Direkt zum Inhalt Direkt zur Navigation
Sie sind hier: Startseite Berichte Vermischtes Studie - Wie Städte immer dreister Autofahrer abzocken

Studie - Wie Städte immer dreister Autofahrer abzocken

Archivmeldung vom 11.12.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.12.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Rike / pixelio.de
Bild: Rike / pixelio.de

Das Geld wird knapper - nicht nur private Haushalte, sondern auch Städte sind immer stärker auf weitere Einnahmequellen angewiesen. Zusätzliche Finanzspritzen aus Verwarnungs- und Bußgeldern sind da eine willkommene Möglichkeit, das Haushaltsbudget aufzubessern - und das vor allem bei den Melkkühen der Nation: den Autofahrern. Was einst offiziell in erster Linie zur Sicherheit im Straßenverkehr diente, entpuppt sich mittlerweile allzu oft als feste Größe in der kommunalen Haushaltsplanung. Das belegt nun eine mehrmonatige umfangreiche Studie des Verbraucherportals preisvergleich.de (1,99 Mio. Nutzer im Monat)*. Hierzu wurden 116 Städte befragt, wie hoch ihre Einnahmen aus Verwarnungs- und Bußgeldern sind.

Ernüchternd: Viele Städte - fast die Hälfte - verweigern Auskünfte zu diesem heiklen Thema. Grund: Kommunen geben ungern - gerade in kommunalen Wahlzeiten - zu, wie umfangreich mittlerweile das Geschäft mit Verwarnungs- und Bußgeldern im Straßenverkehr ist. Von 116 angeschriebenen Städten waren gerade einmal 48 bereit, Auskünfte zum Geschäft mit dem Abkassieren von Autofahrern zu geben. 68 Städte drückten sich. Doch: preisvergleich.de hat hier statistische Verfahren angewendet, indem anhand der Anzahl zugelassener Kraftfahrzeuge (Kfz) je Städtegrößencluster Durchschnittswerte gebildet wurden, die dann wiederum für die Kommunen zur Anwendung kamen, die sich entweder "weigerten" oder derzeit "keine Angaben" machen konnten - aus welchen Gründen auch immer.

Grund: Es ist nicht akzeptabel, dass Kommunen Bürger in immer stärkerem Ausmaß abkassieren und dann der Öffentlichkeit nicht einmal Rede und Antwort dazu stehen. Sollten die betroffenen Kommunen doch noch bereit sein, Auskünfte zu ihren tatsächlichen Einnahmen rund um ihre erlassenen Verwarnungsgelder und Bußgeldbescheide zu geben, korrigiert preisvergleich.de diese Angaben gerne. Bis dahin gelten die Schätzwerte.

Verwarnungsgelder im fließenden oder ruhenden Straßenverkehr variieren zwischen 5 und 35 Euro. Bußgelder gehen über diesen Betrag hinaus.

Studien-Ergebnis

Die Ordnungsamts-Mitarbeiter, Politessen oder Polizisten leisten mittlerweile für ihre Stadtsäckel oder die Säckel der Sicherheitsbehörden ganze Arbeit. Bei Regen und Wind, Schnee und Hagel sind sie in den Städten unterwegs - oft bis tief in die Nacht hinein. So zum Beispiel in der Kopenhagener Straße im beliebten Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Bis vor kurzem war die Straße knöllchenfrei. Jetzt brummt das dicke Geschäft mit den Autofahrern. Ähnlich sieht es in Leipzig aus - beispielsweise in der Großen Fleischergasse: Anwohner und Städtebesucher sehen hier von früh bis spät blau. Besser gesagt: die blauen Uniformen der fleißigen Aufschreiber der Städte. Mit Kameras bewaffnet, Block oder digitalen Erfassungsgeräten, drehen sie stundenlang ihre Runden, freuen sich über jeden Falsch- oder Länger-als-Erlaubt-Parker.

Das Ergebnis: Fast eine halbe Milliarde Euro, rund 450 Mio. Euro, dürften nach Berechnungen des Verbraucherportals preisvergleich.de alleine im Jahr 2011 die 116 größten deutsche Städte rund um das Falschparken, Zu-Lange-Parken oder etwas zu schnelles Fahren durch die 30er-Zone einnehmen. Hierbei sind noch nicht einmal jene Beträge berücksichtigt, die von der Polizei eingenommen werden und an den Städten vorbei gehen, da sie beispielsweise an die Bußgeldstellen der Landeskassen abgeführt werden.

Die 450 Mio. Euro entsprechen im Vergleich zum Vorjahr einem Plus an eingetriebenen Kfz-Strafzahlungen in Höhe von neun Prozent. Jedoch gibt es hier von Stadt zu Stadt große Unterschiede. So liegt beispielsweise in Chemnitz die Einnahme-Steigerung im Vergleich zum Vorjahr bei satten 50 Prozent. Auch Mainz und Nürnberg haben Steigerungsraten von an die 40 Prozent. Mit einem Plus an Einnahmen aus Verwarnungs- oder Bußgeldern von 35 Prozent sind auch Ingolstadt und Erlangen Einzugsmeister.

Deutschlands Knöllchenhochburgen

Neben den beliebten in Rechnung gestellten Parkplätzen in der Innenstadt gelten zunehmend auch die 30er-Zonen nicht mehr nur der Verkehrsberuhigung und dem Schutz der Kinder, sondern auch dem städtischen Abkassieren. Denn, so ein städtischer Mitarbeiter: "Natürlich wissen wir, dass viele gerne fünf oder zehn Stundenkilometer schneller vorankommen möchten, und nutzen das durchaus auch als Einnahmequellen."

Deutschlands Knöllchenhochburgen sind: Ulm, Schwerin, Bielefeld, Köln, Aachen, Tübingen, Mannheim, Stuttgart, Leipzig und Duisburg (TABELLE). Alleine diese zehn Städte kassierten im Jahr 2011 insgesamt 100 Mio. Euro von ihren Autofahrern und Autofahrerinnen. In Duisburg oder Leipzig waren es jeweils 10 Mio. Euro, in Stuttgart 15 Mio. Euro. Rechnet man diese Geldbußen auf die Anzahl der pro Stadt zugelassenen Kfz um, kommt man alleine in der Stadt mit dem berühmten Münster, in Ulm, auf sage und schreibe jährliche 65 Euro Strafzahlungen aus Verwarnungs- und Bußgeldern pro motorisiertem Vehikel. Ähnlich hoch sind die eingetriebenen Strafen in den anderen Knöllchenhochburgen pro Kfz und Jahr: Schwerin (63EUR), Bielefeld (63EUR), Köln (61EUR), Aachen (53EUR), Tübingen (52EUR), Mannheim (51EUR), Stuttgart (49EUR), Leipzig (47EUR) und Duisburg (41EUR).

Aber auch in den folgenden Städten werden die Kfz-Halter kräftig zur Kasse gebeten (alle Angaben in Klammern entsprechen den durchschnittlichen Höhen der Verwarnungs und Bußgelder pro Jahr und zugelassenem Kfz in der Stadt): Lübeck (40EUR), Flensburg (38EUR), Münster (37EUR), Hamburg (36EUR), Erlangen (32EUR), Mainz (30EUR), Baden-Baden (29EUR), Chemnitz (26EUR), Trier (22EUR), Offenburg (22EUR), Neuss (22EUR), Solingen (20EUR), Freiburg (20EUR), Nürnberg (20EUR), Paderborn (20EUR), Moers (19EUR), Göttingen (19EUR), München (19EUR), Minden (15EUR), Recklinghausen (13EUR), Pirmasens (12EUR), Heide (12EUR), Traunstein (10EUR) sowie Ingolstadt (6EUR).

Richtig zur Sache geht es mittlerweile in Großstädten. Diese sind längst Meister im Geldeintreiben von den Kfz-Haltern geworden: Alleine in Berlin, Hamburg und Köln freuen sich die städtischen Kämmerer über rund 90 Mio. Euro Kfz-Strafzahlungen im Haushaltsjahr 2011. Das sind immerhin 247.000 Euro pro Tag oder durchschnittlich 82.000 Euro pro Stadt und Tag. Jedoch: Im Falle von Berlin (+21% im Vorjahresvergleich) sind nur die Verwarnungsgelder enthalten. Über die Bußgeldeinnahmen konnte der Senat angeblich keine Auskunft geben. Hier dürften aber nach Schätzungen von preisvergleich.de leicht noch einmal gut 30 Mio. Euro den Berliner Autofahrern aufgehalst werden. Das macht also für die Berliner Autofahrer oder sonstigen Kfz-Fahrer eine jährliche Gesamtlast in Höhe von rund 60 Mio. Euro oder 164.000 Euro pro Tag.

Reine Verwarnungsgelder pro Kfz

Schaut man sich die reinen Kfz-Verwarnungsgelder an, das heißt ohne erlassene Bußgeldbescheide, so liegen drei hessische Städte auf den ersten Plätzen: Ganz oben im Ranking ist Offenbach am Main mit 45 Euro pro Kfz. Nur unwesentlich "günstiger" ist Gießen mit 44 Euro. Das beschauliche Fulda findet sich mit 35 Euro je zugelassenem Vehikel auf Platz drei. Korrekte Autofahrer oder besonders kulante Politessen scheint es hingegen in Augsburg (14EUR/Kfz), Essen (14EUR/Kfz) und Neumünster (6EUR/Kfz) zu geben. Auch wenn Berlin mit durchschnittlich 22 Euro Kfz-Verwarnungsgelder pro Kfz eher im Mittelfeld liegt, so heißt es hier: "Kleinvieh" macht auch Mist. 28 Mio. Euro bleiben so immerhin im Säckel im Roten Rathaus am Berliner Alexanderplatz hängen.

Hintergrund Studie und Erhebung

Die unterschiedliche Struktur der Erhebung von Geldbußen machte die Recherche für die Studiendurchführenden von preisvergleich.de nicht gerade einfach. So gibt es Städte, die einerseits zwar die Verwarnungsgelder in den städtischen Haushalt einfließen lassen, nicht aber die Bußgelder. So kann es sein, dass in einigen Städten ein Teil in den städtischen Haushalt einfließt, ein anderer Teil über Polizei an zentrale Bußgeldstellen, die von den Ländern (z.B. Bayern) betrieben werden. In anderen Städten wiederum fließen beide Bereiche in den städtischen Haushalt ein. Und in circa 59 Prozent der Städte wird gar keine Statistik geführt und nur kassiert. Diese Städte wollten oder konnten keine Angaben über die Einnahme-Höhe aus Verwarnungs- oder Bußgeldern machen. Deshalb griff preisvergleich.de zum statistischen Mittel der Schätz-Berechnung auf Grund von Erfahrungswerten in ähnlichen Kommunen.

Doch egal, wie die Eintreibung der Strafen für die Autofahrer und sonstigen Kfz-Halter aussieht: Für ihn oder sie ist das letztlich egal, denn oftmals arbeiten Stadt und Land, die städtische Verwaltung und der Landkreis oder die Ordnungsämter mit den Polizeibehörden zusammen und sprechen sich hier ab. Die Studie stellt deshalb in den Tabellen im Anhang im oberen Drittel jene Städte dar, die ganz klar sowohl die Verwarnungs- als auch die Bußgelder aus dem ruhenden und fließenden Verkehr erhalten. In allen anderen Fällen wurde, wie eingangs erklärt, eine statistische Hochrechnung und Schätzung der Einnahmen vorgenommen, obgleich es sein kann, dass die geschätzten Kommunen nur circa 50 Prozent dieser dort aufgeführten Beträge tatsächlich direkt erhalten und der Rest wieder an andere Stellen fließt.

Kontaktiert wurden die jeweiligen Pressestellen der Stadtverwaltungen. Angefragt wurden die Einnahmen der Stadtverwaltungen aus Verwarnungs- und Bußgeldern durch Ordnungswidrigkeiten im ruhenden und fließenden Verkehr je für die Jahre 2010 und 2011 (Verkehrsordnungswidrigkeiten). Die Daten wurden zur statistischen Veranschaulichung mit den zugelassenen Kraftfahrzeugen (Kfz) des jeweiligen Stadtgebietes ins Verhältnis gesetzt (Quelle hierfür: Kraftfahrt-Bundesamt).

Als Knöllchenhochburgen wurden alle jene Kommunen klassifiziert, die mindestens um 30 Prozent über dem Schnitt Knöllchen an die Kfz-Halter verteilt haben. Jene Kommunen, die keine konkreten Angaben machen "konnten" oder "wollten", wurden in dieser Studie nicht weiter bewertet. Das überlassen wir den Journalisten vor Ort. Woher kommt eigentlich der Name "Knöllchen"?

Hätten Sie's gewusst? Der umgangssprachliche Begriff "Knöllchen", der sich meist als amtlicher Schein am Scheibenwischer bemerkbar macht, hat nichts mit "Knüllen" - wie man vom anschließenden Zerknüllen meinen möchte - zu tun. Der Begriff geht auf die rheinische Mundart zurück. Dort heißt es offiziell nur "Protokoll". Daraus wurde das "Protoköllchen" und in weiterer Abwandlung dann das besagte "Knöllchen".

Quelle: Preisvergleich.de (ots)

Videos
Daniel Mantey Bild: Hertwelle432
"MANTEY halb 8" deckt auf - Wer steuert den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
Mantey halb 8 - Logo des Sendeformates
"MANTEY halb 8": Enthüllungen zu Medienverantwortung und Turcks Überraschungen bei und Energiewende-Renditen!
Termine
Newsletter
Wollen Sie unsere Nachrichten täglich kompakt und kostenlos per Mail? Dann tragen Sie sich hier ein:
Schreiben Sie bitte quark in folgendes Feld um den Spam-Filter zu umgehen

Anzeige