Cum-Ex - Teuflischer Plan
Archivmeldung vom 28.07.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićIm Cum-Ex-Skandal um die Hamburger Privatbank MM Warburg sind Ermittler aus NRW auf eine brisante Spur gestoßen. Sie führt nach Hamburg und sie wirft Fragen auf – auch an hochrangige SPD-Politiker wie Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher und Bundeskanzler Olaf Scholz. Konkret geht es nach Recherchen des WDR um einen Whats-App Chat der damals für die Privatbank zuständigen Finanzbeamtin.
Die Textnachricht könnte eine Wendung in dem Skandal markieren, dem in Hamburg derzeit auch ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss nachgeht.
Die Hamburger Privatbank hatte zwischen 2007 und 2011 Cum-Ex-Aktienhandel betrieben, wie viele Finanzinstitute weltweit. Bei Cum-Ex griffen die Beteiligten in die Staatskasse. Sie ließen sich vom Staat Steuern erstatten, die sie nie gezahlt hatten. Das tat auch die Warburg-Bank. Als das Finanzamt Hamburg 2016 dahinter kam, wollte es erst das Geld zurückfordern: rund 47 Millionen Euro allein für die Cum-Ex-Geschäfte aus dem Jahr 2009. Doch dann änderte die Behörde plötzlich ihre Meinung und ließ die Ansprüche fallen.
Bei einer Razzia beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Köln Tagebucheinträge des Warburg-Eigners Christian Olearius. Darin stießen die Ermittler auf Hinweise, dass Hamburger Politiker und Finanzbeamtinnen der Traditionsbank womöglich geholfen haben könnten, die Millionenrückzahlung abzuwenden. Unter anderem vermerkte Olearius ein Treffen mit dem damaligen Ersten Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz. Der Sozialdemokrat wiederum habe Olearius empfohlen, sich an den damaligen Finanzsenator und heutigen Ersten Bürgermeister in Hamburg zu wenden, Peter Tschentscher. Die beiden Politiker bestritten in Befragungen vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss vehement eine Einflussnahme auf das Steuerverfahren – ebenso wie alle beteiligten Finanzbeamt:innen.
Doch nach Recherchen des WDR sind Fahnder aus NRW nun auf Material gestoßen, das an diesen Aussagen Zweifel aufkommen lässt. Am 17. November 2016 schrieb demnach die für Warburg zuständige Finanzbeamtin einer Vertrauten – wenige Stunden, nachdem sich die Finanzbehörden überraschend dazu entschieden hatten, auf die 47 Millionen Euro aus Cum-Ex-Geschäften zu verzichten. Ihr teuflischer Plan, schreibt sie, sei aufgegangen. Ihre Freundin aus der Hamburger Finanzbehörde fragte nach, ob man verjähren lasse. Daniela P. bejahte dies – wenn nichts dazwischen komme.
Ein teuflischer Plan? Der Chatverlauf legt nahe, dass weitere Stellen der Hamburger Finanzverwaltung mitgewirkt haben könnten – etwa das 'Amt 5' der Finanzbehörde, jene Steuerverwaltung, die direkt dem damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher unterstand.
Das Justizministerium in NRW bestätigte auf Anfrage die Recherchen des WDR: „Ein Chatverkehr mit dem von Ihnen angegebenen Inhalt ist dem Ministerium der Justiz bekannt.“ Die Bewertung der Chatverläufe obliege jedoch der Staatsanwaltschaft Köln. Die Strafverfolger machten ihrerseits keine Angaben zu dem laufenden Ermittlungsverfahren. Daniela P. erklärte gegenüber dem WDR, sie werde sich zu den Textnachrichten nicht äußern. In früheren Zeugenbefragungen hat sie ausgesagt, es habe keine politische Einflussnahmen gegeben. Gleiches sagten auch die Verantwortlichen des Amtes 5 sowie Peter Tschentscher im laufenden Untersuchungsausschuss aus. Letzterer bezeichnete den Verdacht der politischen Einflussnahme als 'völlig haltlos'. Ein Senatssprecher betonte auf Anfrage, der zwischenzeitlich zuständige Ermittler der Staatsanwaltschaft Köln sei eingebunden worden. Die Privatbank MM Warburg teilte schriftlich mit, eine unzulässige Einflussnahme habe sich ihres Erachtens aus den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses nicht ergeben.
Die Textnachricht dürfte auch interessant für den Hamburger Untersuchungsausschuss sein. Am 19. August vernehmen die Abgeordneten einen prominenten Zeugen: Bundeskanzler Olaf Scholz ist geladen.
Quelle: WDR Westdeutscher Rundfunk (ots)