Juristische Spitzfindigkeiten? "Thumbnails" verletzen das Urheberrecht, eine Haftung ist trotzdem fraglich
Archivmeldung vom 25.04.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAuf Internetseiten sind Bilder und digitale Grafiken besonders beliebt, die als sog. Vorschaubilder für eine größere Version verwendet werden. Und da Webdesigner gerne englische Namen verwenden, kriegt man den gleich mitgeliefert. Solche Vorschaubilder werden deshalb als Thumbnail (englisch für Daumennagel) bezeichnet.
Der technische Vorteil dieser Vorschaubilder liegt darin, dass kleine Bilder zur kürzeren Ladezeiten beim Aufrufen der Internetseite führen, da Bilder den größten Teil der Datenmenge einer Internetseite ausmachen. Der Besucher kann dann selbst entscheiden, ob und wenn ja, welches Bild er in voller Datengröße betrachten möchte. Meist öffnet sich das Bild in voller Größe, wenn er auf das Vorschaubild klickt. Ein rechtliches Problem entstand daraus, als die Vorschaubilder aufgrund der erheblich verbesserten Speicherkapazitäten von Suchmaschinen und Bildbearbeitungsprogrammen auch in die Darstellung der Suchtreffer eingestellt wurden. Inzwischen lesen selbst moderne Benutzeroberflächen wie Windows XP, KDE und GNOME Vorschaubilder bereits automatisch aus.
Auch Thumbnails sind urheberrechtlich geschützt
In einer Reihe von Urheberrechtsprozessen der letzten Jahre ging es deshalb um die Frage, ob derjenige, der die Bildrechte innehat (= der Urheber), gegen denjenigen, der sie auf seiner Internetseite nutzt (= z.B. der Suchmaschinenbetreiber), Urheberrechte geltend machen kann? Die praktische Bedeutung ist enorm, denn wenn Urheberrechte existieren, stehen nicht bloß eine ganze Reihe von zivilrechtlichen Ansprüchen im Raum, etwa Unterlassung, Schadensersatz, Vernichtung, ggf. auch Auskunft etc., sondern eben auch der Strafvorwurf des § 106 UrhG.
Übereinstimmend sind die meisten Gerichte der Ansicht, dass Vorschaubilder als urheberrechtlich geschützte Werke anzusehen sind (etwa Landgericht Halle, Urt. v. 15.03.2007 – 3 O 1108/05, MMR 2007, 393; ebenso Thüringer OLG, Urt. v. 27.02.2008 – 2 U 319/07). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich in der Regel um eine stark verkleinerte Darstellungen handelt (ausdrücklich: Landgericht Hamburg, Urt. v. 05.09.2003 – 308 O 449/03, MMR 2004, 558).
Das bedeutet, dass sich die Urheber der Vorschaubilder grundsätzlich auf ihr Urheberrecht berufen können und Dritte einer Erlaubnis bedürfen, wenn sie diese Bilder verwenden wollen.
Suchmaschinenbetreiber haften trotzdem nicht, jedenfalls zur Zeit
Trotz des bestehenden Urheberrechtes konnten sich die
Suchmaschinenbetreiber bislang erfolgreich gegen Inanspruchnahmen
wehren. Die Begründung ist jedoch höchst unterschiedlich und eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofes steht noch aus.
Das Landgericht Halle hatte eine Klage gegen einen
Suchmaschinenbetreiber abgewiesen. Trotz eines bestehenden
Urheberrechtes sei die Verwendung der Vorschaubilder aufgrund einer
konkludenten Einwilligung in die Verwertungs- und Nutzungsrechte durch
den Urheber im konkreten Fall nicht widerrechtlich gewesen. Das Gericht
betonte, dass Suchmaschinen eben auch den Interessen der Urheber
dienen, wenn diese eine Internetseite ins Netz stellen. Schließlich
hätte in diesem Fall der Urheber ja ein Interesse daran, dass seine
Seite auch gefunden und aufgerufen werden könne. Eine Suchanzeige in
Form von „thumbnails“ sei etwa bei der Suche nach Kunstwerken sehr viel
aussagekräftiger als Worte, die ein Werk nur unzulänglich beschreiben
würden. Aufgrund des Interesses des Urhebers sei eine konkludente
Einwilligung an der Nutzung durch Suchmaschinenbetreiber anzunehmen.
Das Thüringer Oberlandesgericht hat diese Rechtsansicht in der
Berufungsinstanz jedoch nicht mitgetragen, ohne das sich am Ergebnis
aber etwas geändert hätte. Das Gericht meinte zwar, an eine
Einwilligung des Urhebers seien strenge Anforderungen zu stellen, die
nicht bereits dann vorlägen, wenn man Bilder frei und ohne technische
Schutzmaßnahmen ins Internet einstellt. Trotzdem wurde die Urheberklage
abgewiesen, weil der Urheber im konkreten Fall dem
Suchmaschinenbetreiber den Zugriff auf die Internetseite durch eine
nachgewiesene Suchmaschinenoptimierung erleichtert und den „Crawler“
des Suchmaschinenbetreibers dadurch angelockt habe. Dazu reiche es aus,
dass die Internetseite im Quelltext META-Elemente enthalten habe, die
ständig aktualisiert und geändert worden seien. Deshalb sei das Berufen
des Urhebers auf eine fehlende Einwilligung zur Verwertung ihrer Bilder
durch Suchmaschinen rechtsmissbräuchlich und treuwidrig im Sinne von §
242 BGB (Verstoß gegen Treu und Glauben).
Hinter der Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichtes steckt ein juristischer Kunstgriff. Man konnte die Argumentation des Landgerichtes Halle juristisch nicht aufrechterhalten, wollte aber am Ergebnis festhalten. Das Bilder dem geltenden Urheberrechtschutz unterliegen ist letztlich der Gesetzeslage geschuldet. Ganz erhebliche praktische Auswirkungen hätte es jedoch, wenn man dem Inhaber von „thumbnails“ zubilligen würde, Schadensersatz durchzusetzen. Damit würde man den aktuellen technischen Fortschritt der Suchmaschinen faktisch um Jahre zurückwerfen, wenn diese ein Recht zur Bildindexierung von jedem einzelnen Urheber erst "einsammeln" müssten. Das Bemühen der juristischen Generalklausel der "Treuwidrigkeit" war vor diesem Hintergrund die "rettende Zuflucht", wenn ein Ergebnis sonst untragbar erscheint.
Einen anderen Weg, aber mit gleichem Ergebnis, wählte das Landgericht Bielefeld, welches die Rechtsfrage zu beantworten hatte, ob derjenige, der Thumbnail verwende, ohne über eine Urhebernutzungslizenz zu verfügen, dem Urheber Schadensersatz zu leisten habe. Auch das Gericht in Bielefeld bejaht zwar die Urheberrechte an den Vorschaubildern; verneint aber den Schadensersatzanspruch. Das Gericht meint, Schadensersatz gebe es nur, wenn die Zahlung einer Lizenz der Verkehrssitte entsprechen würde. Eine solche Verkehrssitte habe sich bei der Verwendung von Vorschaubildern derzeit noch nicht herausgebildet. (Urt. v. 08.11.2005 – 20 S 49/05, CR 2006, 350).
Bundesgerichtshof hat noch nicht entschieden
Im Ergebnis ist der Rechtsprechung eine Tendenz zu entnehmen, die Suchmaschinenbetreiber mit jeweils unterschiedlicher Begründung aus der Haftung herauszunehmen. Das letzte Wort ist damit allerdings noch nicht gesprochen. Das Thüringer Oberlandesgericht hatte die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, da die zu klärenden Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung aufweisen würden. Somit stellt es nur noch eine Frage der Zeit dar, bis das Obergericht diese Rechtsfragen entscheidet.
Quelle: Ulrich Schulte am Hülse, Rechtsanwalt