Der Fall Beresowski — Ein Mord?
Archivmeldung vom 05.04.2013
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.04.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAndrej Iwanowski, Redaktionsleiter RIA Nowosti, macht sich in seinem Artikel "Tagebuch des Redakteurs" Gedanken über den Tod von Beresowski. Er schreibt: "Zunächst hieß es: Beresowski starb an Herzversagen. Dann tauchte sein Schal im Badezimmer auf. Dann hieß es, Beresowski Leiche weist eine gebrochene Rippe auf. Ergebnis der Obduktion: „Strangulation“. Spuren von etwas, was auf Englisch als „legature“ bezeichnet wird, am Hals, und „ein ebensolches Stück Material“, das „ an der Duschvorhangstange gefunden wurde“. Mit anderen Worten: Die britischen Ermittlungsbehörden wollen darin einen Selbstmord sehen."
Andrej Iwanowskweiter: "Je mehr aber London auf einen Selbstmord hindeutet, desto öfter hört man jetzt aus Moskauer Quellen, dies könnte ein Mord gewesen sein. Die britischen Geheimdienste wollten Beresowski zum Schweigen bringen – behauptet etwa der russische Polit-Exzentriker Wladimir Schirinowski.
Motive für den Selbstmord des 67-jährigen wurden uns bereits zu Genüge erläutert: Beresowski hat 2012 den spektakulären Prozess in London gegen Tycoon Roman Abramowitsch verloren, was mit einem schmerzhaften Geldverlust – vom Image-Verlust ganz zu schweigen – verbunden war. Wenig später verlor er auch einen Prozess gegen eine seiner Ex-Frauen: Auf Gerichtsbeschluss musste er ihr eine neunstellige Summe in Pfund zahlen. Grund genug, um auf Selbstmordgedanken zu kommen und eigenhändig einen Schlussstrich unter dem eigenen Leben zu ziehen.
Aber: Es stellt sich heraus, dass Beresowski a) fest vorhatte, einige Tage nach seinem „Selbstmord“ (?) nach Israel zu fahren und b) gerade auf eine sichere Geldüberweisung in Höhe von 300 Mio. Dollar wartete – was die Selbstmord-Version wackelig macht. Es gibt aber auch noch ein c): Kein Abschiedsbrief liegt vor.
Ein Aber Nr 2 – der große Joker – Beresowskis Brief an Wladimir Putin, den er Ende vergangenen Jahres geschrieben hat. Dass es diesen Brief gibt, bestätigen sowohl der Kreml als auch Leute aus dem engsten Kreis des Verstorbenen. Vom Kreml haben wir gerade gehört, eine Veröffentlichung dieses Briefs komme nicht in Frage. Was der Kreml allerdings bestätigt: Im Brief ging es darum, dass Beresowski zurück nach Russland wollte. Beresowski bekunde Reue und bitte Putin um Entschuldigung, hieß es.
In Russland wurde Beresowski bereits wegen zahlreicher Wirtschaftsdelikte zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt. Man kann sich schwer vorstellen, dass Lebemann Beresowski zurück in die Heimat wollte, um seinen Lebensabend unbedingt hinter Gitter verbringen zu dürfen. Insofern muss man stark annehmen, dass er – und höchstwahrscheinlich gerade in seinem Brief an den Kreml – etwas angeboten hat, was ihn, wie er meinte, vor dem Knast retten könnte. Vielleicht hat er geblufft, vielleicht auch nicht.
Durchaus könnten dies interessante Geheimnisse gewesen sein, die Beresowski erfahren hat. Mag sein, dass dies Geheimnisse der britischen Geheimdienste waren – warum nicht? Dies kann schon als Mordmotiv gelten, oder?
Jedenfalls wäre dies viel spannender als ein fader Selbstmord.
PS. Dass das Badezimmer, in dem Beresowskis Leiche gefunden wurde, von innen geschlossen war, weiß man nur von seinem Bodyguard und nur von ihm. Wer ist aber dieser Typ? Kann man ihm wirklich glauben?
PPS. Erinnern Sie sich noch? Kurz nach Beresowskis Tod tauchten Meldungen auf, er habe seine Aufzeichnungen – etliche Kilogramm – mit der Post an das schwedische Parlament abgeschickt. Die Schweden dementierten. Kann man aber denen wirklich glauben?"
Quelle: Text Andrej Iwanowski - RIA Nowosti / erschienen auch bei politaia.org