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Kniefall vor der Regierung und deren Corona-Politik

Freigeschaltet am 31.10.2024 um 18:47 durch Sanjo Babić
Politiker weltweit drängen ihre Bevölkerungen dazu ein experimentielles Mittel zu nehmen um sich vor einer Krankeit mit 99,99% Überlebenschance zu schützen (Symbolbild)
Politiker weltweit drängen ihre Bevölkerungen dazu ein experimentielles Mittel zu nehmen um sich vor einer Krankeit mit 99,99% Überlebenschance zu schützen (Symbolbild)

Bild: Unbekannt / Eigenes Werk

Im März 2022 wurde die begrenzte Impfpflicht eingeführt, die Bedienstete von Gesundheitseinrichtungen verpflichtete, sich gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen zu lassen (§ 20a Infektionsschutzgesetz – IfSG). Gegen Pflegepersonal ohne gültigen Impf- oder Genesungsnachweis konnte ein Betretungs- und Betätigungsverbot ausgesprochen werden. Dies schreibt Manfred Kölsch auf dem "Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte n.e.V." (KRiStA).

Weiter schreibt Kölsch: "Diese einrichtungsbezogene Impfpflicht sollte nach dem Willen des Gesetzgebers vulnerable Personen vor Infektion schützen. Ob durch Impfung des Pflegepersonals in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Arztpraxen zugleich ein Schutz der Gepflegten vor Ansteckung durch das Pflegepersonal (Fremdwirkung) erreicht werden konnte, war stets umstritten. Auf eingelegte Verfassungsbeschwerden hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, § 20a IfSG sei verfassungskonform.

Das Verwaltungsgericht Osnabrück ist nun nach Auswertung der sog. RKI-Protokolle und der Vernehmung des jetzigen Präsidenten des Robert-Koch-Instituts (RKI) als Zeugen zu der Überzeugung gelangt, § 20a IfSG sei auf Grund aufgetretener neuer Tatsachen spätestens in der 2. Hälfte 2022 in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen. Durch den Vorlagebeschluss (hier kommentiert bei KRiStA) vom 03.09.2024 (3 A 224/22) hat das Osnabrücker Gericht dem BVerfG nunmehr Gelegenheit gegeben, seine Entscheidung vom 27.04.2022, in der § 20a IfSG für verfassungsgemäß erklärt worden war, zu überprüfen.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Osnabrück belebt die dahinsiechende Corona-Aufarbeitung. Denn bisher war die Aufarbeitung unterblieben, auch wenn sie fortlaufend wortreich angekündigt wird. So schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Nr. 149 auf Seite 9 am 29.06.2024: „Aufarbeitung beginnt“. Am 13.07.2024 erklärte der jetzige Bundesgesundheitsminister Lauterbach (SPD) gegenüber der FAZ mit markigen Worten: „Wir drehen zu den Masken jeden Stein um“ – ohne erkennbare praktische Konsequenzen. Allein bei der Maskenbeschaffung wurden, wie der Bundesrechnungshof (BRH) belegt hat, ca. 10 Milliarden Euro an Steuergeldern „im Ergebnis ohne Nutzen für die Pandemiebekämpfung und damit ohne gesundheitspolitischen Wert“ verschleudert (vgl. Manfred Kölsch, Steuergeldverschwendung in Milliardenhöhe bei illegaler Maskenbeschaffung durch Bundesgesundheitsministerium).

Gleichzeitig gibt es zahlreiche Aufarbeitungsverhinderer. Die FAZ findet etwa: Unrecht hin oder her: „Der Albtraum ist vorbei, das zählt.“ Jens Spahn (CDU), mehrfach befragt, sieht kein Fehlverhalten. Im Lichte heutiger Erkenntnisse rechtfertigten sich allenfalls kleinere Korrekturen. Die Parteien im Bundestag können sich nicht über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses einigen. Deshalb berichtet die FAZ am 09.10.2024, die Aufarbeitung der Pandemie durch den Bundestag sei „offenbar vom Tisch“. Stimmen werden laut, die ganze Sache in die nächsten Legislaturperioden zu verschieben und damit dem Vergessen auszuliefern.

Ein prominenter Aufarbeitungsverhinderer ist der in Bonn Öffentliches Recht lehrende Klaus Ferdinand Gärditz, der den richtungsweisenden Osnabrücker Beschluss in der FAZ unqualifiziert, besonders polemisch, angreift. Es handelt sich bei seiner Kritik um ein treffendes Beispiel, wie vom moralischen Hochsitz aus oder aus Ressentiment vergiftete Ansichten in die Öffentlichkeit getragen werden.

Er beginnt mit Formalkritik. Das Verwaltungsgericht habe nicht einmal den § 31 BVerfGG zitiert. Daraus ergebe sich, dass die Entscheidung des BVerfG vom 27.04.2022 wie ein Gesetz für das Verwaltungsgericht bindend gewesen sei. Gärditz verkennt, dass § 31 BVerfGG im vorliegenden Fall überhaupt nicht einschlägig ist. Das Verwaltungsgericht lässt es dahingestellt sein, ob § 20a IfSG im April 2022 verfassungskonform gewesen ist. Es unterbreitet dem BVerfG einen durch Zeugenvernehmung und Inhalt der RKI-Protokolle aufgedeckten anderen Sachverhalt. Nach diesem neuen Sachverhalt ist der § 20a IfSG in der zweiten Hälfte 2022 in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen.

Dem Verwaltungsgericht gelinge es nicht einmal, meint Gärditz, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit darzustellen. Die Vorlage sei von „juristische(r) Schlampigkeit“ geprägt. „Der von Einseitigkeit gekennzeichnete Umgang mit dem Rechtsstoff grenzt an einen Missbrauch der Vorlagepflicht für einen rechtspolitischen Stunt mit billigem Vorführeffekt.“

Diese Vorwürfe schlagen auf Gärditz selbst zurück, wie durch genaueres Hinsehen belegt werden kann.

Gärditz wirft dem Verwaltungsgericht vor, die Chronologie der Ereignisse im Jahre 2022 durcheinander zu „wirbeln“ und moniert: „Entscheidend war gewesen, ob der Gesetzesbeschluss im März 2022 auf vertretbarer Erkenntnisgrundlage erfolgte oder nicht. Dazu trifft das Verwaltungsgericht schon keine substantivierten [sic!] Feststellungen mehr.“

Gärditz scheint den Vorlagebeschluss nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gelesen zu haben; sonst wäre ihm nicht entgangen, dass Feststellungen zum März 2022 nicht erforderlich waren. Der Vorwurf von Gärditz geht ins Leere, weil das Verwaltungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des § 20a IfSG bei dessen Erlass im März 2022 überhaupt nicht in Frage gestellt hat. Für die von dem Verwaltungsgericht geforderte konkrete Entscheidung ist allein von Bedeutung, ob § 20a IfSG beim Erlass des Betretungsverbots am 07.11.2022 noch verfassungskonform war oder nicht. Deshalb konzentriert sich das Verwaltungsgericht zu Recht darauf, herauszufinden, ob der möglicherweise beim Gesetzesbeschluss im März 2022 noch verfassungsgemäße § 20a IfSG bis zum 07.11.2022 in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen ist. Der Vorwurf von Gärditz geht fehl und ist – mit den Worten von Gärditz gesprochen – ein Produkt juristischer Schlampigkeit.

Bei dieser Arbeit ist das Verwaltungsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Gesetzgeber einer ihm obliegenden Normbeobachtungspflicht nicht nachgekommen sei. Entgegen der Vorgabe des BVerfG habe der Gesetzgeber § 20a IfSG nicht auf seine Wirksamkeit für das angestrebte Ziel im Blick behalten. Das BVerfG (Beschluss des Ersten Senats vom 27.04.2022, 1 BvR 2649/21, Rn. 135) präzisiert diese Normbeobachtungspflicht wie folgt: Bei einer nicht sicher einschätzbaren tatsächlichen Situation erfordert sie, „dass ständig neue wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem In- und Ausland zu erfassen, auszuwerten und zu bewerten sind, fortlaufend hinterfragt und erforderlichenfalls angepasst werden“.

Gärditz begründet seinen Vorwurf, der Vorlagebeschluss zeichne sich durch „juristische Schlampigkeit“ aus, auch mit der Anmerkung, die Vorlageentscheidung des Verwaltungsgerichts enthalte keine „Auseinandersetzung mit der Literatur und der fachgerichtlichen Rechtsprechung zum Infektionsschutzrecht in der Pandemie“.

Dieses weit gefasste Thema mag für eine Seminarveranstaltung an der Universität Bonn geeignet sein und dort, wie Gärditz meint, „die rechtspraktische Bedeutung der politischen Prämissen der Gesetzgebung möglicherweise aufhellen.“

Das Verwaltungsgericht hat sich für die fachgerechte Entscheidung des ihm unterbreiteten konkreten Falls nur mit den Expertenmeinungen auseinanderzusetzen, die das BVerfG seiner Entscheidung vom 27.04.2022 zugrunde gelegt hat. Gärditz’ Vorwurf, aus „juristischer Schlampigkeit“ sei diese Auseinandersetzung unterblieben, ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht ist sich bewusst, dass das BVerfG in seinem Beschluss vom 27.04.2022 die Verfassungsgemäßheit des § 20a IfSG bereits festgestellt hat. Gestützt auf BVerfGE 94, 315 (323) ist es jedoch der zutreffenden Ansicht, eine Richtervorlage sei trotzdem zulässig, wenn sich neue Tatsachen ergeben haben oder neue rechtliche Gesichtspunkte auftreten. Ob Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte neu sind, ist ausschließlich zu messen an dem Inhalt der Begründung des verfassungsgerichtlichen Beschlusses vom 27.04.2022 und, entgegen der Ansicht von Gärditz, nicht auf die Gesetzesentscheidung von § 20a IfSG im März 2022 auszudehnen. Das BVerfG führt in seiner o. g. Entscheidung dazu aus: „Eine erneute Vorlage kommt dann in Betracht, wenn tatsächliche oder rechtliche Veränderungen eingetreten sind, die eine Grundlage der früheren Entscheidungen berühren und deren Überprüfung nahelegen.“

Die allein notwendige Erörterung der Grundlagen der Entscheidung des BVerfG vom 27.04.2022 zur Impfpflicht konnte vom Verwaltungsgericht kurz gehalten werden, weil darin keine wirkliche Auseinandersetzung mit der Literatur oder den Ansichten der maßgeblichen Institutionen stattgefunden hat.

Das BVerfG nennt dort neben dem ausschließlich entscheidungserheblichen RKI auch andere Institutionen. Was deren wissenschaftliche Positionen sind, wird aus der Entscheidung nicht ersichtlich. Das BVerfG setzt sich nicht mit den Expertenmeinungen auseinander. Wenn es Fachgesellschaften bzw. sog. Experten zitiert, erfolgt dies nur, um zum Ausdruck zu bringen, sie „schätzten die Situation ähnlich ein wie das Robert Koch-Institut“ (Rz. 160). In keinem Fall ergibt sich aus diesen pauschal gehaltenen Verweisen etwas zu dem im konkreten Fall entscheidungserheblichen Fremdschutz durch Impfung. Bei den Zitaten einiger Institutionen geht es um vorhandene Impflücken (Rz. 176) oder die Anzahl und die Art der Meldungen von Nebenwirkungen (Rz. 223 f.), nicht jedoch um die Fremdschutzwirkung der Impfung. Ohne Auseinandersetzung mit Expertenmeinungen hierzu kann es auch keine Diskussion darüber geben. Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts, die von dem BVerfG in seiner Entscheidung unterlassene Auseinandersetzung mit verschiedenen wissenschaftlichen Auffassungen zum Fremdschutz durch Impfung nachzuholen.

Das BVerfG stellt, ohne wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung, schlicht fest, der Gesetzgeber habe sich auf die Datenerhebung und deren Bewertung durch das RKI und die ihm angegliederte Ständige Impfkommission verlassen und verlassen dürfen. Auch das BVerfG hat sich darauf verlassen. Nicht umsonst hat das BVerfG deshalb wie selbstverständlich für seine Entscheidung fortlaufend die Lageberichte des RKI herangezogen. Das BVerfG hat geglaubt, die Behauptung, eine Impfung habe einen wirksamen Fremdschutz zur Folge, beruhe auf einer wissenschaftlichen Bewertung und sei deshalb zwingend. Nach den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichts Osnabrück ist das BVerfG einer unbesehen übernommenen Falschinformation aufgesessen. Gärditz’ Vorwurf, das BVerfG habe sich für seine Einschätzung ausschließlich auf das RKI gestützt, sei eine „Falschbehauptung“, entpuppt sich als haltlos.

Gärditz meint, das BVerfG werde die Vorlage des Verwaltungsgerichts Osnabrück als unzulässig verwerfen, weil es weder neue Tatsachen noch neue rechtliche Gesichtspunkte gebe, die eine Grundlage der Entscheidung vom 27.04.2022 berühren und deren Überprüfung nahelegten.

So sei es nicht neu, dass das RKI der Fachaufsicht des Bundesgesundheitsministerium (BGM) unterliege. Das ist nicht zu bestreiten, stellt jedoch nur ein Ablenkungsmanöver dar. Was tatsächlich durch die von dem Verwaltungsgericht durch die Würdigung der durchgeführten Vernehmung des jetzigen Präsidenten des RKI und Bewertung der RKI-Protokolle als neu erkannt worden ist, soll mit einer Nebelkerze unkenntlich gemacht werden.

Die sicher allen Beteiligten bekannte Fachaufsicht des BGM über das RKI spielt in der Begründung des BVerfG auch nicht ansatzweise eine Rolle. Es liegt offensichtlich außerhalb der Vorstellungskraft der Verfassungsrichter, dass gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht sprechende wissenschaftliche Erkenntnisse, sei es durch direkte Einflussnahme des BMG, sei es durch vorauseilenden Gehorsam des RKI, zurückgehalten worden sind. Das gilt ebenso für die Ungeheuerlichkeit, dass intern beim RKI gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse/Bewertungen der Öffentlichkeit nicht ungefiltert mitgeteilt worden sein könnten. Diese Tatsache eröffnet ein weites Feld für Spekulationen darüber, wem und zu welchem Zweck diese aufgedeckte Irreführung/Unlauterkeit gedient haben könnte.

Zum Beleg verweist das Verwaltungsgericht überzeugend auf die Auswertung der RKI-Protokolle und die Zeugenaussage des jetzigen RKI-Präsidenten.

Das BVerfG sieht stattdessen – realitätsfremd – beim RKI das durch Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erarbeitete Fachwissen gebündelt. Diese arbeiten – so das BVerfG gutgläubig – an der Bekämpfung von Infektionskrankheiten und der Analyse langfristiger gesundheitlicher Trends in der Bevölkerung zu deren Wohl. Dieses geballte Fachwissen des RKI und der diesem angeschlossenen Ständigen Impfkommission (STIKO) ist nach dem BVerfG – tatsachenfern – im März 2022 ungefiltert in die Gesetzgebung zu § 20a IfSG eingeflossen.

Dass diese Entscheidungsgrundlage unzutreffend ist, ist neu und legt es im Sinne der bereits zitierten Entscheidungen des BVerfG (BVerfGE 94, 315 (323)) nahe, die Entscheidung vom 27.04.2022 zu überprüfen.

Gärditz gibt sich jedoch nicht mit dem ein Ablenkungsmanöver darstellenden Hinweis der Fachaufsicht des BMG über das RKI zufrieden. Er kann nicht umhin zu konstatieren, dass die RKI-Protokolle und die Aussage des Zeugen hinsichtlich der Fremdschutzwirkung der Impfung zeigten, wie „ernüchtert“ die Mitarbeiter gewesen seien. Man „habe die Schutzwirkung der Impfung relativiert“ und es hätten dort deshalb „Unsicherheit und berechtigte Zurückhaltung“ überwogen. Diese neue, bisher auch dem BVerfG unbekannte Lageeinschätzung beim RKI hält Gärditz nicht davon ab, undifferenziert zu behaupten: „Tatsächlich ging auch das RKI von einer Fremdschutzwirkung der Impfung aus, also von einer evidenzbasiert geringeren Ansteckungswahrscheinlichkeit Dritter.“

Beim RKI hat man, nach den Protokollinhalten, der Impfung keine Fremdschutzwirkung beigemessen; schon gar nicht eine evidenzbasierte. Das RKI hatte überhaupt keine wissenschaftliche Erkenntnis darüber, ob die Impfung Fremdschutz entfaltete. Dies ist entgegen der Ansicht von Gärditz eine weitere neue Tatsache, die die Überprüfung der BVerfG-Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht geradezu notwendig macht.

Die Neuheit ergibt sich aus der sachkundigen Aussage des jetzigen Präsidenten des RKI. Nach dieser Bekundung fand beim RKI nicht einmal ein Monitoring der Effektivität der implementierten Maßnahmen bezogen auf die bezweckte Reduzierung der Infektionsfälle vulnerabler Personen in Pflegeeinrichtungen statt. Lediglich die Impfquote in den Einrichtungen sei beobachtet worden, bekundete der Zeuge, was natürlich über die Effektivität der Impfung in Bezug auf den Gesetzeszweck (Fremdschutz vulnerabler Personen) nichts aussagt.

Selbst Gärditz hält fest: „Zulassungen von Impfstoffen erfolgten aufgrund ihrer Wirksamkeit bei den Geimpften. (…) Der Schutz Dritter ist grundsätzlich nicht Gegenstand klinischer Arzneimittelprüfungen.“

Die Aussage des Präsidenten des RKI geht noch darüber hinaus. Nach seiner Bekundung war schon im Jahre 2022 bekannt, dass der überwiegend verwendete Impfstoff von BioNTech/Pfizer überhaupt nicht zum Fremdschutz zugelassen worden war. Dennoch wurde lange Zeit der Fremdschutz durch Impfung als zwingend, da wissenschaftlich belegt, der Öffentlichkeit dargestellt. Zweifler wurden als Corona-Leugner oder Verschwörungstheoretiker an den Pranger gestellt. Die von dem Verwaltungsgericht zitierten Protokollauszüge bestätigen das völlige Fehlen evidenzbasierter wissenschaftlicher Erkenntnisse betreffend die Fremdschutzwirkung der Impfung. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht mit ihren allseits anerkannten gravierenden und teilweise irreparablen menschlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen wurde im Blindflug durchgesetzt. Auch das Wissen über die fehlende Zulassung für den Fremdschutz hielt das RKI nicht davon ab, den vulnerablen Personen eine Scheinsicherheit vorzugaukeln und gleichzeitig Impfgegnern unter dem Pflegepersonal die Berufsausübung zu entziehen.

Die platte Behauptung von Gärditz, das RKI sei von einer evidenzbasierten Drittwirkung der Impfung ausgegangen, ist nach all dem ein Beispiel dafür, wie wegen subjektiver Voreingenommenheit Ansprüche an Wissenschaftlichkeit und Objektivität erodieren. Die beim RKI vorherrschende Unkenntnis über einen Drittschutz der Impfung erschüttern die Grundlagen der Entscheidung des BVerfG vom 27.04.2022 und erfordern deren Überprüfung.

Matthias Guericke hat in seinem Beitrag „Grundrechte ohne Schutz – Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur einrichtungs- und unternehmensbezogenen Nachweispflicht” überzeugend herausgearbeitet, dass die genannte Entscheidung des BVerfG auch aus weiteren Gründen zu überprüfen ist.

Er hat nachgewiesen, dass in die Entscheidung vom 27.04.2022 der Wissensstand über die Fremdwirkung der Impfung nur bis zum 02.02.2022 eingeflossen ist. Nach dem 02.02.2022 wurden zahlreiche den Fremdschutz verneinende wissenschaftliche Erkenntnisse veröffentlicht. Das war entgegen den Ausführungen des BVerfG schon am 27.04.2022 keine Mindermeinung mehr. Ausdruck dieser veränderten Erkenntnislage war, wie Guericke aufzeigt, dass in der anhaltenden Debatte der Fremdschutz nun argumentativ in den Hintergrund trat und stattdessen mit dem Schutz der Intensivstationen vor Überlastung, der erforderlichen Senkung der hohen Inzidenzzahlen und der Vermeidung von schweren Verläufen argumentiert wurde. Es ist hier nicht der Ort auszuführen, dass ein Scheinargument durch ein anderes Scheinargument ersetzt wurde.

Diese und alle anderen aufgezeigten neuen Tatsachen begründen einen Anspruch auf Überprüfung der BVerfG-Entscheidung über die einrichtungsbezogene Impfpflicht daraufhin, ob die Überzeugung des Verwaltungsgerichts Osnabrück, § 20a IfSG sei schon vor dem am 07.11.2022 gegen die Klägerin ausgesprochenen Betretungsverbot in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen, zutreffend ist oder nicht.

Der rechtlichen Bewertung des Vorlagebeschlusses durch Gärditz „fehlt (es) an juristisch-handwerklicher Sorgfalt“. Sie ist gekennzeichnet von „juristische(r) Schlampigkeit“. Ob die „juristische Schlampigkeit“ auch von der Überzeugung getragen ist, die Corona-Aufarbeitung zu erschweren, entzieht sich den Erkenntnismöglichkeiten des Verfassers. Rückschlüsse auf die Einstellung von Gärditz zu dem Problemkreis mag der Leser selbst ziehen aus dessen Verfassungs-Blog-Beitrag vom 24.01.2022. Auch heute noch abrufbar heißt es dort: „Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) steht allen Menschen gleichermaßen zu und die körperliche Integrität von Angehörigen des vermeintlichen ‚Mainstreams‘ ist normativ nicht weniger wert als die körperempfindsamer Impfverweigerer. Letztere setzen aber die Körper anderer signifikant erhöhten Belastungen und Risiken aus. Aufwändige Operationen werden verschoben, was für Betroffene mit schwerem Leid – von Krebs bis Endometriose – erhebliche Beeinträchtigungen in der körperlichen Lebensführung bedeutet (…). Und wenn es zur Triage kommt, kann die Widerstandsromantik der Impfverweigerer andere Menschen Leben kosten. Solidarität nach dem Motto: ‚Du darfst für meinen Glauben sterben?‘. Hier werden nicht soziale Freiheitsrisiken rational ausgehandelt, sondern unzählige Menschen den subjektiven Phantasmen bizarrer Esoterik geopfert (…) ein Radikalliberalismus, der ohne Rücksicht auf Verluste die Gesellschaft postmoderner Beliebigkeit gefühlter Wahrheit ausliefert.“

Quelle: Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte n.e.V. (KRiStA)

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