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Rassismus ist im deutschen Gesundheitswesen Alltag

Archivmeldung vom 24.03.2023

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.03.2023 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Mary Smith
Kampagne der Deutschen Aidshilfe anlässlich der Internationalen Wochen gegen Rassismus
Kampagne der Deutschen Aidshilfe anlässlich der Internationalen Wochen gegen Rassismus

Bildrechte: Deutsche Aidshilfe Fotograf: Deutsche Aidshilfe

Deutsche Aidshilfe zum Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongress und zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus: Jetzt gemeinsam hinschauen und aktiv werden gegen rassistische und HIV-bezogene Diskriminierung im Gesundheitswesen

Stell dir vor, du brauchst ärztliche Hilfe - und wirst diskriminiert. So geht es vielen schwarzen Menschen und People of Color in Deutschland. Sie erleben im Gesundheitswesen häufig Rassismus - und mehrfache Diskriminierung, wenn sie HIV-positiv sind. Die Folgen können lebensbedrohlich sein. Darauf weist die Deutsche Aidshilfe (DAH) anlässlich des Deutsch-Österreichischen AIDS-Kongresses (DÖAK) in Bonn.

Auf dem DÖAK präsentiert die DAH Fakten zum Thema und fordert Sensibilisierung, konkrete Gegenmaßnahmen sowie Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle Menschen, gleich welcher Hautfarbe oder Herkunft. Zugleich klärt sie mit der Kampagne "Aidshilfen gegen Rassismus" über das Thema auf. Damit folgt die DAH dem deutschen Motto für die Internationalen Wochen gegen Rassismus vom 20.3. bis 2.4.: "Misch dich ein".

"Rassismus ist im deutschen Gesundheitswesen Alltag - aber das merken bisher fast nur diejenigen, die es betrifft. Eine Auseinandersetzung mit Rassismus in Gesundheit und Pflege wurde bisher schändlich vernachlässigt", sagt Omer Ouedraogo, Referent für Migration der Deutschen Aidshilfe. "Mit unserer Kampagne wollen wir sagen: Lasst uns alle gemeinsam hinschauen und dann handeln!"

Rassistische Diskriminierung ist Alltag

Daten zum Thema liefern der Afrozensus, für den rund 6.000 BPoC (Black und People of Color) befragt wurden, und die Studie "positive stimmen 2.0" der Deutschen Aidshilfe und des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ Jena).

64,6 % der Befragten des Afrozensus mit Kontakt zum Bereich "Gesundheit und Pflege" in den letzten zwei Jahren hatten dort Diskriminierung erfahren, rund drei Viertel davon aufgrund ihrer Hautfarbe oder ethnischen Herkunft. Rund zwei Drittel hatten erlebt, dass Ärzte ihre Beschwerden nicht ernst nahmen.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) berichtet unter anderem von rassistischen Beleidigungen, Benachteiligungen bei Behandlungen sowie Verweigerungen von Leistungen der Gesundheitsversorgung, beispielsweise aufgrund unzureichender deutscher Sprachkenntnisse.

Die Folgen der genannten Missstände reichen von Fehl- und Spätdiagnosen über Retraumatisierungen bis hin Behandlungsabbrüchen. Bei den "positiven stimmen 2.0" gaben 18% der Befragten mit Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitswesen an, sie hätten Angst, Gesundheitsdienste in Anspruch zu nehmen.

"Rassismus wirkt sich auf die Psyche aus. Die Menschen brennen schneller aus, sie haben Angst. Sie trauen sich nicht, Beratung in Anspruch zu nehmen oder sich in ärztliche Behandlung zu begeben. Dies bedeutet in der Folge eine massive Einschränkung der Lebensqualität, die wir so nicht hinnehmen dürfen", sagt DAH-Vorstandsmitglied Björn Beck.

HIV zeigt beispielhaft, wie dramatisch die Folgen sein können: HIV-Spätdiagnosen sind lebensgefährlich. Denn unbehandelte HIV-Infektionen führen nach einigen Jahren zu Aids.

HIV-bezogene Diskriminierung plus Rassismus

Wie die meisten HIV-positiven Menschen erleben nicht-weiße Menschen mit HIV zugleich Diskriminierung aufgrund ihrer HIV-Infektion. 56% der HIV-positiven Befragten der Studie "positive stimmen 2.0" hatten in den 12 Monaten vor der Befragung im Gesundheitswesen eine negative Erfahrung gemacht - von verweigerten Behandlungsleistungen über unangebrachte Fragen bis hin zur Offenlegung ihrer Infektion gegenüber Dritten.

Rassistische Benachteiligung und Diskriminierung wegen HIV sind generell häufig miteinander verwoben und lassen sich nur schwer auseinanderhalten. So wird zum Beispiel Menschen afrikanischer Herkunft oft unterstellt, sie "brächten" HIV und würden den deutschen Krankenkassen zur Last fallen; zugleich wird eine Verbindung zu stereotypen, rassistischen Vorstellungen ihrer Sexualität hergestellt.

"Viele fragen mich ganz direkt nach HIV, weil ich schwarz bin", sagte etwa eine Person in einem Interview der "positiven stimmen 2.0".

Zugang zum Gesundheitssystem für alle

Obwohl der beste erreichbare Gesundheitszustand ein Menschenrecht ist, haben in Deutschland Menschen ohne Aufenthaltspapiere meist nicht einmal Zugang zum Gesundheitssystem: Sie nehmen in der Regel keine medizinische Hilfe in Anspruch, weil sie dann ihre Abschiebung fürchten müssen - zwecks Kostenerstattung werden ihre Daten der Ausländerbehörde übermittelt. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag Abhilfe versprochen und muss nun dringend liefern.

Auch Menschen ohne Krankenversicherung haben keinen ausreichenden Zugang zu Gesundheitsleistungen, ebenso Asylbewerber in den ersten 18 Monaten ihres Verfahrens.

Rassismus erforschen und abbauen

"Politik und Medizinsystem müssen alle Dimensionen des Rassismus im Gesundheitswesen endlich ernst nehmen und gegensteuern", sagt DAH-Vorstand Björn Beck. "Zugleich müssen wir alle uns eigenen rassistischen Denk- und Handlungsweisen stellen, uns öffnen und dazu lernen - das gilt natürlich auch für uns Aidshilfen."

Notwendig sind neben Maßnahmen gegen Rassismus in unserer Gesellschaft allgemein unter anderem:

"Das Ziel muss eine verlässlich diskriminierungsfreie Versorgung für alle sein", betont DAH-Vorstand Beck. "Kein Mensch darf von Gesundheit ausgeschlossen werden, kein Mensch darf Diskriminierung wegen seiner Hautfarbe oder einer HIV-Infektion fürchten müssen, wenn er medizinische Hilfe braucht."

Quelle: Deutsche Aidshilfe (ots)

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