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Bilanz der UN-Naturschutzkonferenz: "Der Fortschritt ist eine Schnecke und viele Schnecken sind bedroht"

Archivmeldung vom 30.05.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.05.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kommentierte die Ergebnisse der UN-Naturschutzkonferenz in Bonn mit dem Satz "Beim Artenschutz ist der Fortschritt eine Schnecke. Und viele Schnecken sind bedroht". Enttäuschend sei vor allem die Zurückhaltung bei finanziellen Beiträgen zum Schutz der biologischen Vielfalt.

Leider seien die meisten Industriestaaten den entsprechenden Initiativen Norwegens und Deutschlands nicht gefolgt. Die Bundesregierung stehe in den kommenden zwei Jahren ihrer Präsidentschaft bei der Konvention über die biologische Vielfalt vor der Aufgabe, noch zögerliche Regierungen in die Finanzierung von Schutzgebieten einzubeziehen.

Fortschritte sieht der BUND bei der Erstellung von Kriterien für die Auswahl von Meeresschutzgebieten. Auch die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zu den Folgen der weltweit steigenden Produktion von Agrosprit sei ein Schritt in die richtige Richtung. Gleiches gelte für das Mandat zum Aushandeln von Regeln zum gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung biologischer Ressourcen der Entwicklungsländer. Hier sei jedoch noch ungeklärt, wie diese verbindlich werden sollten. Ein großes Manko der Konferenz sei auch, dass man sich nicht darauf geeinigt habe, Gentech-Bäume zu verbieten und bereits jetzt international verbindliche Standards für den Biomasseanbau zu verabschieden. Beides bedrohe die Artenvielfalt in besonderem Maße.

"Das zentrale Ziel der UN-Konferenz, das Artensterben bis 2010 zu stoppen, wird mit den Bonner Beschlüssen nicht erreicht", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger: "Es wurde aber einiges auf den Weg gebracht, was die Bundesregierung bis zur nächsten UN-Naturschutzkonferenz 2010 in Japan in Beschlüsse umsetzen muss. Wenn sich die Staaten in Japan nicht einigen können, wird der Kampf um den Erhalt der Biodiversität verloren gehen."

Damit Deutschland glaubwürdig bleibe, müsse es jedoch zunächst Defizite beim Naturschutz vor der eigenen Haustür abbauen. Deutliche Verbesserungen erforderlich seien beim Schutz des Wattenmeeres, der Alpen und der Buchenwälder. Dringlich seien zudem eine drastische Reduzierung des Flächenverbrauchs und die Förderung einer umweltschonenden Landwirtschaft.

Insgesamt zog der BUND-Vorsitzende eine ernüchternde Bilanz. Weiger: "Gut dass es diese Konferenz gab. Nicht gut, dass über vieles zum x-ten Mal geredet wurde, ohne dass es durchgreifende Maßnahmen gegen die illegale Abholzung der Urwälder oder die Überfischung der Meere gibt. Angela Merkel und Sigmar Gabriel müssen dafür sorgen, dass das Mandat zum Aushandeln von Regeln für den gerechten Vorteilsausgleich endlich schnell Ergebnisse bringt. Die Bundesregierung kann auch hier ein Signal setzen, indem sie die Entwicklungsländer an den Gewinnen beteiligt, die deutsche Firmen aus der Nutzung ihrer genetischen Ressourcen ziehen."

Der BUND lobte die Installierung des Biodiversitäts-Rates, der ähnlich dem UN-Weltklimarat arbeiten soll. Die hohe Glaubwürdigkeit von Gremien international anerkannter Wissenschaftler werde die Sensibilität in der Bevölkerung für den Schutz des Klimas und der Biodiversität weiter erhöhen.

Vielfalts-Konvention in Bonn war ein Desaster

Tief enttäuscht von den Ergebnissen der Konvention für Biologische Vielfalt zeigten sich heute die Organisatoren des Gegengipfels "Planet Diversity", bei dem zum Auftakt der Verhandlungen 700 Vertreter und Vertreterinnen von Bauern-, Umwelt-, Entwicklungs- und anderen Nichtregierungs-Organisationen aus 100 Ländern ihre Erwartungen an die Regierungsvertreter formuliert hatten. "Gemessen an der Herausforderung vor der wir stehen, sind die Ergebnisse eine Katastrophe", sagte Benedikt Haerlin von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft.

Die "Trippelschrittchen" beim Naturschutz und der Verteilung der Gewinne aus der natürlichen Vielfalt seien ein Armutszeugnis. "Schwerer als die Enttäuschung über magere Verhandlungsergebnisse im Einzelnen wiegt jedoch, dass weder die Bundesregierung noch die Mehrheit der versammelten Staatsvertreter wahrhaben wollen, wovon der Erhalt der lebendigen Vielfalt wirklich abhängt. Die radikale Wende in der Landwirtschaft, die Abkehr von Monokulturen, der Verzicht auf Patente zur Privatisierung der Vielfalt, auf Gentechnik und Agar-Sprit standen nicht einmal auf der Tagesordnung", monierte Haerlin.

Wer die flächendeckende Vernichtung von Arten und Lebensräumen durch industriellen Anbau und die weltweite Vertreibung von Kleinbauern mit ein paar Millionen für Naturschutzflächen kompensieren wolle, der irre. "Solange Vielfalt als Zoo behandelt wird und nicht als unsere gemeinsame Lebensgrundlage, wird das Artensterben weiter voranschreiten. Solange nur über die Höhe des Trinkgeldes für indigene und bäuerliche Erhalter der Vielfalt gefeilscht wird und die Patentierung des Lebens nicht in Frage gestellt wird, gibt es keine Gerechtigkeit. Solange Vielfalt gepredigt und Agrar-Sprit getrunken wird, hat die Vielfalt keine Chance und wird der Hunger auf der Welt angeheizt."

Das Versagen der Regierungsvertreter erfordert laut Haerlin eine Wende von unten und einen Aufstand der Basis-Bewegungen, wie er bei "Planet Diversity" besprochen wurde. "Von oben ist derzeit außer warmen, aber irreführenden Worten und untauglichen Ablass-Zahlungen nichts zu erwarten."

Quelle: BUND / Zukunftsstiftung Landwirtschaft

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