft auch Schlafstörungen, will vielleicht wieder ins Elternbett und klammert sich an. Andere Kinder lassen sich plötzlich nicht mehr anfassen, wollen nicht mehr kuscheln oder wollen sich abends nicht mehr ausziehen. Auch plötzliches Abstürzen der Schulleistungen sind ein Warnsignal, genauso wie seltsam plötzliches Strebertum und selbstgemachter Leistungsdruck ohne ersichtlichen Grund.
Eltern, die eine dauerhafte Persönlichkeitsveränderung (also nicht nur eine momentane Laune von ein, zwei Tagen) an ihrem Kind beobachten und keinen nachvollziehbaren Grund dafür kennen, sollten Hilfe suchen.
Ansprechpartner finden sie beim Opfer-Telefon des WEISSEN RINGS e.V.: 116 006 (täglich 7 bis 22 Uhr, kostenlos),
Nummer gegen Kummer: 0800 111 0 333 (montags bis samstags 14 bis 20 Uhr, kostenlos)
Jugendliche können selbst im Internet unter www.save-me-online.de oder www.juuuport.de nach Hilfe suchen."
Quelle: Niki Vogt (Die Unbestechlichen)