Experten bestätigen: Falsche Handhabung von Kindersitzen bleibt einer der häufigsten Gründe für Verletzungen bei Kindern im Auto
Archivmeldung vom 17.09.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNichts ist für Eltern wichtiger, als die Sicherheit ihrer Kinder. Dies zeigt auch die hohe Nutzung von Kinderrückhaltesystemen. Dennoch starben im letzten Jahr immer noch 58 Kinder unter 15 Jahren im Straßenverkehr. Auch Experten der Unfallforschung und Automobilindustrie bestätigen: Trotz fortlaufender technischer Fortschritte gibt es noch Sicherheitslücken bei Kinderrückhaltesystemen, die weiter untersucht werden müssen.
Dass bei dem Thema Kindersicherheit im Verkehr noch einiges getan werden muss, zeigen die aktuell veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Demnach gab es im Vergleich zum Vorjahr im ersten Halbjahr 2014 9,5 Prozent mehr Verkehrstote sowie 10,6 Prozent mehr Verletzte. Dagegen ist die Zahl der verunglückten Kinder seit 1978 rückläufig. Trotzdem bleibt das Auto das gefährlichste Fortbewegungsmittel für die Kleinen. Im Rahmen der Initiative "Kleine Helden leben sicher" diskutierten acht Sicherheitsexperten aus Wissenschaft, Forschung und Praxis über die Erkenntnisse der Unfallforschung sowie Trends und Entwicklungen im Bereich der Kindersicherheit bei einem Runden Tisch zur Kindersicherheit am 8. September in München.
Eines der wichtigen Themen war dabei die falsche Handhabung von Kinderrückhaltesystemen. Dr. med. Wolfram Hell, Leiter Unfallanalyse und Biomechanik, Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München, sieht die falsche Installation und Handhabung von Kindersitzen als eine der häufigsten Gefahren für die kleinen Verkehrsteilnehmer. Er untersucht in seiner Arbeit tödliche Verkehrsunfälle, auch viele davon mit Kindern. Seine Datenbank weist beispielsweise einen Fall auf, bei dem eine Familie zwar ein Auto mit ISOFIX hatte, aber einen 20 Jahre alten Kindersitz benutzte, der zu lose montiert war. Ihr 19 Monate altes Kind wurde durch einen Unfall querschnittsgelähmt. "Unser gemeinsames Ziel sollte es sein, die Sicherheit von Kindern im Auto weiter voranzutreiben, die Zahlen der Verkehrstoten und Verletzten weiter zu reduzieren und unser hohes Niveau in diesem Bereich zu halten", erläutert Dr. Hell. Ähnliche Auswertungen und Erhebungen am Unfallort hat Professor Dietmar Otte, Leiter der Unfallforschung der Medizinischen Hochschule Hannover, gemacht: "Die wenigen derzeit noch immer schweren Verletzungen, die bei Kindern durch einen Unfall auftreten, sind in vielen Fällen auf eine Fehlnutzung der Kinderrückhaltesysteme zurückzuführen. Deswegen ist es wichtig, dass Eltern weitreichend über diese Themen informiert werden."
Auch rückwärtsgerichteter Transport von kleinen Kindern war ein wichtiges Thema beim Runden Tisch. Lotta Jakobsson (PhD), Technische Leiterin für den Bereich Sicherheit bei Volvo Car Corporation, erläuterte in ihrem Vortrag die Vorteile von rückwärtsgerichteten Kindersitzen. Der rückwärtsgerichtete Transport von kleinen Kindern hat in Schweden eine lange Tradition und wird von vielen Experten als die sicherste Option angesehen. Nicht zuletzt gilt Schweden als Vorbild in diesem Bereich und ist auch eines der Länder in der EU, das die wenigsten Verkehrstoten im internationalen Vergleich hat.
Zusätzlich wurden am Runden Tisch neue Veröffentlichungen der UN-Arbeitsgruppe GRSP vorgestellt, die sich mit der Sicherheit von Kindersitzen beschäftigen. Diese weist in der Veröffentlichung auf ein potenzielles Sicherheitsrisiko von Kindersitzen mit dem sogenannten Fangkörpersystem hin. In Crashtests wurden die Dummys bei bestimmten Unfallszenarien ganz oder teilweise aus solchen Sitzen herausgeschleudert. Dr. Lars Hannawald erläuterte in diesem Zusammenhang die Schwierigkeit, Verletzungen im Bauchbereich in Tests zu messen, da die Verletzungsschwere nicht alleine auf die Beschleunigungswerte im Auto zurückzuführen ist. Während die Werte für Brustkorb und Kopfbelastungen gut abschneiden, könnten gemessene Werte für Belastungen im Bauchbereich zu einer Abschwächung dieser guten Ergebnisse führen. Allerdings werden diese Belastungen, sogenannte abdominale Belastungen, in Tests derzeit nicht erfasst. Laut Dr. Dirk Sommerfeldt, Leitender Arzt der Abteilung für Kinder- und Jugendtraumatologie des Altonaer Kinderkrankenhauses, und Dr. Peter Biberthaler, Direktor der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie am Klinikum rechts der Isar in München / TU München, können Verletzungen im Bauchbereich bei Kindern jedoch schwerwiegend ausfallen.
Die Experten des Runden Tisches waren sich einig: Eltern müssen mehr über die unterschiedlichen Systeme informiert und über die richtige Handhabung von Kindersitzen aufgeklärt werden. Auch müssen sie für psychische Konsequenzen eines Unfalls stärker sensibilisiert werden. Darauf wies Dr. Jan Zeibig, Geschäftsführer der "Aktion Kinder-Unfallhilfe e.V.", durch seine Erfahrungen mit verunglückten Kindern hin. "Diese Diskussion über Sicherheitslücken zeigt, dass es noch Bereiche gibt, die weiter erforscht werden müssen, um Kinder bestmöglich zu schützen", so Christian Danner, Schirmherr der Initiative "Kleine Helden leben sicher" und Ex-Formel 1-Fahrer.
Quelle: KHLS (ots)